Schalk, der

[1339] Der Schalk, des -es, plur. die Schälke, ein altes Wort, welches, 1. * ehedem einen Diener, einen Bedienten, einen Knecht, kurz eine jede Person bedeutete, welche einem andern zu gewissen Dienstleistungen verbunden ist. Es war in diesem Verstande ehedem sehr üblich, und wurde nicht nur von Knechten und Bedienten geringer, sondern auch von Dienern höherer Art, von Vasallen und Hofbedienten gebraucht, und da sagte man auch im weiblichen Geschlechte, die Schälkinn. Es ist in dieser Bedeutung, vermuthlich um der Zweydeutigkeit mit der folgenden willen, veraltet, und nur noch in einigen Zusammensetzungen üblich; wohin der eigenthümliche Nahme Gottschalk, und die Benennungen Marschall, ehedem Marschalk, und das Franz. Senechal, im mittlern Lateine Senechalcus, gehören. Im Nieders. gebraucht man es noch zuweilen figürlich, eine Stütze, einen Träger, einen leblosen Körper zu bezeichnen, worauf ein anderer ruhet, welchen man im Hochdeutschen auch wohl einen Knecht zu nennen pfleget. 2. Eine Person, welche die Fertigkeit besitzet, andern bey einem unschuldig scheinenden Verhalten zu schaden; wo es von beyden Geschlechtern gebraucht wird, und ein so genanntes Mittelwort ist, welches so wohl einen groben arglistigen Betrieger bezeichnen kann, als auch eine Person, welche andere durch ein unschuldig scheinendes Betragen nur im Scherze zu hintergehen sucht. 1) Eigentlich. Die Propheten sind Schälke, Jer. 23, 11, Betrieger. Halte deine Feyertage, Juda – denn es wird der Schalk nicht mehr über dich kommen, er ist gar ausgerottet, Nahum. 2, 1. Es ist mancher scharfsinnig und ist doch ein Schalk, Sir. 19, 22. Der Schalk kann den Kopf hängen und ernst sehen, und ist doch eitel Betrug, V. 23.


Dieweil der Bösen Maul im Lügen,

Der Schalk im Schmähen sucht Genügen,

Opitz Ps. 109, 1.


Am üblichsten ist es jetzt von kleinen unbedeutenden Hintergehungen, eine Person zu bezeichnen, welche Leichtfertigkeit, scherzhafte Arglist hinter ein unschuldiges äußeres Betragen zu verbergen weiß; wenigstens hat es viel von dem ehemahligen harten Begriffe[1339] verloren, welcher andern Wörtern dieser Art anklebet. Ein durchtriebener, ein abgesäumter Schalk. Einen Schalk hinter den Ohren haben, ein Schalk seyn. Er weiß den Schalk sein zu bedecken, er weiß sich sehr unschuldig, sehr ernsthaft zu stellen. In ärger Schalk, je besser Glück. Schälke muß man mit Schälken fangen. 2) Figürlich. (a) Bey den Salpetersiedern wird eine weiße Kalkerde, welche sich zuweilen unter der schwarzen Erde befindet, und von Unverständigen oft für Salpetererde gehalten wird, Schalk genannt. (b) In der Landwirthschaft einiger Gegenden sind die Schälke Kohlstöcke, welche einen guten Wuchs, aber doch dabey kein so genanntes Herz haben. In beyden Fällen ohne Zweifel, weil diese Dinge durch ihr gutes äußeres Aussehen Unwissende hintergehen.

Anm. In der ersten, allem Ansehen nach ältesten Bedeutung, lautet dieses Wort bey dem Ulphilas Skalks, bey dem Kero Scalcha, bey dem Ottfried Scalc, der auch scalclih für knechtlich gebraucht, im Nieders. Schalk, im Schwed. Skalk. Im Isidor wird es Scaalih geschrieben, woraus wahrscheinlich wird, daß das k am Ende aus der Ableitungssylbe -ig oder -ich entstanden ist; Schalich, eine Person, welche dienet, zusammen gezogen Schalch und Schalk. Es kommt also bey der Ableitung nur auf die Sylbe Schal an. Diese gehöret allem Ansehen nach zu dem schon gedachten alten Stammworte schalen, welches unter andern auch allerley geschäftige Bewegungen vornehmen, arbeiten, dienen, bedeutet haben kann, S. Schalten, welches nahe damit verwandt ist. Bey dem Ulphilas kommt auch das Zeitwort skalkinon für dienen vor. Frisch leitete es sehr gezwungen von dem Slavonischen Slug, ein Knecht, her, Wachter auf eine mehr erträgliche Art von sollen. Die zweyte Bedeutung wird gemeiniglich als eine Figur der ersten angesehen, weil Knechte gemeiniglich betriegerisch sind, und man an Dieb, dem Latein. Fur und andern schon ähnliche Beyspiele solcher Figuren hat. Allein diese Erklärungsart wird hier um deßwillen unwahrscheinlich, weil Schalk ehedem am häufigsten einen Diener höherer Art bedeutete, bey welchem dergleichen Gesinnung nicht immer vermuthet werden kann. Es ist also wahrscheinlicher, daß diese Bedeutung von einem andern, längst veralteten Gebrauche des Zeitwortes schalen abstammet; denn daß dieses ehedem alle die vielen Bedeutungen gehabt haben müsse, welche Zeitwörter dieser Art gemeiniglich haben, erhellet aus dem Hamburg. Schalk, der Mund, welches mit Schale von schalen abstammet, so fern es ehedem eine Richtung und Bewegung in und nach der Tiefe bedeutet hat. Eben dieser Begriff scheinet auch in den Baierischen Schalkel, ein Weiber-Corset ohne Schöße, der herrschende zu seyn, wenn es nicht vielmehr vermittelst des Zischlautes aus Jacke gebildet worden. In dem Schwed. Skalk, das erste Stück von einem angeschnittenen Brote, welches im Oberdeutschen der Ranft, der Schärzel, und im Niederdeutschen der Knuust heißt, scheinet der Begriff des Abschneidens, vielleicht auch der Masse, zum Grunde zu liegen. Siehe Schälken. Im Pictorius ist Schalk Hader, Zank, und schelken, schalken, zanken, welches eine unmittelbare Onomatopöie des Zankens ist, und zu unserm schelten gehöret. Übrigens hatte man ehedem auch das Zeitwort schalken für hintergehen, betriegen, welches aber, wenigstens im Hochdeutschen, veraltet ist.


Die Lieb ist jederzeit

Begabt mit Freundlichkeit;

Läßt bösen Eifer bleiben.

Die Liebe schalket nicht,

Sie denkt an ihre Pflicht,

Opitz.


Im Schwed. ist skalkas, gleichfalls betriegen. Eben so ungewöhnlich sind die ehemahligen Zusammensetzungen Schalksauge, Schalksknecht, Schalksrath, Schalksohr, Schalkschrift, Schalksliebe[1340] u.s.f. geworden, arglistige, verstellte betrügliche Dinge zu bezeichnen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1339-1341.
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