Ring, der

[1120] Der Ring, des -es, plur. die -e, Diminut. Oberd. Ringlein, Hochd. im gemeinen Leben Ringelchen, ein sehr altes, weit ausgebreitetes Wort, welches so wohl ein in die Länge ausgedehntes, als auch ein in die Höhe, in die Höhe und Dicke, und endlich ein in die Ründe ausgedehntes Ding bedeutet.

1. * Ein in die Länge ausgedehntes Ding, mit dem Nebenbegriffe der Dünne, der Biegsamkeit. In dieser Bedeutung ist es im Hochdeutschen veraltet, obgleich theils unser Ranke, und ringe in geringe, theils das Oberdeutsche rahn, rahnig, schlank, Überbleibsel davon sind.

2. * Ein in die Höhe ausgedehntes Ding; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, nach welcher Hringa bey dem Raban Maurus noch einen Fürsten, Vorgesetzten, bedeutet. Auch im Schwed. ist Ring und im Angels. Rinc ein vornehmer Mann. Eben so bedeuten Riese, Recke u.s.f. ehedem einen großen, und figürlich einen tapfern und vornehmen Mann, und unser groß selbst wird noch jetzt so gebraucht.

3. Ein nach allen Seiten ausgedehntes Ding, eine Masse; ein gleichfalls veralteter Gebrauch, von welchem mit vorgesetztem t, Truncus abzustammen scheinet. Indessen gibt es doch im Deutschen Fälle, wo dieses Wort noch von einer gewissen bestimmten Masse oder Zahl gebraucht wird, welche nebst der Etymologie an dieser Bedeutung nicht zweifeln lassen. So ist in Sachsen ein Ring Kohlen so viel Kohlen, als aus zehen Klaftern 7/4 langes Holz gebrannt werden können. In den Niedersächsischen Marschländern ist ein Ring Torf eine Menge Torf von 8 bis 9.000 Stücken; ingleichen ein Stück Landes, welches so vielen Torf gibt. Im Bremischen hingegen ist ein Ringel Torf ein Haufe von 8 Sohden. In dem Holzhandel wird auch das Stabholz nach Ringen verkauft, und da hält ein Ring gemeiniglich vier Schock 240 Stück. Allein in andern Gegenden, z.B. in Obersachsen, sind die Ringe nach Verschiedenheit des Stabholzes verschieden, denn ob sie gleich alle 120 Würfe halten, so rechnet man doch bey den Pipenstäben zwey Stück, bey den Oxhoft-Stäben drey Stück, und bey den Tonnestäben vier Stück auf Einen Wurf, da man denn auf jeden 30sten Wurf noch Einen darin zu geben pflegt. Fünf Ringe machen in Hamburg ein großes Tausend oder 1.200 Stück. An einigen Orten pflegt man auch andere Dinge nach Ringen zu zählen, und alsdann hält ein Ring allemahl 4 Schock oder 240 Stück. Man siehet leicht, daß sich die vorige Bedeutung der Ründe hier nicht ohne augenscheinlichen Zwang anwenden läßt, zumahl da der Begriff der Masse sich auch aus andern Gründen beweisen läßt. Bey dem Ottfried ist sih ringan ausdrücklich sich versammeln, und in unserm rinnen, gerinnen, sticht diese Bedeutung gleichfalls vor.

4. Ein in die Ründe ausgedehntes Ding.

1) Eine runde Figur, ein Kreis, ein Zirkel; in welcher Bedeutung es noch in mehrern Fällen, besonders des gemeinen Lebens, üblich ist. Der Ring um den Mond, ein runder Kreis in der Luft. Die Ringe in einem Baume, die Kreise in dem Holze, welche den Jahrwuchs bezeichnen.

2) Ein körperlicher Kreis oder Zirkel, welche Bedeutung jetzt die gangbarste ist. Ottfried nennt die dornene Krone thurninan Ring. Die verschiedenen Arten der Ringe bekommen allerley zusammen gesetzte Nahmen. Ein Wagenring, Achsenring, Nabenring, Deichselring, Schlüsselring, Ohrring, Fingerring, Schlüsselring u.s.f. Oft werden manche Arten dieser Ringe nur der Ring schlechthin genannt. Der Ring der Seefahrer ist ein Werkzeug in Gestalt eines Ringes, die Sonnenhöhen damit zu messen. Besonders verstehet man darunter einen Fingerring. Einen Ring tragen, anstecken, den Ring abziehen. Ehedem nannte man einen solchen Fingerring auch den Reifen, und das[1120] Fingerlein. Ein großer Ring heißt ein Rinken, siehe dieses Wort.

3) * Die kreisförmige Einschließung oder Befriedigung eines Raumes, und der auf solche Art eingeschlossene Raum selbst; eine veraltete Bedeutung, wovon sich noch häufige Spuren finden. Rink war ehedem im Oberdeutschen eine jede Befriedigung. Im Böhmischen ist Rynk der Turnierplatz. Der Hofplatz bey einem Landgute, die Hofraite, wurde ehedem sehr häufig der Hofring genannt. Im Ungarischen wird das Lager, so fern es ehedem eine runde Gestalt hatte, der Ring, im mittlern Lat. Hringus genannt, und in ganz Schlesien heißt der Marktplatz einer Stadt noch jetzt der Ring, vermuthlich so fern er auf allen Seiten eingeschlossen ist. Indessen kann hier auch der folgende Begriff der Versammlung mit in Betrachtung kommen. Wenn in dem alten Gedichte von Carls des Großen Feldzuge wider die Saracenen bey dem Schilter der Schlachtplatz der Ring heißt, so ist solches entweder eine Figur von einem mit Schranken umgebenen Turnierplatze, oder es gehöret hier auch zu dem Zeitworte ringen, luctari.

4) * Eine kreisförmige Versammlung mehrerer; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, in welcher es ehedem sehr üblich war, eine jede solche feyerliche Versammlung zu bezeichnen, welche Bedeutung auch das Lat. Circulus, Griech. κυκλος, und zuweilen auch unser Kreis und Zirkel haben. Schon Ottfried gebraucht Ring in diesem Verstande. Frisch hat verschiedene Beyspiele angeführet, in welchen so wohl die Gerichtsversammlung, als die Reichsversammlung, als auch endlich eine jede feyerliche Versammlung nur der Ring genannt wird. Allein, wenn Hickes, Frisch und andere das Franz. Harangue, eine feyerliche Rede, Ital. Aringa, Span. Arenga, und haranguer, feyerlich vor dem Volke reden, daher leiten, so scheinen sie zu irren, indem dieses richtiger als ein Intensivum von unserm alten haren, laut rufen und reden, angesehen wird. Im Nieders. bedeutet Ring noch jetzt eine Versammlung mehrerer. Ob es gleich sehr natürlich ist, diese Bedeutung von der kreisförmigen Gestalt einer solchen Versammlung herzuleiten, so verdienet doch die allgemeinere dritte Bedeutung der Masse, Menge und Versammlung dabey in Betrachtung zu kommen.

Anm. In der ganzen dritten Hauptbedeutung, welche jetzt im Deutschen die üblichste, aber deßwegen nicht die eigentlichste ist, schon bey unsern ältesten Schriftstellern Ring, im Angels. und Isländ. Hring, im Engl. Schwed. und Nieders. gleichfalls Ring, im Pohln. Rinck, mit vorgesetztem Gaumenlaute im Schwed. Kring, Kringla, im Nieders. Kring und Kringel. Das g ist ein bloßer, vielleicht müßiger Vorlaut, es kommt also nur auf die Sylbe rin an, welche zu reinen, rinen gehöret, welches ursprünglich den Laut einer gewissen Bewegung nachahmet, und wovon rennen und rinnen Intensiva sind. Die mit diesem Laute begleitete, und folglich auch durch dieses Wort ausgedruckte Bewegung kann nun in gerader horizontaler Linie gehen, oder in die Höhe, oder in die Tiefe, oder endlich auch in die Krümme; und dieses ist die Ursache, warum dieses Wort und dessen Verwandte in so mannigfaltigen Bedeutungen gebraucht werden, worin doch immer einer dieser Begriffe zum Grunde lieget. Rund, Rand, und mit allerley Vorlauten, Krone, Kranz, Prohne, Thron u. a. m. sind genau damit verwandt, so wie mit andern Endlauten, Reif, Reis, Kreis, krumm u.s.f. Siehe auch Ringel, Ringen und Rinken.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1120-1121.
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