Der Wallfisch

[371] Der Wallfisch (Lat. Cete, Cetus, Franz. Baleine): dieß ungeheure, noch in mancher Hinsicht räthselhafte Thier (die Benennung kommt wahrscheinlich von dem nordischen Worte Hual, welches überhaupt alle große Seethiere bezeichnet, her) ist unstreitig eines der großten Thiere auf der Erde. Von andern Fischarten unterscheidet sich dieß Geschlecht gar sehr. Sie haben warmes Blut, schöpfen vermittelst einer Lunge Athem (weßhalb sie auch nicht lange unterm Wasser dauern können), haben statt der Floßfedern Gliederknochen, auch Augenlieder und Augenbraunen, begatten sich übrigens auf thierische Art, bringen lebendige Junge, und stillen diese auch mit[371] Milch etc. Die Haut ist glatt und schwarz, doch hie und da weiß und gelblich marmorirt – der Bauch weiß. Ehedem, wo sie zu höherem Alter gelangten, hat man deren auf 200 Fuß lang, und 70 bis 80 breit gefunden. H. z. T. fängt man sie selten von einer Länge, die über 60 bis 70 Fuß geht; ihr Gewicht beträgt gewöhnlich auf 100,000 Pfund. Sein ungeheurer Kopf macht den dritten Theil des ganzen Körpers aus. – Wenn er einen Wasserstrahl von sich bläst, so ist dieses einem Springbrunnen gleich; aber es verursacht dieß solch ein Brausen, daß man es eine Meile weit hören kann. Die Höhle des Rachens, in welchem die hornartigen Lagen die Stelle der Zähne vertreten und das Fischbein geben, ist so groß und weit, daß sie ein Both mit 5 Mann fassen kann.

Der Wallfischfang wurde ehedem von den Biskayern allein getrieben; allein schon zu Anfang des 17. Jahrhunderts wußten die Holländer gemeinschaftlich mit ihnen diese Fischerei zu betreiben, und sie stifteten 1614 eine besondere Compagnie in Amsterdam dazu, ungeachtet in der Folge jeder Privatmann den Wallfischfang unternehmen konnte. Die Ausrüstung der Schiffe, welche zu diesem Behuf nach Grönland, dem Vaterlande der Wallfische, abgehen, geschieht zu Anfange des Frühjahres, wo sie dann im März und April auslaufen. Sie legen sich mit sehr starken Tauen an den Eisfeldern an, und senden dann einige Bothe zum Ausspüren aus. Kommt nun ein Wallfisch, der unter den Eisfeldern nicht lange ausdauern kann, hervor, so wird eine Harpune, das heißt, ein langer eiserner Wurfspieß, welcher vorne mit Wiederhacken, und hinten mit einem hölzernen Schafte versehen ist, dem Fische in den Nacken geworfen. Da diese Harpune an sehr lange und mehrmahls an einander geknüpfte Leinen befestiget ist, so weiß man den Fisch, der freilich bei der Verwundung entweder auf den Grund, oder unter die Eisfelder zurückfährt, schnell zu verfolgen; und wenn er dann zum zweiten Mahle hervor kommt, so wirft man eine zweite Harpune nach ihm, und tödtet ihn dann mit 6 Fuß langen Lanzen. Oefters ist aber viel Gefahr dabei, da der schwer verwundete Wallfisch, welcher sich die Harpune nur noch tiefer eindrückt, wüthend [372] wird, und mit Flossen und Schwanz gewaltig um sich herum schlägt. Ist er getödtet, so schneidet man mit einem sehr langen Messer – Schwanzmesser genannt – den Schwanz ab, um ihn leichter am Bort zu bringen. Ein allgemeiner Jubel des Schiffsvolks, das nun im ausgetheilten Branntwein sich gütlich thut, begleitet die Arbeiten des Speckabschneidens und Aufwindens. Die ausgeschnittenen Baarden werden auf dem Verdeck des Schiffs aufgeschichtet, und der Speck in Tonnen geschlagen. – Der Wallfischfang ist an sich eine sehr kostspielige Unternehmung, indem die Ausrüstung eines einzigen solchen Schiffs auf 40,000 Gulden zu stehen kommt. Im vorigen Jahrhundert, wo deren 180 bis gegen 200 jährlich ausgerüstet wurden, wagten die Unternehmer gegen 18 Tonnen Goldes.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 371-373.
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