Tyrann, der

[726] Der Tyránn, des -en, plur. die -en. 1. Dem Ursprunge nach, ein jeder Landesherr, Landesfürst, besonders ein unabhängiger Fürst oder Herr, in welcher Bedeutung es aber im Deutschen nicht üblich ist, obgleich ungeschickte Übersetzer es oft da beyzubehalten pflegen, wo das Lateinische Tyrannus und Griechische Θυράννος in dieser Bedeutung vorkommen. 2. Ein Landesherr oder Fürst, welcher sich auf widerrechtliche Art der Herrschaft bemächtiget, sich zum Nachtheil des rechtmäßigen Herren zum Regenten aufgeworfen hat; eine im Deutschen um der Mißdeutung willen, gleichfalls seltene Bedeutung. Weil dergleichen Regenten gemeiniglich grausam und gewaltthätig zu regieren pflegen, so ist 3. im figürlichen Verstande der Tyrann, ein Regent, welcher seine Gewalt zur Grausamkeit und Gewaltthätigkeit mißbraucht; dergleichen Tyrannen die alte und neue Geschichte häufig genug aufzuweisen[726] hat. Nach einer noch weitern Figur ist Tyrann, 4. ein jeder, welcher grausam gegen andere verfähret, oder im hohen Grade hart und fühllos gegen das Übel anderer ist, ein Wütherich. In einigen Gegenden wird der Zaunkönig im Diminut. das Tyrannchen genannt. S. Goldhähnchen.

Anm. Es ist aus dem Griech. und Latein. Tyrannus, welches wieder von dem alten tor, tyr, groß, stark, mächtig, abzustammen scheinet. Ottfried gebraucht dafür Goteuuoto, wo die letzte Hälfte zu unserm wüthen gehöret. Am gewöhnlichsten wird dieses Wort von beyden Geschlechtern gebraucht, indessen hat doch Klopstock die Tyranninn gewagt, welches wenigstens erträglicher ist, als die Tyranne eines andern Schriftstellers.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 726-727.
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