Die pantomimische Tanzkunst

[357] Die pantomimische Tanzkunst, deren Darstellungen ohne Worte bloß durch Bewegungen und Gebehrden geschahen, hat, nach den Beschreibungen der Alten zu urtheilen, zu den Zeiten Augusts in Rom auf dem höchsten Gipfel ihrer Größe gestanden; man tanzte eben so wohl tragische als komische Stücke. Die berühmtesten Künstler dieser Zeit waren Pylades und Bathyllus, welche beinahe vergöttert wurden, und wegen welcher oft (auch bei uns gewöhnliche) Theaterunruhen entstanden. In den neuern Zeiten hat der berühmte Noverre diese Kunst wieder auf eine hohe Stufe der Vollkommenheit gehoben (vergl. Ballet); und wenn er in seinen über diesen Gegenstand herausgegebenen Briefen gesteht, daß die Kunst der Pantomime zu unsern Zeiten das nicht mehr leisten könne, was sie zu den Zeiten Augusts geleistet, so hat er sich durch die übertriebnen Ideen täuschen lassen, die man sich nach den Lobschristen der Alten von ihrer Pantomime zu machen pflegt. Was man sich nach diesen Ideen [357] einbildet, hat die Pantomime nie geleistet, kann sie nie leisten. Noverre selbst gesteht, daß es eine Menge Dinge gebe, welche dieselbe durchaus nicht verständlich bezeichnen könne; er selbst thut auf allen ruhigen Dialog Verzicht, und schränkt seine Kunst hierdurch einzig auf die Sprache der Empfindung und Leidenschaft ein. Auch räth er selbst, wie mehrere Schriftsteller, und wie dieß auch die Alten gethan, schon bekannte Gegenstände zu pantomimischen Darstellungen zu wählen, weil sonst die Pantomimen nicht genug möchten verstanden werden. Und der erwähnte Umstand, daß die Pantomimen der Alten sich (wie aus dem Lucian erhellt) immer mit den durch Tradition und Schauspiele schon längst bekannten Fabeln der Mythologie oder der ältern Geschichte abgaben, macht auf einmahl das viele Wunderbare, das man uns von der Geschicklichkeit eines Pylades, Bathylls u. a. erzählt, sehr begreiflich. – Man vergleiche hierüber den 2. Theil von Engels Id. z. e. Mimik.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 357-358.
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