Jerome Petion

[404] Jerome Petion, ein Advocat, Mitglied bei der constituirenden National-Persammlung, dann Maire von Paris im Jahre 1792, und endlich Deputirter bei dem National-Convent. Sein Charakter ist nicht ohne Grund verdächtig. Er war unter allen Pariser Demagogen im Jahre 1792 am meisten im Besitz der Volksgunst, [404] die er sich durch seinen Haß gegen das Königthum erworben hatte. Ungeachtet er als Maire von Paris die Ruhe der Hauptstadt hätte sichern und die Zusammenrottirungen des Pöbels zerstreuen lassen sollen, that er es doch nicht, sondern begünstigte vielmehr die Entwürfe der Unruhestifter; man hat sogar alle Ursache zu glauben, daß ohne ihn die Bestürmung des königlichen Schlosses am 10. Aug. 1792 nicht würde Statt gefunden haben. Ob er dabei aus Ueberzeugung der Nothwendigkeit handelte, oder sich von seinem persönlichen Haß gegen den König hinreißen ließ, weil dieser einige Wochen vorher verlangt hatte, daß man ihn von dem Amte eines Maire absetzen möchte, läßt sich doch nicht mit Gewißheit bestimmen. Aus seinen nachherigen Versuchen, den König durch Appellation an das Volk beim Leben zu erhalten, möchte man fast schließen, Petion selbst habe nicht geglaubt, daß die Sache so weit kommen würde, sondern er habe dem Könige bloß eine Probe seiner Macht geben und denselben von sich abhängig machen wollen. Petion verlor seit dem December 1792 alle Volksgunst, und wurde nun eben so heftig als Verräther verschrien, als er vorher als der eifrigste Volksfreund geehrt worden war. Das Decret, welches die Girondisten stürzte, verdammte ihn zugleich mit; wiewohl er ehemahls nicht zu dieser Partei gehört hatte, sondern erst seit dem Prozesse des Königs förmlich zu ihr übergetreten war. Er rettete sich indeß noch durch eine schleunige Flucht. Seine weitern Schicksale sind gänzlich unbekannt. Einigen Nachrichten zu Folge wurde er im Jahre 1793 in einem Steinbruche unweit Bourdeaux von Hunden zerfleischt, nach andern hielt er sich noch im Jahre 1795 in der Schweiz auf; das letztere ist aber beinahe unwahrscheinlicher als das erstere. Wer Petion sah, hielt ihn anfänglich für einen kalten, leidenschaftslosen Mann; allein er verbarg unter seiner ruhigen Miene einen unbegränzten Ehrgeitz und eine heimtückische Gemüthsart. Man hat auch verschiedne größten Theils vor der Revolution geschriebene Schriften von ihm, welche sich auf das Gesetzwesen und die Gerichtsverfassung beziehen, und außer einigen wirklich nützlichen Vorschlägen viel schiefes Raisonnement und unnütze Declamationen enthalten. Von dem ersten Theile derselben besitzen wir [405] eine sehr gute mit brauchbaren Anmerkungen versehene Deutsche Uebersetzung.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 404-406.
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