Lucianus

[416] Lucianus war aus Samosata in Syrien gebürtig, und lebte zu Ende des zweiten Jahrhunderts nach Chr. Geb. Er war Redner und Philosoph, und wurde zuletzt kaiserlicher Statthalter über einen Theil Egyptens. Unter allen alten Schriftstellern, deren Werke bis auf unsre Zeiten gekommen sind, ist Lucian unstreitig einer der vorzüglichsten, und wegen der in vielen Stücken sehr auffallenden Aehnlichkeit seines Zeitalters und des unsrigen einer der interessantesten. Er war als Philosoph keinem bestimmten System ergeben, sondern folgte seiner eignen Beurtheilungskraft, und forschte unermüdet nach Wahrheit. In seinen zahlreichen Schriften eifert er mit beißendem Witz und schneidender Satyre gegen die Fehler seines Zeitalters; und um die Thorheiten unter jeder Hülle aufzusuchen, verlegt er seine Scenen bald in den Olymp, bald in die Schulen einiger selbstsüchtiger Philosophen, bald an die Tafeln der üppigen Großen in Rom, zuweilen auch wohl gar in die Unterwelt. Die große Menschenkenntniß, die er überall verräth, und die Feinheit, mit welcher er die Gegenstände seiner Satyre durchzieht, ohne sich persönliche [416] Anzüglichkeiten zu erlauben, sind bewunderungswürdig. Seine Spötterien verfehlten um desto weniger ihre Wirkungen, weil sie ganz ungesucht und ohne augenscheinliche Beziehung von ihm angebracht wurden. Freilich verketzerten ihn viele Philosophen als einen Mann, der weder Götter noch Menschen schone; aber Lucian verachtete das Geschrei dieser Herren, und fand keinen Preis zu theuer, wenn es darauf ankam, seinen Zeitgenossen eine Wahrheit zu sagen. – Wieland hat das Griechische Gewand dieses Schriftstellers in ein eben so musterhaftes Deutsches umgeschaffen, und dadurch die Gelegenheit zu Vergleichungen des Lucianischen Zeitalters mit dem unsrigen ungemein erleichtert.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 416-417.
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