[77] Das Schauspiel ist im Allgemeinen die Darstellung einer oder mehrerer von einander abhängenden Begebenheiten, die sowohl durch die dabei vorkommenden Ereignisse als durch die Charaktere und Sitten der handelnden Personen die Zuschauer auf eine belustigende oder lehrreiche Art unterhalten. Das Entstehen desselben leitet man wohl mit ziemlicher Gewißheit von den bei feierlichen Gelegenheiten oder Volksfesten üblichen Mummereien und Maskirungen her. So gaben in Griechenland die Bachanalien (m. s. diesen Art.) wahrscheinlich den ersten Anlaß zur Ersindung dramatischer Spiele, in Deutschland die Fastenzeit, in welcher verkleidete und mit Masken versehene Personen aus einem Hause ins andere zogen, um ihren Freunden und sich eine Belustigung zu geben. Sie hielten, nachdem sie in dergleichen Darstellungen, welchen man auch wohl den Ursprung der Pantomime zuschreiben kann, schon geübter waren, eine der Verkleidung gemäße Unterredung: der ihnen geschenkte Beifall munterte sie auf; ihre Gesellschaft ward zahlreicher, ihre Gespräche wurden länger; und nach und nach wurden menschliche Handlungen von ihnen satirisch verspottet dargestellt, wobei freilich ihre Zunge die guten Sitten durch ihre schlüpfrigen Redensarten beeinträchtigte.
Das Schauspiel der Deutschen, auf welches wir uns hier einzig und allein einschränken können, ist zwar unter allen Europäischen Völkern das älteste; aber es kam später zu einiger Vollkommenheit, weil die Sprache der Deutschen erst später verfeinert wurde. Gottsched in seinem Vorrath zur Geschichte der Deutschen dramatischen Dichtkunst Th. I. S. 4. glaubt in einem alten Chronikschreiber, den er aber nicht mehr nennen kann, gelesen zu haben, daß schon an Karls des Großen Hofe ein Schauspiel in Altfriesischer Mundart gegeben worden sei. Auch Plümicke in seinem Entwurf einer Theatergeschichte von Berlin S. 6. versichert, in einer öffentlichen Bibliothek zu Breßlau drei Schlußscenen eines in altem Mönchslatein auf Pergament geschriebenen [77] Klosterschauspiels hinten auf dem Umschlage etlicher alten Handschriften mit der noch ziemlich leserlichen Jahrzahl DCCCVVV. (815) als eine unbemerkte Seltenheit des Alterthums gefunden zu haben; indessen scheint doch aus mehrern Gründen dieses Manuscript nicht Schlesischen Ursprungs sondern ein fremdes Product zu sein. Schon unter den Karolingern müssen in Deutschland Vorstellungen üblich gewesen sein, welches man aus dem Verbote Capit. Lib. V. c. 388. p. 1509. beim Heineccius sieht, »daß Niemand dabei Priester- oder Mönchskleidung anlegen solle.« Wahrscheinlich ist es, daß diese Schauspieler Nachfolger der Mimen und Histrionen gewesen sind, die ehemahls in Italien so viel Beifall gehabt und ihre pantomimischen Künste besonders an den Höfen der Deutschen Kaiser und Fürsten getrieben haben. Von Roswitha, auch Hroswitha genannt, einer Nonne in dem Stifte zu Gandersheim, – Andere legen ihr, wiewohl unrichtig, den Namen Helena von Roßow bei; sie lebte um das Jahr 980 – erschienen im zehnten Jahrhundert die ersten sechs Lustspiele, die eine Nachahmung des Terenz waren und die man, wie Gottsched (a. a. O. S. 9.) beweist, eigentlich Trauerspiele nennen sollte. Die Handschrift dieser sechs Lateinischen Schauspiele befindet sich in dem Kloster St. Emeran zu Regensburg. 1501 wurden sie zuerst von Conrad Celtes aus der Handschrift eines Deutschen Benedictiner-Klosters, das er aber nicht nennt, herausgegeben. Der Inhalt ist in allen der nehmliche; die triumphirende Tugend einer Christin und die unterliegende einer Heidin, Bekehrung eines Heiden oder Märtyrertod, fromme Vorurtheile von der Heiligkeit eines ehelosen Lebens machen die Katastrophe dieser Stücke aus. – Bei den Minnesingern, die im dreizehnten Jahrhundert in größtem Flor waren, findet man zwar Gespräche aber übrigens nicht die geringste Spur von einem Schauspiel; sie sangen nur einzeln um die Wette, wer seinen Gönner am meisten loben konnte.
Die Comödie war im Gefolge der übrigen schönen Künste in die Klöster geflüchtet, und wurde, wenigstens dem Namen nach, durch diejenigen erhalten, die sie späterhin am eifrigsten verfolgten. Noch jetzt sind die Kloster-Comödien übrig, nachdem die wahren[78] Comödien wieder hergestellt worden; aus ihnen entstanden in den Jesuiterschulen die Schul-Schauspiele, die wir gleich nach der Reformation auch noch in protestantischen Ländern häufiger als Privattheater finden. – Das erste Schauspiel in Deutscher Sprache soll (nach Freieslebens kleiner Nachlese zum Gottsched) zu Eisenach gehalten und 15 Tage nach Ostern, auf der Predigermönche Ablaß, im Thiergarten Marggraf Frledrichs von Meißen, unter dem Titel die zehn Jungfrauen, gegeben worden sein. Der Marggraf wurde aber bei der ersten Vorstellung so heftig gerührt, daß er von der Zeit an schwermüthig ward und starb. In diesem Schauspiele finden sich die ersten Spuren einer gewissen Regelmäßigkeit.
Auch im funfzehnten Jahrhunderte dauerten die Mysterien oder geistlichen Schauspiele in Deutschland noch fort; denn im Jahre 1412 spielte man zu Bautzen auf dem Markte eine Comödie von der heiligen Dorothea. Das Dach des Lobauischen Hauses, auf dem viel Volk zum Zuschauen saß, stürzte ein; und 133 Personen verunglückten, wodurch dergleichen Kurzweil sich endigte, das seitdem nicht mehr gespielt wurde. – Den 31. Januar 1417 ließen die Englischen Väter vor Kaiser Sigismund, nach der Zurückkunft von der Kirchenversammlung zu Costnitz, eine Comödie aufführen, wovon der Inhalt die Geburt Christi, die Ankunft der Weisen aus Morgenland und der Bethlehemitische Kindermord war. LʼEnfant (Histoire du Conceil de Constances) will hieraus die Abkunft der Deutschen Schauspiele von den Engländern beweisen, irrt sich aber sehr, wie das vorher Angeführte hinlänglich beweist. – Ungeachtet die Fastnachtsspiele gewiß schon eher bekannt waren, so wurde doch das erste derselben erst 1450 von Hanns Schnepper, genannt Rosenblüth, einem Nürnberger Meistersänger, gedruckt. Der blühende Wohlstand Nürnbergs durch seinen damahligen ausgebreiteten Handel, ehe Amsterdam und Hamburg sich hoben, erzeugte Ueppigkeit der Sitten und also auch schöne Künste, als ihre unzertrennbaren Gefährten. Die Schule der Meistersänger, Mahlerkünste und der Kupferstecherkunst nebst vielen andern Kunstarbeiten waren die Früchte von diesem vormahls so blühenden Wohlstande Nürnbergs. – [79] Zwei Deutsche Uebersetzungen der Lustspiele des Terenz (der Eunuchus von Hanns Nydhart übersetzt und 1486 zu Ulm gedruckt, und der ganze Terenz von einem Ungenannten zu Strasburg 1499 Deutsch herausgegeben) zeugen von dem Studium der Comödie der Alten in diesen Zeiten. Auch Johann Reuchlins dramatische Versuche, besonders seine Scenica Progymnasmata, die er selbst 1497 vor dem Bischof zu Worms, Johann Camerarius Dalburg (Dalberg), von jungen Studenten aufführen ließ, dürfen wir, da sie in gutem Latein geschrieben sind, nicht unerwähnt lassen.
Noch zu Anfange des sechzehnten Jahrhunderts suchte man besonders allen Wissenschaften einen Lateinischen Anstrich zu geben; und um auch die Jugend desto mehr zum Studium der alten Sprachen zu ermuntern, schrieb man Lateinische Schauspiele und ließ sie von jungen Leuten darstellen, wie die Aufführung der Lateinischen Comödie, betitelt: Ludus Dianae, von Conrad Celtes, ersten gekrönten Deutschen Poeten, vor Kaiser Maximilian zu Linz von der gelehrten Donauer Gesellschaft im Jahre 1501 beweist. So haben wir einige Lateinische Schauspiele von Jacob Locher aus Echingen, von Johann von Kitscher, Domprobst zu Colburg und Altenburg, und von Christoph Hagendorf aus Leipzig. – Das erste tragische Originalstück ist vom Jahre 1480 von Theodoricus Schereberck, einem Meßpfaffen, das aber erst 1565 bei Andreas Petri zu Eisleben unter dem Titel Apotheosis Ioannis VIII. Pontificis Romani, herauskam.
Unter die vorzüglichsten Dichter dieses Jahrhunderts gehört Hanns Sachs aus Nürnberg (m. s. d. Art.). Sein erstes Fastnachtsspiel, das Hofgesind Veneris, ließ er 1517 drucken, um eben die Zeit als Luther den Grund zur Kirchenreinigung legte. Auch Er war ein sehr fruchtbarer Dichter fürs Theater, denn 59 Trauerspiele, 76 Lustspiele und 65 Fastnachtsspiele sind aus seiner Feder geflossen. Der ganze Titel seiner Fastnachtsspiele, von denen er die meisten selbst mit aufgeführt hat, ist: Mancherlei kurzweilige Fastnachtsspiele, gesammelt von kurzweiligen Schimpfspielen mancherlei Art, [80] darinnen die Wahrheit mit guten Schwanken verdeckt und eingewickelt ist. Unter dergleichen sonderbaren Titeln erschienen von Paul Rebhun, Schulmeister zu Plauen, Martin Hayneccius, Professor bei der Schule zu Grimma, Jacob Ayrer, Notar. Publ. zu Nürnberg, und auch von Herzog Julius von Braunschweig, als den vorzüglichsten dramatischen Dichtern dieser Zeit, mehrere Schauspiele. In diese Zeit setzt man auch die Entstehung des Singspiels, wie sich das erste in Jacob Ayrers Sammlung von Schauspielen findet, worin alles nach einer Melodie geht.
Reicher an Denkwürdigkeiten in Ansehung des Deutschen Schauspiel-Wesens ist das siebzehnte Jahrhundert, wo sich vorzüglich drei Schlesische Dichter durch ihre dramatischen Arbeiten berühmt machten: 1) Martin Opitz von Boberfeld (s. dies. Art. Th. 3. S. 303.); sein erster Versuch einer Uebersetzung der Trojanerinnen des Seneca in sechsfüßigen Deutschen Jamben erschien 1625. Daphne, das erste wahre Deutsche Singspiel (s. den Art. Oper, Th. 3. S. 301.) und zugleich das erste Beispiel, daß ein Schauspiel in Deutschland an die Stelle der bei feierlichen Gelegenheiten gewöhnlichen Turniere, Ringelrennen und Mummereien trat, gab er 1627 heraus. Sein zweites Singspiel, Judith, erschien 1633; und mit der Uebersetzung der Antigone des Sophokles beschloß er 1636 seine dramatischen Arbeiten. 2) Andreas Gryphius (geb. zu Großglogau 1616, gest. 1664), ein geistreicher, gelehrter Mann, den man, obgleich seine Schreibart und sein Geschmack in Feinheit und Ausbildung der von Opitz nicht gleich kam, doch als den Vater der Deutschen Schauspielkunst ansehen kann, weil er zugleich tragischer und komischer Dichter war (s. Gottsched a. a. O. S. 207). 3) Caspar von Lohenstein (geb. zu Nimtsch 1628, gest. in Breslau 1683); er schrieb nur Trauerspiele, und verfiel durch seinen Hang zu dem falschen und ausschweifenden Witze der neuern Italiäner, auch durch seine Nachahmung des Seneca und Gracians, in Schwulst, obgleich seine schönen, wahrhaftig kernichten Ausdrücke und die erhabenen Rollen in seinen Arbeiten keineswegs zu verkennen sind. Der große Dichter [81] von Haller dankt nebst mehrern unserer Dichter ihm seine erste Ausbildung.
Gegen die Mitte dieses Jahrhunderts nahm der Geschmack an Singspielen so zu, daß beinahe jeder Reichsfürst, ja sogar schon Hamburg, seinen eignen Opernsaal hatte; auch fingen nun ordentliche Schauspieler-Gesellschaften an sich zu bilden (s. den Art. Schauspielkunst). Der Geschmack an Schäferdramen entstand durch die Uebersetzung des Guarini: so bildeten sich die so genannten Schäfereien, wie z. B. die Hercynia von Opitz; man nannte sie auch Schäferspiele, Waldcomödien oder Waldgedichte. Ums Jahr 1628 entstand sogar ein ganzer Orden von Pegnitzschäfern (s. diesen Art.), unter denen viele auch Schäfer-Schauspiele geschrieben haben. Ein Mitglied dieses Ordens war Johann Klaj, der außer seinen Comödien über die Auferstehung und Himmelfahrt Christi, dem leidenden Christus, seinem Engel- und Drachenstreite u. m. besonders wegen seines Herodes der Kindermörder, nach Art eines Trauerspiels abgebildet, und von einer deutschliebenden Gemeinde vorgestellt, bemerkenswerth ist. – Das Theater der Franzosen fing auch an bekannt zu werden, denn im Jahr 1650 erhielten wir durch Georg Greflinger, kaiserlichen Notar in Regensburg, die erste Uebersetzung des Cid. – Man bemühte sich nun auch, die Deutsche Sprache von allen Auswüchsen ausländischer Wörter zu reinigen; statt Drama sagte man Gesprächspiel, statt Comödie Freudenspiel, statt Tragicomödie (welche sonderbare Gattung aus Spanien zu uns herüber kam) Freuden-Trauerspiel und kürzer Mischspiel, statt Acte Hauptsätze oder Handlungen, statt Scenen Theile oder Aufsätze.
Bis auf Gottscheds Reformation des Theaters im achtzehnten Jahrhundert war das Deutsche Schauspiel in kläglichem Zustande. Der Hanswurst mit andern lustigen und possenhaften Charakteren schienen der Hauptantrieb zu Besuchung des Schauspiels zu sein. Als aber ein Wolf, ein Moßheim, die Dichter Canitz, Haller, Hagedorn und Bodmer die Deutsche Sprache reinigten und sie einige Festigkeit zu gewinnen anfing; als ihre Fähigkeit zu jeder Art des poetischen Vortrags [82] bewiesen wurde, um kühn mit ihren Nachbarn um den Vorzug zu streiten – da verfeinerte sich nun auch der Ton im Schauspiele. Unstreitig hat Gottsched, dem wir in der Verbesserung der Deutschen Sprache so vieles zu verdanken haben, die erste Veranlassung zur bessern Ausbildung unsers Theaters gegeben; auf seine Veranstaltung wurde 1737 von der Neuberschen Gesellschaft der Harlekin öffentlich verbannt, wozu die Directrice selbst ein Vorspiel verfertigte. (Ueber Gottscheds Verdienste und Fehler s. m. übrigens den Art. Gottsched selbst Th. 2. S. 123 nach.) Bis hierher hatten nun zwar – da es nach und nach allgemein Sitte geworden war, bei allen feierlichen Gelegenheiten mit Schauspielen zu glänzen – immer nur Französische Trauerspiele den Vorrang erhalten (ein Vorurtheil, das besonders durch Voltaireʼs Erscheinung am Französischen Theaterhimmel starke Nahrung fand): allein nun fingen denn doch auch Deutsche Dichter an, einigen Ruf zu erhalten; man fing an, den Ausländern Werke Deutschen Geistes entgegen zu stellen; und bald sah man die Französischen Schauspiele durch Einführung der Deutschen abgeschafft. Es sei uns erlaubt, hier einige schätzbare dramatische Dichter dieser Zeit kürzlich aufzuführen:
Johann Elias Schlegel (geb. 1718 in Meißen, gest. als Professor der Ritter-Akademie in Soroe 1749) war einer der ersten, der sich nach dem Muster der Griechen bildete. Ueber die Comödie in Versen gerieth er mit Prof. Straube zu Breslau in Streit, welcher behauptete, daß eine gereimte Comödie nicht gut und daß es unnatürlich sei, die Personen in Versen sprechen zu lassen. Johann Christian Krüger (geb. 1722 zu Berlin, gest. 1750 als Schauspieler zu Hamburg) legte in seinen Schauspielen einzelne komische Situationen gut an, stellte viele und wahre Charaktere mit natürlichen und wahren Zügen dar, und suchte überhaupt in Moliereʼs Fußstapfen zu treten. Christian Fürchtegott Gellert (m. s. diesen Art. Th. 2. S. 85); ihm danken wir das erste rührende Lustspiel (im J. 1745). Gotthold Ephraim Lessing (über ihn s. Th. 2. S. 390). Christian Felix Weiße (s. dies. Art.); seine Operetten mit Hillers Musik brachten eine merkwürdige Epoche des [83] Deutschen Schauspiels in den Jahren 1770 u. fg. hervor. Cornelius von Ayrenhoff (geb. 1734 zu Wien) gründete seinen Ruf im Komischen hauptsächlich durch sein Lustspiel, der Postzug. Christian Gottlob Stephanie (geb. zu Breslau 1737) und Gottlieb Stephanie (geb. 1741 ebendas.), welche aber ihren Talenten nach keine Brüder sind. Des Aeltern dramatische Versuche haben einzelne auffallende Charaktere und gewisse unerwartete Localzüge, nur zu eilfertig entworfen; der Jüngere aber hat mehr Genie und guten Ton, seine Stücke sind voller Leben und Thätigkeit. Johann Christian Brandes (geb. 1735 in Stettin, gest. 1799), Schauspieler bei der Seylerschen Gesellschaft, schildert in seinen Schauspielen Charaktere nach dem Leben; seine Intriguen sind anziehend, überraschend, seine Sitten Deutsch und sein Dialog fließend. Johann Jacob Engel (geb. zu Parchim in Mecklenburg 1741, gest. 1802), gewiß nach Lessing der beste dramatische Dichter, der besonders die Dramaturgie durch seine Ideen zu einer Mimik sehr bereichert hat. Carl Gotthelf Lessing (in Camenz 1738 geboren) zeichnet sich besonders durch die Fertigkeit im komischen Dialog, Erfindsamkeit und hervorstechende Charaktere aus. Johann Carl Wetzel (geb. 1747 zu Sondershausen) schildert in seinen Lustspielen die Sitten der feinen Welt in interessanten Planen mit launiger Sprache.
Der veränderliche Geschmack der Deutschen im Schauspiel-Wesen wechselte mit jedem Jahrzehnd immer ab: bald entschied der Beifall des Publicums nur für die Vorstellungen der übersetzten und nachgebildeten Shakespearschen Stücke, bald für die der Ritter-Schauspiele mit allem Prunk der ehemahligen Zeiten des Faustrechts, bald für die der Pantomimen, Ballete, bald für die der Opern oder Zauber-Opern, bald für die der Familiengemählde, zu welchen letztern wohl Großmann (durch seine Nicht mehr als sechs Schüsseln) den Ton angab, und worin alsdann Iffland (m. s. dies. Art. Th. 2. S. 227.) so eine merkwürdige Epoche machte; bis endlich der größte Deutsche und zu früh verstorbene, aber unsterbliche. Dichter Schiller nebst einem Göthe (m. s. diese Art.) das Schauspiel auf eine höhere Stufe der Dichtkunst durch Einführung [84] der alten Griechischen Tragödie mit dem Chore erhob, wo das große gigantische Schicksal sich uns darstellt, welches den Menschen erhebt wenn es den Menschen zermalmt. Schillers Braut von Messina und (Apels) Polyidos sind die neuesten Producte dieser Art. Schon in Cronegks Schriften finden wir einen Versuch, den Chor der Alten wieder einzuführen. Der Chor verbindet die Vorstellung, ohne daß wir Zwischenräume der Zeit (Aufzüge) nöthig haben und die Vorstellung stille steht; er handelt entweder selbst mit, oder theilt dem Zuschauer seine Bemerkungen mit.
Nach dieser nur fragmentarischen Geschichte des Schauspiels wollen wir nur noch mit wenigem die die Eintheilung desselben hier andeuten. Man theilt es ein in
I. Lustspiel, die Handlung auf dem Theater, wo die dabei interessirten Personen in lächerlichen Ansichten dargestellt werden. Ist es niedrig-komisch, d. h. stellt es nur die gemeinste Lebensart mit Bezeichnung der gewöhnlichsten Charaktere einzig in der Absicht, Lachen zu erregen, dar, so nennt man es Posse; ohne Gespräch durch bloße Action ist es eine Pantomime; und wenn diese mit Tanz verbunden ist, so nennt man es Ballet. Hierher gehört auch das Singspiel oder die Oper (s. die Art. Oper, Monodrama und Duodrama).
II. Schauspiel oder Drama im eigentlichen Sinn, welches die Darstellung ernsthafter Begebenheiten ist, deren Entwickelungen einen dem menschlichen Herzen wohlthuenden Ausgang haben.
III. Trauerspiel, die Darstellung ernsthafter Begebenheiten, erregter Leidenschaften und mit ihnen verbundener Handlungen, die unser Herz heftig zum Mitleiden und Schrecken reitzen.
Die Schau- und Trauerspiele sind bürgerliche, wenn sie die Vorfälle gebildeter Menschen in bürgerlichen Verhältnissen, heroisch, wenn sie die Geschichte und Begebenheiten des Heldenmuths, religiöse, wenn sie Religionshandlungen, mythische, wenn sie die in der Mythologie erzählten Begebenheiten, und historische, wenn sie die in der Geschichte sich findenden Ereignisse darstellen.
[85] Bei der Darstellung theilt man gewöhnlich alle Schauspiele in Actus oder Aufzüge, wenn ein Haupttheil der dramatischen Handlung vorüber und das Theater von Schauspielern leer ist; hier werden die Zuschauer mehrentheils durch Musik – die freilich eigentlich zu dem Ganzen passen sollte – unterhalten. Die Aufzüge theilen sich nun wieder in Scenen oder Auftritte ab, je nachdem die Personen auf dem Theater mit andern abwechseln, oder bleiben, oder wieder hinzukommen etc. Scene heißt aber in seiner eigenthümlichen Bedeutung der Ort, wo die Handlung des Schauspiels vorfällt; und in diesem Sinne hat das Wort entweder eine allgemeinere oder weitere, besondere oder engere Bedeutung, da sie entweder das Land und den Ort oder ins besondere den Platz, wo die Handlung vor sich geht, entweder unter freiem Himmel oder in einem Zimmer, Saale etc anzeigt.
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