[203] Die Tortur (auch unter dem Namen Folter, Marter, scharfe oder peinliche Frage etc. bekannt) war ehedem das schreckliche Mittel, wo man diejenigen, welche eines Verbrechens angeschuldigt waren, und nicht zum Geständniß gebracht werden konnten, durch verschiedene dem Körper vermittelst furchtbarer Instrumente beigebrachte Schmerzen zwingen wollte, die Wahrheit zu gestehen. Es gab verschiedene, gemeiniglich Drei, Grade einer solchen Folter, welche, nach der Größe des beschuldigten Verbrechens, auch verhältnißmäßig immer härter und härter angewendet wurden. – Der Ursprung dieses fürchterlichen Beweismittels ist wahrscheinlich zuerst bei den Rhodisern und Atheniensern zu suchen (obgleich man schon in der heil. Schrift, z. B. in dem Trinken des verfluchten bittern Wassers beim Ehebruch etc. Merkmahle davon finden will), und die ihnen nachahmenden Römer bedienten sich der Tortur nur bei den Knechten; und eben so wendeten sie die Deutschen, die anfangs nichts davon wußten, auch nur bei Knechten an, indem in Absicht der Freien nur die so genannten Ordalien (s. dies. Art.) statt fanden. In der Folge, und besonders seit dem 15. Jahrhunderte, wurde der Gebrauch der Marter allgemeiner, und auch auf andre ausgedehnt. – Auch war die Tortur bei den Alten sehr verschieden, und, je nach dem Grade der Rohheit eines [203] Volkes, auch immer gräßlicher; aber die Menschheit empört sich über die Grausamkeit, womit mehrere solcher Mittel, die Wahrheit auszuforschen (!), angewandt wurden, und mit Recht übergehen wir die Namen jener scheußlichen Instrumente, welche nur hie und da noch als Denkmahle ehemahliger Barbarei in den Marterkammern – so hieß der furchtbare Ort, wo der Scharfrichter jene Martern ausübte – aufbewahrt werden. – Allerdings hatten diejenigen Criminal-Rechtslehrer, welche bei dem großen Streite über die Zulässigkeit und den Nutzen der Tortur diese vertheidigten, in der Ruhe und Sicherheit des Staates, welche eine solche Schärfe im Verfahren nothwendig machten, und in der Unmöglichkeit, ein andres Mittel zur Entdeckung der Wahrheit aufzufinden, hinlänglichen Grund für ihre Meinung; aber leider! bestätigte es auf der andern Seite die Erfahrung nur gar zu sehr, daß das Mittel äußerst unzuverlässig und gefährlich war, und daß sehr oft abgehärtete Bösewichter bei aller ihrer Schuld dennoch die Folter überstanden, während Unschuldigen über Dinge, die sie nie begangen hatten, durch die fürchterlichsten Martern Aussagen ausgepreßt, und sie unverschuldeterweise zu Krüpeln gemacht, oder gar selbst während der Marter getödtet wurden! – Doch den gemäßigtern Grundsätzen der neuerlichen Criminal-Verfassung verdanken wir, besonders seitdem Thomasius (s. d. Art.) zuerst die Unzulässigkeit derselben zur Sprache gebracht hat, die allmählige Abschaffung der Tortur mit allen ihren furchtbaren Begleitungen.