[323] Die Sorbonne: so nannte man ehemahls die theologische Facultät der berühmten Pariser Universität. Sie war von den übrigen Facultäten durch große Vorrechte und Einkünfte unterschieden. Robert von Sorbonne – geb. 1201 zu Sorbon, einem Dorfe in der ehemahligen Champagne – der, wenn gleich von armen Aeltern, dennoch Doctor der Theologie zu Paris, und in kurzem Canonicus und Ludwig des Heiligen Beichtvater ward, gründete dieses Collegium im J. 1252. Der Cardinal Richelieu ließ die dazu gehörigen Gebäude mit großen Kosten verschönern, und seitdem behielt die Sorbonne unverändert ihre Gestalt. Ihr Hauptgeschäft war, über die Reinheit der katholischen Religion zu wachen. Sie hatte das ganze Mittelalter hindurch, und selbst noch in neuern Zeiten, ein unbegränztes Ansehen unter den Katholiken in und außer Frankreich. Sie wagte es sogar, sich den Päpsten zu widersetzen. Johann XXII. mußte im J. 1333 auf ihr Ansuchen eine Meinung widerrufen, die er in einer Predigt geäußert hatte. Nichts kann mit der Barbarei und Pedanterei verglichen werden, die in den Köpfen der Doctoren der Sorbonne herrschte. Sie hielten hartnäckig an einem blinden Glauben und an der Aufrechthaltung alter Gebräuche. Ihre größte Kunst bestand in spitzfindigen Disputationen, wozu sie aus den bestäubten Rüstkammern der Scholastiker ihre Waffen holten. Am sauersten wurde es den Candidaten der theologischen Doctorwürde gemacht. Wer sie erlangen wollte, mußte von früh sechs Uhr bis Abends sechs Uhr einen streitigen Satz gegen Jeden vertheidigen, der ihn angriff. Dabei war er sich ganz allein überlassen, durfte weder etwas essen noch trinken, und unter keiner Bedingung seinen Platz verlassen. Diese Klopffechterei dauerte bis in die neuesten Zeiten. Die Revolution machte der Sorbonne ein Ende, und man muß gestehen, daß weder die Kirche, noch der Staat, dabei etwas verloren haben.