Die Weißen

[487] Die Weißen: so wurde eine gewisse Secte in Italien zu Ende des 14. Jahrhunderts genannt, welche zu den Zeiten Papst Bonifacius IX. aus dem Alpen-Gebirge, unter Anleitung eines gewissen Priesters nach Italien kamen Sie schliefen und speisten auf offentlicher Straße und sangen beständig Lobgesänge zu Ehren der heil Mutter Gottes. Jener Priester trug ein Crucifix mit umher, von welchem er vorgab, daß es oft über die Sünden der Menschen weinte; und dann fielen alle seine Anhänger und Nachfolger, unter welchen sich sogar Bischöffe befanden, nieder, um Gott um Verzeihung zu bitten. Er durchwanderte einen großen Theil Italiens und wollte nun auch die heiligen Oerter in Rom besuchen. Allein der Papst, welcher nicht von gleichem Enthusiasmus durchdrungen war, und vielleicht gar für seinen päpstlichen Thron fürchtete, schickte ihm einige Mannschaft entgegen, ließ ihn gefangen nehmen, und ihm den Prozeß machen, worauf er als Aufrührer und Beleidiger der Majestät verbrannt wurde, obgleich er von vielen für unschuldig gehalten, ja auch eine kurz darauf erfolgte Pest als göttliche Rache für diesen unschuldig Gemordeten ausgedeutet wurde.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 487.
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