[252] Das Revolutionstribunal. Man bezeichnet mit diesem Namen vorzüglich das Gericht, welches unter der Tyrannei des Wohlfahrtsausschusses in Paris ganze Scharen von Unglücklichen zum Tode beförderte. Es erlitt mehrere Veränderungen, bis es endlich im Jahre 1795 ganz aufgehoben wurde. Das erste außerordentliche Blutgericht wurde noch von der gesetzgebenden National-Versammlung am 17. Aug. 1792 angeordnet, und bestand aus acht Richtern, zwei Anklägern und einigen Geschwornen. Die Absicht dabei war, den Contrerevolutionairs, welche am 10. August auf der Seite des Hofs gewesen waren, als Verbrechern der beleidigten Volksmajestät den Prozeß zu machen. Nur wenige wurden von diesem Gerichtshofe losgesprochen; unter den Verurtheilten befanden sich der ehemahlige Aufseher der Civilliste Laporte und viele andere Anhänger des Hofs. Der Pariser Bürgerrath fand jedoch die Verhandlungen dieses Gerichtshofs zu langweilig; und einige [252] Mitglieder desselben veranstalteten daher die Metzeleien in den ersten Tagen des Septembers 1792, wodurch die so genannten Aristokraten Scharenweise dem Tod überliefert wurden. Am 9. März 1793, zu einer Zeit, wo die Bergbewohner im Convent gegen die Girondisten kämpften und beinahe schon die Oberhand über sie erhalten hatten, that ein Deputirter (St. Andre') den Vorschlag, ein neues Revolutionstribunal zu errichten, welches sich ausschließend mit den Verbrechen, die gegen die Republik begangen worden wären, beschäftigen und sie so schnell als möglich aburtheln sollte. Umsonsterhob sich die Partei der Gironde gegen diese grausame Maßregel; der Berg unterstützte sie, und aus seinen Bewohnern wählte auch der Convent die Richter zu diesem neuen Tribunal. Nach der ersten Einrichtung wurden den Angeklagten Vertheidiger gestattet, und überhaupt wurden die Richter doch noch an einige Formen gebunden. Der Wohlfahrtsausschuß war unzufrieden, daß das Gericht nicht mehrere Menschen zum Tode beförderte, und schlug daher im April 1794 eine Veränderung desselben vor, welche der Convent, auf Barrereʼs Antrag, ohne Widerrede annahm. Man versagte nun den Angeklagten einen Sachwalter, verhörte mehrere auf einmahl, und nahm sich nicht einmahl die Mühe, genau ihre Namen zu berichtigen, so daß bisweilen Unschuldige bloß aus einem Irrthum im Namen verurtheilt wurden. Unter den ungewissenhaften Richtern dieses Tribunals zeichneten sich vorzüglich Hermann, Coffinhals und Dümas, ein ehmahliger Fechtmeister, aus. Jeder dieser Unmenschen präsidirte bei einer einzelnen Abtheilung des Gerichts, und ließ sich in der Bestimmung des Urthels durch den zahlreichen Pöbel leiten, welcher die Gerichtsstuben als Zuschauer anfüllte und dafür bezahlt wurde. Der schändliche Fouquier, Tinville versah als öffentlicher Ankläger das Gericht täglich mit neuen Schlachtopfern, deren Zahl so sehr anwuchs, daß (im Juni 1794) die Guillotine auf einen andern Ort geschafft werden mußte, weil der von dem Blute der Hingerichteten durchnäßte Erdboden keinen festen Tritt mehr gewährte. Fouquier Tinville war ehedem Procurator bei dem Gerichtshof des Chatelet gewesen, und auf Empfehlung des Herault-Sechelles von Robespierren zum öffentlichen Ankläger vorgeschlagen worden. [253] Mit unerhörter Rachsucht und Grausamkeit fertigte dieser Unmensch jeden Abend neue Proscriptionslisten, die er an die Gefangenwärter der verschiedenen Kerker absendete, um ihnen die Schlachtopfer des künftigen Tages damit zu bezeichnen. Den Geschwornen machte er durch einen Wink bekannt, wen sie verdammen sollten. Die Anklagen waren beinahe alle nach einer Form eingerichtet. Man warf den Angeklagten vor, daß sie sich zu der Wiederherstellung des Königthums oder zu der Zerstörung der einzig untheilbaren Republik verschworen hätten. Der höchste Grundsatz der Richter war: eher einen Unschuldigen zu verdammen, als eine Denunciation ungerügt hingehen zu lassen. Um die Zeit des Sturzes von Robespierre trieb das Revolutionsgericht die Grausamkeit und Schamlosigkeit am weitesten. Bald darauf, nachdem es diesem Tyrannen, seinem ehemahligen Beherrscher, das Todesurtheil auf Befehl des Convents gesprochen hatte, wurde es selbst cassirt und durch neue Richter und Geschworne ersetzt. Diese band der indessen zur Menschlichkeit zurückgekehrte Convent an die ursprünglichen Formalitäten, welche bei der Errichtung festgesetzt worden waren. Zum Anfange des Jahres 1795 wurde es abermahls neu organisirt, und den Richtern Billigkeit und Mäßigung noch mehr anempfohlen. Diese letztgewählten Richter machten den Mitgliedern und Geschwornen des alten Revolutionsgerichts den Prozeß, und die meisten empfingen, – Fouquier-Tinville an der Spitze – am 7. Mai 1795 ihren wohlverdienten Lohn auf der Guillotine. Nachher hob der Convent das Revolutionstribunal ganz auf, und eine Militaircommission trat an dessen Stelle; aber auch diese wurde noch im Jahre 1795 cassirt, und die Verbrechen, ausgenommen die militärischen, an die gewöhnlichen Gerichtshöfe verwiesen. Früher noch wurden die Revolutionstribunäle aufgehoben, welche Carrier in Nantes, Robespierre in Arras, Lebon in Cambrai und St. Jüst in Straßburg angelegt und in eine eben so empörende Thätigkeit gesetzt hatten, wie der Wohlfahrtsausschuß das Pariser. Eine lesenswürdige Paralele des Pariser Revolutionstribunals mit einem ähnlichen Gericht, das in Athen die 30 Tyrannen ehemahls einführten, hat der Oberconsistorialrath Böttcher in seinem Zustande der neusten Literatur in Frankreich (Berlin, 1796) geliefert. Der Triumvir [254] Antonius suchte die Stadt Rom mit einer ähnlichen Anstalt heim, von welcher Cicero in einer Rede gegen ihn ein schauderhaftes Gemählde entwirft.