Sünde, die

[503] Die Sünde, plur. die -n, ein Wort, welches ehedem eine jede Übertretung des Gesetzes und die Handlung, durch welche dasselbe übertreten wird, bedeutet hat, in welchem jetzt veralteten weitern Verstande, es bey dem Strycker und andern alten Oberdeutschen Schriftstellern noch mehrmahls vorkommt. Auch in den Monseeischen Glossen wird Sunta durch crimen übersetzt. Etwas davon ist noch in Sünder übrig. S. dasselbe. Jetzt ist es nur noch in engerer theologischer Bedeutung üblich, eine Übertretung des göttlichen Gesetzes und die Handlung, wodurch selbiges übertreten wird, zu bezeichnen. Eine Sünde thun oder begehen. Sich einer Sünde schuldig machen. Etwas für eine Sünde halten. Das ist keine Sünde. Jemanden zur Sünde verleiten. Sein Brot mit Sünden verdienen. Sich der Sünde fürchten, in oder bey einer Sache sich eine Sünde zu begehen fürchten. Die wirkliche Sünde, zum Unterschiede von der Erbsünde. Da es denn[503] in der Deutschen Bibel auch häufig als ein Abstractum sowohl das Unrecht der Gott mißfälligen Beschaffenheit und Handlung, als auch die sündliche, Gott mißfällige Beschaffenheit selbst ausdruckt.

Anm. Schon im Isidor Sundo, bey dem Kero Sunta, bey dem Ottfried, Willeram u.s.f. Sunta, Sunto, im Angels. Synne, im Engl. Sin, im Schwed. Synd, im Lappländ. Suddon. Dietrich von Stade, Frisch und andere leiten es von sühnen, söhnen, her, weil die Sünde versühnet werden müsse. Allein es scheinet, so wie Laster, Schande, und andere ähnliche Wörter, eigentlich körperliche Verunstaltung bedeutet zu haben, zumahl da in den Monseeischen Glossen Sunta auch durch infirma und macula übersetzt wird, so daß man es als einen Verwandten von dem Griech. σινειν, schaden, und vielleicht auch von Schande selbst ansehen kann. Das Lat. sons gehöret gewiß zu dessen Familie, ohne eben das Stammwort zu seyn.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 503-504.
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