Italien

[247] Italien, von den Deutschen auch Welschland genannt, das schönste und wärmste Land in unserm Erdtheile (daher es auch der Garten von Europa heißt), gränzt gegen Mitternacht und Morgen an die Schweiz, Deutschland und das Adriatische Meer, gegen Abend an Frankreich u. gegen Mittag an das Mittelländische Meer, von welchem es auch noch ost- und westwärts umflossen wird. Es bildet eine Halbinsel und einige kleine Inseln. Im Norden befinden sich die Alpen, welche Italien von Frankreich, Deutschland und der Schweiz absondern; und der Länge nach wird das Land von dem Apenninischen Gebirge durchstrichen. Als feuerspeiende Berge sind der Vesuv im Königreich Neapel und der Aetna auf der Insel Sicilien hinlänglich bekannt. An bedeutenden Flüssen fehlt es sehr – die berühmtesten sind der Po mit dem [247] Tessino, und die Tiber mit dem Teverone –: dagegen giebt es mehrere große Landseen. Die Luft ist sehr verschieden, allein im Ganzen ziemlich rein und gesund; in einigen Gegenden wird sie jedoch durch stehende Sümpfe verdorben: auch ist bisweilen in einem großen Striche von Italien der Siroccowind sehr beschwerlich. Der südliche Theil ist dem Erdbeben sehr ausgesetzt, welches in den neuesten Zeiten, vorzüglich im Jahr 1783, große Verwüstungen angerichtet hat. Gewitter sind übrigens in Italien seltner als in den meisten andern Europäischen Ländern. Der Boden ist fast durchgängig sehr fruchtbar, doch nicht überall mit gleichem Fleiße angebaut. Die Hauptproducte sind: fast durchgehends Getreide, Seide (vorzüglich in Piemont), Baumohl, edle Früchte, Wein, vortrefflicher Marmor (vorzüglich der Carrarische in Modena); in mehreren Gegenden wird auch viel Viehzucht getrieben. Italien hat mit den Inseln 5170 Quadratmeilen und über 17 Millionen Einwohner. Die Italiäner stammen von den alten Römern und eingewanderten Deutschen Völkern ab. Zu den Zeiten der Römer war Italien die Beherrscherin der bekannten Welt; und unter den Päpsten des Mittelalters gewann es seine ehemahlige politische Wichtigkeit aufs neue, die jedoch gegenwärtig höchst unbedeutend ist. Gegen die alten Römer gehalten, dürfte man die heutigen Italiäner füglich Römlinge nennen; nicht minder verlieren sie, wenn man sie gegen die drei aufgeklärtesten Nationen des neuen Europa, gegen die Deutschen, die Engländer und Franzosen, hält: und die Grundzüge des Gemähldes, welches Herr von Archenholz von ihnen entwirft, möchten wohl nicht leicht bestritten worden sein, wenn das Gemählde selbst durch den Contrast des Gemähldes von England, neben welchem es steht, nicht in einem scheinbar parteiischen schwarzen Lichte erschiene. Daß nach diesen Aeußerungen keinesweges gelängnet wer den, daß es viele aufgeklärte und vortreffliche Menschen in Italien gebe, versteht sich ohne Erinnerung von selbst. Zwar sind die Italiäner in den verschiedenen Provinzen in Rücksicht auf Denkart und Sitten merklich von einander unterschieden; da indeß Clima, Religion, Volksmeinung und gewissen Hauptgrundsätzen nach auch die Regierungsform im Ganzen genommen in Italien gleich [248] sind; so ist hieraus auch leicht ein gewisser National-Charakter der Italiäner begreiflich. Bei einem naturlich lebhaften Geiste ist der Italiäner auf der einen Seite im höchsten Grade leidenschaftlich, vorzüglich in der Liebe und im Hasse, auf der andern Seite furchtsam und überaus träge (das Letztere ist eben so sehr die Wirkung der fast durchgängig unter dem gemeinen Volke herrschenden Armuth als des Climaʼs); dabei liebt er die Pracht, Musik und Schauspiele, vorzüglich aber das Geld. Die Italiäner waren unsre Lehrer in den Künsten und zum Theil auch in den Wissenschaften; in beiden haben sie jedoch ihre blühenoste Periode überlebt. In den Wissenschaften sind es vorzüglich die Mathematik und Naturlehre, worin sie sich gegenwärtig auszeichnen; die schönen Künste finden noch die meiste Unterstützung, wiewohl ihre Correggioʼs, Michael Angeloʼs, Raphaels u. A. dahin sind, und selbst bei ihren besten Künstlern gewöhnlich der Geldgeitz den Ehrgeitz überwiegt. In der Volksaufklärung sind die Italiäner noch weit zurück, woran vorzüglich zwei Dinge Schuld sind, die Dummheit, in der sie durch ihre Priester erhalten werden, und welche ihren Sitten eben so nachtheilig ist als ihrem Geiste (s. den Art. Banditen), und die sclavische Armuth. Diese letztere, in welcher der größte Theil des Volks vermöge der dermahligen Verfassung zu leben genöthigt ist, scheint indeß auch die nächste Veranlassung zu werden, den Italiänern einen höhern Grad von bürgerlicher Freiheit und Cultur zu verschaffen, da sie bereits einen Theil der Italiäner vermocht hat, sich unter Französischem Schutze ihrer drückenden Fesseln zu entledigen und zu einer Republik zu bilden, wodurch der Wohlstand und die Cultur derselben hoffentlich gewinnen werden. Die Italiänische Sprache, außer welcher in Italien noch die Französische (im N. W. Theile), die Deutsche, die Arabische mit der Italiänischen vermischt (unter dem großen Haufen von Maltha) und die Griechische (in einigen Gegenden von Südneapel und Sicilien) gesprochen werden, ist eine Tochter der Lateinischen, sehr wohlklingend und ganz eigentlich zur Musik gemacht. Es giebt vielerlei Dialecte in derselben, welche merklich von einander abweichen, und unter denen der Toskanische der vorzüglichste ist, dessen man sich auch in Büchern, auf der [249] Kanzel und gegen Fremde bedient; und da das Volk selten aus einem Districte in den andern reiset, so erhalten sich diese Dialecte beständig unverändert. Die wichtigsten Manufacturen der Italiäner sind die von seidenen und wollenen Zeugen; indeß reichen im Ganzen genommen ihre Fabriken nicht hin, die inländischen Bedürfnisse zu befriedigen. Ihr Handel war vor zweihundert Jahren von weit größerer Bedeutung; er beruht hauptsächlich auf den rohen Producten des Landes, und befindet sich größten Theils in den Händen der Ausländer. – Die Halbinsel Italien besteht aus mehrern von einander ganz unabhängigen Staaten, und wird eingetheilt in Ober-Italien (die Sardinischen, gegenwärtig zum Theil Französischen Lande: Savoyen, Piemont, Montferrat, zu welchen noch ein Stück von Mailand gehört; die Oestreichischen Lande: Mailand und Mantua; die Lande des Herzogs von Parma und Modena; die Republiken Venedig und Genua und einige kleine Fürstenthümer), in Mittel-Italien (das Großherzogthum Toskana, der päpstliche Kirchenstaat, die Republiken Lucca und St. Marino) und in Unter-Italien, welches ganz aus dem Königreich Neapel besteht. (Ein großer Theil von Ober-Italien zwischen den Alpen und Apenninen führt den Namen der Lombardei). Von den Italiänischen Inseln sind Sicilien, Maltha, Sardinien und Corsika die größten. – In dem gegenwärtigen, hoffentlich nunmehr heendigten Kriege haben Staaten und Menschen in Italien große Veränderungen erlitten. Das Herzogthum Savoyen und die Grafschaft Nizza in Piemont sind Frankreich einverleibt und demselben von Sardinien völlig abgetreten worden (s. die Departements von Frankreich). Eine neue Republik hat sich gegründet, und eine zweite sieht wenigstens hoffnungsvoll ihrer Gründung entgegen (s. die Cispadanische Republik im Anhange, und die Transpadanische Republik); fast ganz Italien hat mit Frankreich gestritten und Friede geschlossen (s. die Artikel über die einzelnen Staaten, als Neapel, der Papst, Savoyen u. s. f.); fast ganz Italien hat den Einfluß des Kriegs empfunden und – wird ihn zum Theil noch [250] fühlen. (S. Venedig, den Nachtrag zum Art. Genua.) Nicht minder merkwürdig ist die Abführung der herrlichsten Gemählde und Statuen nach Frankreich, welche nun wirklich, trotz der Stimmen, welche sich selbst in Frankreich dagegen erhoben, von Statten geht.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 247-251.
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