Jakob Thomson

[146] Jakob Thomson. Dieser berühmte Schottische Dichter, der Sohn eines Geistlichen, geb. zu Ednon in der Grafschaft Rorburg 1700, verdankte vielleicht seine ganze Entwickelung einem Freunde seines Vaters, Rickerton, der gerade in dem Knaben, welcher anfangs durch seine Blödigkeit seinen Mitschülern mehr zum Gespötte diente, Anlage zur Poesie zu finden glaubte, so wenig auch Anschein dazu vorhanden war. Zu Edinburg mußte unser Thomson Theologie studiren, und, anfangs auch hier ganz in sich zurückgezogen, diente er ebenfalls theils wegen seiner Schüchternheit und Eingezogenheit, theils auch selbst wegen seines schlechten Aeußern seinen Commilitonen nur zum Spotte, als auf einmahl der berühmte William Hamilton, damahls Professor am theologischen Collegium zu Edinburg, den Candidat Thomson, an welchem er besonders Geist, Feinheit und dichterisches Genie im Stillen entdeckt hatte, bei einer Stiftungsfeierlichkeit zum Redner erwählte, und diesem die Gelegenheit gab, durch eine der trefflichsten Reden über die Macht Gottes die ganze Versammlung in Erstaunen zu setzen, und dadurch die zeitherige allgemeine Meinung von sich ganz niederzuschlagen. Jetzt erst beschloß nun auch Thomson, durch diesen Vorfall mehr auf sich selbst aufmerksam gemacht, die theologische Laufbahn, [146] der er ohnehin keine Neigung abgewinnen konnte, zu verlassen. Er ging, aufgemuntert von seinen Freunden, nach London, und gründete seinen Dichterruf bald durch sein erstes Gedicht – den Winter. Indessen konnte er anfangs zu demselben lange keinen Verleger finden; und da es endlich Millan (1726) mehr aus Gefälligkeit drucken ließ, so mußte erst nach einiger Zeit durch einen gewissen Whatley, der es von ungefähr fand, das Publicum darauf aufmerksam gemacht werden, und – bald hatte sich die erste Auflage vergriffen. Thomson fand sich nun bewogen, auch die übrigen Jahreszeiten auf gleiche Art zu bearbeiten; und so erschien 1727 der Sommer, 1728 der Frühling, und 1730 der Herbst. Durch jenes erste Gedicht, den Winter, hatte er sich indessen große Gönner und Gönnerinnen erworben, so daß ihm endlich der Kanzler Talbot die Aufsicht über seinen ältesten Sohn anvertraute, mit welchem er 3 Jahre lang das Ausland zu seinem sehr großen Vortheil bereiste, und nach seiner Zurückkunft, als Privatsecretair bei Talbot angestellt, ein gemächliches Auskommen hatte. Talbotʼs bald erfolgter Tod gab ihm Gelegenheit, in einer trefflichen Elegie seinen Dichterruhm zu vermehren; allein die Stelle selbst behielt er nicht, weil er – unachtsam genug war, sich nicht darum zu melden. Indessen wurde er durch einen Jahrgehalt, den ihm, von dem edlen Lord Lyttleton empfohlen, der Kronprinz Friedrich von Wallis aussetzte, gegen Mangel hinlänglich gesichert. Von 1730 fing er auch an, dramatischer Dichter zu werden. Sein erstes Trauerspiel, Sophonisbe, wurde zwar mit Beifall aufgenommen, doch kränkte ihn der Spott eines Witzlings im Parterre, bei Gelegenheit einer Stelle, sehr tief. Bald schrieb er auch seinen Agamemnon, den der berühmte Pope sehr in Schutz nahm; doch unter allen seinen Stücken zeichnete sich sein Tancred und Sigismunde (1745), wozu der Stoff aus dem Gil-Blas entlehnt war, und wobei Garrik allen Zauber seiner Kunst aufbot, vorzüglich aus. Sein letztes Trauerspiel, Coriolan, wurde erst nach seinem Tode mit einem meisterhaften Prolog von Lyttleton, welchen der berühmte Quin mit der höchsten Wirkung declamirte, aufgeführt. Kurz vor seinem Tode verschaffte [147] eben derselbe edle Lord Lyttleton unserm Dichter die einträgliche Stelle eines Controlleurs von Amerika: allein dieser konnte den Genuß davon nicht ziehen; der Tod entriß sie ihm in seinem 48. Lebensjahre. Er starb 1748, d. 27. Aug. zu früh für Freunde, Vaterland, Kunst und Wissenschaft: feierlich wurde sein Körper in der Kirche zu Richmond beigesetzt. – Sanfter, offener, treuer Freund, dankbar, voll inniger schwärmerischer Liebe gegen Gott, wie gegen seine Freunde, munter und witzig im Umgange, wohlthätig gegen Arme – so schildert sein Biograph ihn als Mensch. Was er als Dichter war, hat die Nachwelt entschieden. Seine Jahreszeiten (the Times) haben ihn schon dem Vaterlande, wie dem Auslande, unvergeßlich gemacht. Thomson erreichte durch diese als mahlender Dichter eine der höchsten Stufen; denn jede dieser Jahreszeiten stellt, das ist Sulzers Urtheil, eine Landschaft im Großen dar: seine Gemählde der Natur verwebt er mit großen Ideen über Gott, Werth und Bestimmung des Menschen, über Sittlichkeit etc. obgleich man ihm Weitschweifigkeit und Ueberladung im Allgemeinen, vielleicht aber zu hart, vorgeworfen hat. Aber auch mehrere andre seiner Gedichte, z. B. die Freiheit – voll glühendem Patriotismus, Eifer für Tugend, Wahrheit und Menschenglück – sein Gedicht auf Isaak Newton, der eben damahls 1727 gestorben war, und dessen Verdienste der Dichter in das hellste Licht setzt, u. m. a. waren vermögend, ihm gleiche Lorbeern zu erwerben. Vielleicht war er in seinen Trauerspielen nicht ganz so groß: man tadelt an ihnen zu gedehnten Dialog, zu viel Wortprunk und Raisonnement, zu viel eigne Persönlichkeit; aber doch ist Wahrheit, tiefes Gefühl, Feuer, Gedankenfülle die unverkennbare Eigenthümlichkeit seiner Stücke. Eins seiner letzten Gedichte war: Burg der Trägheit (castle of indolence) ein allegorisches Gedicht (und gewisser Maßen eine Antwort auf die Vorwürfe mehrerer Freunde wegen seiner eignen Indolenz), welches Lessing allen Werken Thomsons an die Spitze stellt. Es sei erlaubt, hier noch das Urtheil eines seiner glücklichen Deutschen Uebersetzer (Ludwig Schubarts) über ihn, als Dichter, dem Leser ins Gedächtniß zu rufen: »Tiefes, Gott ahnendes Gefühl, [148] begeisterte Andacht, Kühnheit und Neuheit in Bildern, Wendungen und Gedanken; Darstellung der schönen wie der schrecklichen Natur bis auf ihren letzten leisesten Pulsschlag; Stetigkeit und Kraft in Zeichnung und Kolorit; brennender Eifer für Tugend, Vaterland und Menschenglück – durch die lieblichsten Contraste gehoben – sind mit kurzen Worten der hervorspringende poetische Charakter dieses Lieblings der Musen, und werden seinen Namen erhalten, so lange es noch Herzen geben wird, die für Schönheit, und Geister, die für Wahrheit glühen. Sein Leben war tadellos, wie seine Lehre; sein Tod schön, wie sein Gesang.« – Auch in Schottland wird noch sein Andenken jährlich an seinem Geburtsorte durch ein gestiftetes Fest gefeiert – die erste Feier war 1790 – und durch eine Subscription ist ihm dort ein Monument errichtet worden. Von den in Deutschland erschienenen Uebersetzungen, besonders der Jahreszeiten, verdienen wohl, um der ältern häufig erschienenen zu geschweigen, die bereits erwähnte von Ludwig Schubart (2. Ausg. Berl. 1796), und die von J. P. und J. Horn (Halle 1800) eine vorzügliche Erwähnung.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 146-149.
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