Der Zucker

[485] Der Zucker (Franz. sucre): dieß für das Bedürfniß der heutigen Welt so unentbehrliche Erzeugniß ist eigentlich ein wesentlich süßes Salz, das aus dem Safte gewisser Gewächse zubereitet wird. Unter diesen steht unstreitig das Zuckerrohr, ein Schilfgewächs, das in den heißen Ländern und Inseln von Ost- und Westindien zu Hause ist, oben an. Die Portugiesen verpflanzten es zuerst auf Madera im J. 1418, und brachten es nachher auch nach Brasilien und den übrigen Inseln von Westindien. Das Zuckerrohr nun, welches viel Aehnlichkeit mit unserm gemeinen Rohr hat, ist gewöhnlich 12 bis 16 Fuß hoch, und 2 Zoll dick, hat breite dunkelgrüne Schilfblätter, und an der Spitze einen Büschel von weißen wollichten Blüthen; zwischen den Knoten am Stengel befindet sich ein weißes saftiges Mark, welches aus dem Rohr, das ungefähr nach 14 Monaten reif, dann abgeschnitten, zur Mühle gebracht und hier nun zerquetscht wird, herausläuft. Dieser ausgepreßte Saft läuft in einen Kessel, aus welchem er vermittelst einer Rinne in die größere Pfanne der darneben befindlichen Siederei geleitet, und alsdann durch [485] mehrere, hier anzuführen zu weitläufige, Zurichtuntungen, Läuterungen u. s. w. öfters abgeschäumt, gesotten, durch Kalk von seinem Fett und gröberen Theilen gereiniget, und endlich nach vielfachen andern Bereitungen und Zurichtungen zum Trocknen auf die Darre – ein mit einem großen Ofen versehenes Gewölbe – kommt, wo er nun nach 7 bis 8 Tagen völlig trocken und eingepackt wird. Eben bei diesem Sieden und sonstigem Zubereiten des Zuckers entstehen mehrere Abarten: z. B. der aus den Formen gelaufene Salt, Syrup; der halbgesottene und mit Saffran gefärbte Zucker, Gerstenzucker; der Kandiszucker (Zuckerkand), welcher aus geläutertem, aber nicht so stark eingekochtem Zuckersaft gefertigt wird, den man in kupferne flache Gefäße gießt, und an durchgezogene Fäden in Krystallen anschießen läßt; ferner der Rosenzucker, weißer abgeklärter Zucker, der in Rosenwasser gekocht wird etc.

Die Zuckertheile nun, welche so stark und so vorzüglich aus dem Zuckerrohre hervorkommen, befinden sich eigentlich in allen Pflanzen, welche süße Säfte beim Auspressen geben, und einer Gährung fähig sind, z. B. aus der Zuckerwurzel, der rothen und gelben Rüben, der Birke etc.

In Nordamerika vorzüglich befindet sich der bekannte Zuckerahorn, welcher den dasigen Bewohnern jenes Erzeugniß hinlänglich ersetzt, und beinahe das ganze Bedürfniß der nordwestlichen Bewohner des Ohio befriedigt. Es wird dieser Baum angebohrt, und der Zuckersaft abgezapft, und dann eingekocht, bis er die gehörige Dichtigkeit erlangt. Ob nun zwar gleich der Zucker davon grob, braun und weich ausfällt, so ist er doch süßer und auch gesünder. In Neuyork besonders, dann in Cooperstown, Cavendish etc. wird die Ahornzuckersiederei sehr eifrig betrieben. Auch in Europa hat man häufige Versuche mit dem Anbau des Ahorns gemacht; und der Wunsch zur eifrigern Cultur aller dieser Surrogate ist wohl h. z. T. um so verzeihlicher, da theils die jetzigen bekannten Verbote aller Englischen Waaren, theils auch die immer vorwärts gedeihende Abschaffung des Negerhandels die immer höher und [486] höber steigende Theuerung jenes so nöthigen und unentbehrlichen Erzeugnisses voraussehen läßt.

Eben diese Gründe haben denn auch wieder auf so manche Art die bedeutendsten Versuche zu Surrogaten veranlaßt, unter welchen wohl die Zuckerfabrication aus Runkelrüben, welche der Director Achard nach vielen jahrelangen erprobten Erfahrungen herausgebracht hat, einen großen Vorzug vor so vielen ähnlichen Surrogat-Fabriken behauptet. Ein darüber nur erst erschienenes Werk: die Europäische Zuckerfabrikation aus Runkelrüben etc. mit Kupf. (Leipz. bei Hinrichs, 3 Theile) stellt die Sache als höchst vortheilhast auf, und der Major von Koppy hat selbst auf einem Gute bei Strehlen in Schlesien eine solche Fabrik nach Achards Anleitung errichtet.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 485-487.
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