Weisen

[1464] Weisen, verb. irregul. act. Imperf. ich wies, Particip gewiesen, Imperat. weise, im gemeinen Leben weis, dem Auge bemerkbar machen, sehen lassen. 1. Eigentlich, wie das edlere zeigen. Jemanden eine Stelle in einem Buche, eine Seltenheit, ein neues Kleid weisen, d.i. sehen lassen, zeigen. Einem das Rathhaus, die Gasse, den rechten Weg weisen. Einem das Stricken, das Nähen u.s.f. weisen, ihm zeigen, wie es gemacht wird. Einem etwas mit dem Finger weisen, es ihm vermittelst des Fingers sehen lassen; aber mit dem Finger auf etwas weisen, den Finger darauf richten, um es bemerkbar zu machen. Jemanden zurecht weisen, ihm den rechten Ort zeigen. Das wird sich weisen, der Erfolg wird es lehren. Figürliche R.A. sind: einem die Thüre weisen, einem die Wege weisen, ihm fortzugehen befehlen; einem etwas anders weisen, härtere Mittel gegen ihn vorkehren. 2. Figürlich. (a) Den Ort vorschreiben, wohin man sich wenden soll. Die Soldaten in die Quartiere weisen. Jemanden mit seiner Bittschrift an den[1464] Rath weisen. Einen Verbrecher aus der Stadt weisen. S. auch Verweisen. (b) In etwas unterrichten, jemand belehren. Er läßt sich weisen, er nimmt Belehrung, Unterricht an. Man wirds euch weisen, lehren, im ironischen Verstande, d.i. euch dazu zwingen. Am häufigsten ist diese Bedeutung in der Zusammensetzung unterweisen. (c) * Mit Worten bestrafen; eine veraltete Bedeutung, von welcher nur noch Weisung und Verweisen übrig. S. das letztere.

Daher das Weisen, und die Weisung. S. das letztere an seinem Orte besonders.

Anm. Das Wort ist sehr alt, und lautet schon bey den ersten Oberdeutschen Schriftstellern wison, im Angels. witan und wisan, im Nieders. wisen, im Schwed. vysa, und selbst im Wendischen welu. In den Zusammensetzungen wird der Hauptbegriff dieses Wortes auf verschiedene Art näher bestimmt. S. Abweisen, Anweisen, u.s.w. Es scheint, daß dieses Wort ursprünglich so wohl sehen, als sehen lassen, bedeutet habe, denn im Kero ist gan wison, und im Ottfried wison, besuchen, da es denn mit dem Lateinischen videre, visus, visitare u.s.f. Eines Geschlechtes seyn würde. Auf der andern Seite aber muß es ehedem auch ein Verbum weisen oder wizan gegeben haben, welches zunächst einen gewissen Laut bezeichnet hat, und wovon sowohl Weise in der Bedeutung der Melodie, als auch verweisen, so fern es mit Worten bestrafen bedeutet, Überbleibsel sind. S. 2. Verweisen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1464-1465.
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