Schon

[1620] Schon, eine Partikel, welche in einer gedoppelten Gestalt üblich ist. I. Als ein Umstandswort, und zwar im ersten und nächsten Verstande, als ein Umstandswort der Zeit, denjenigen Umstand der Zeit zu bezeichnen, da eine Sache geschehen ist, oder wirklich geschiehet.

1. Eigentlich, so wohl von geschehenen Dingen, als von solchen, welche jetzt wirklich geschehen, wofür im Hochdeutschen auch bereits, im Niederdeutschen al und im Oberdeutschen alschon üblich ist. Wir haben schon gegessen. Er ist schon da. Er kommt schon. Es ist schon die Art den Bäumen an die Wurzel gelegt, Matth. 3, 10. Ich weiß schon, was ich thun will. Schon damahls, jetzt schon, schon vorlängst. Sie wird ganz gewiß schon auf uns warten, Gell. Ich höre es schon, sie sind ein Freygeist. Die Abenddämmerung trat schon ein. Achtzig Jahre waren schon über sein Haupt hingeflogen, Geßn. Ich bin schon so oft da gewesen. Die frühe Morgensonne flimmerte schon hinter dem Berge herauf, als Mykon ans Gitterfenster seiner Hütte trat, Geßn. So auch die Fragen. Bist du schon wieder da? Sind sie schon gekommen? Hast du es schon gehöret? Wo es auch für sich allein eine Frage machen, oder vielmehr eine fragende Bewunderung ausdrucken kann, daß eine Sache schon geschehen ist. Er ist schon da. – Schon? Der Regel nach stehet es, so wie die meisten übrigen Nebenwörter, hinter dem Zeitworte, wenigstens hinter dem Hülfsworte; allein um des Nachdrucks willen wird es auch oft zu Anfange des Satzes gesetzt. Schon in der Kindheit waren wir für einander bestimmt. Schon glänzte die Sonne durch das Reblaub, das am Fenster sich wölbte, Geßn.


O ja, du singst, schon hör ich dich

Vom nächsten Baum,

Weiße.


Welche Inversion oft die beste Wirkung thut, so sehr auch Gottsched dawider eiferte, und sie für eine Nachäffung der Franzosen ausgab.

2. In weiterm Verstande, wo sich neben dem Begriffe der geschehenen Sache allerley Nebenbegriffe mit einschleichen, welche den ersten oft ganz verdrängen. 1) Oft begleitet es wünschende Ausdrücke, den Wunsch, daß eine Sache geschehen seyn, oder wirklich werden möchte, zu begleiten. Wär er doch schon da! Wenn nur meine Braut schon das wäre, was sie nach ihrem Urtheile werden wird! Gell. Wär doch schon mein Lieschen mein! Weiße. 2) Für ohne dieß, ohnehin, besonders in der vertraulichen Sprechart. Des Volks ist schon so viel, 2 Mos. 5, 5. Dein Herz, das schon so viel gequält wird. 3) Mit dem Nebenbegriffe der gehörigen Zeit. Ich will schon kommen, eigentlich zur rechten Zeit. Ich will dich schon rufen. 4) Oft zeiget es eine Versicherung in Rücksicht auf einen vorher gegangenen Ausspruch an. Wenn sie nur nach ihm gerathen, so bin ich schon zufrieden. Nur ein solches Herz wieder zu finden, ist schon eine Freude. Bloß in so fern als die Natur dieses Herz gebauet hat, ists schon für die Rachgier zu hoch. Da es denn, 5) oft zu einem Ausdrucke einer Art von Versicherung wird. Es wird schon reichen. Wir wollen heute schon noch eins werden, Gell. Ich will es ein ander Mahl schon wieder einbringen, ebend. Ich weiß schon, wie junge Leute sind, ebend. Das ginge schon noch an. Sie wird mit den Jahren schon anders werden. Die Zeit wird mich schon rechtfertigen. Sie können einander schon heirathen. Ich muß nun schon Wort halten. Ich will meine Dinge schon machen, Weiße. Besonders in der vertraulichen Sprechart. Das muß ich schon thun.[1620] Das Mädchen ist schon gut. Das war ihm schon recht. Das ginge schon noch an. Schon gut!

II. Als ein Bindewort. 1) * Als ein concedirendes für zwar, welcher Gebrauch im Hochdeutschen fremd, und besonders den Niedersachsen geläufig ist. Es ist schon wahr, – aber. 2) Als ein bedingendes, welches einen Gegensatz begleitet, wo es im gemeinen Leben, besonders Nieder-Deutschlandes, sehr üblich ist, für auch, gleich; Nieders. schoon, schoonst, schöner, schöners, Schwed. skönt. Besonders mit den Nebenwörtern wenn und ob. Wenn sich schon ein Heer wider mich leget, so u.s.f. Ps. 27, 3, d.i. wenn auch, wenn gleich. Und ob ihr schon viel bethet, höre ich euch doch nicht, Es. 1, 15. Daß sie es nicht sehen, ob sie es schon sehen, und nicht verstehen, ob sie es schon hören, Luc. 8, 10. Er denkt es, ob er es schon nicht sagt. Ingleichen mit Auslassung des wenn und ob, wie gleich. Muß ich schon kümmerlich leben, so u.s.f. 3) * Für dennoch, gleichwohl; eine im Hochdeutschen unbekannte Bedeutung, in welcher aber die Niedersachsen ihr schöners häufig gebrauchen.

Anm. Das Umstandswort lautet im Isidor in, im Kero und Tatian giu, woraus mit dem Zischlaute und dem Endlaute n in den spätern Zeiten schon geworden zu seyn scheinet; im Niedersächs. schoon, schoonst, bey dem Ulphilas suns, im Angels. sona, bey den Krainerischen Wenden she. Frisch leitet es von schön ab, wobey er der Bedeutung des Wortes freylich viel Gewalt anthun muß. Die erste, aber jetzt veraltete, Bedeutung scheinet bald, jähe, zu seyn, welche Bedeutung des Engl. soon, bald, und sooner, eher, noch hat. Alsdann würde es mit schehen in geschehen Eines Stammes, und eigentlich eine Onomatopöie der Geschwindigkeit seyn. Aus der alten Oberdeutschen Form iu und giu erhellet zugleich die Verwandtschaft mit unserm jähe, dem Ital. gia, dem Französ. deja, und vielleicht auch mit dem Latein. jam.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1620-1621.
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