Reflexion [2]

[98] Reflexion, in philosophischer Bedeutung, oder Ueberlegung, ist das Zurücktreten der Seele von einem Gegenstande, der ihre Aufmerksamkeit beschäftigt hat, in sich selbst, um den Eindruck nochmahls zu übersehen, zu beurtheilen, von ihrer eignen Thätigkeit abzusondern. Aufmerksamkeit, besonders unwillkührliche, reißt die Seele gleichsam aus sich selbst heraus, und verschmilzt sie mit den Gegenständen; durch Reflexion tritt sie zurück, reißt sich von den Objecten, von allen, was nicht sie ist, los, und beherrscht die Empfindung. So wie willkührliche Aufmerksamkeit und Ueberlegung den Menschen überhaupt vom Thiere auszeichnen, so macht ein hoher Grad derselben das Wesen der Geistesstärke, die Anlage des großen Kopfs aus. Die erste, Attention, charakterisirt den scharfen Beobachter und Forscher der Außenwelt und Natur, die zweite, Reflexion, den tiefen Selbstdenker, den speculativen Geist.

In der philosophischen Sprache Kants ist die Reflexion von zweierlei Art, entweder logisch, oder transscendental. Die erste besteht in der Vergleichung der Begriffe unter einander, um die Einerleiheit oder Verschiedenheit, den Widerspruch und die Uebereinstimmung zweier Vorstellungen zu bestimmen, um zu erfahren, ob ein Begriff analytisch sei, d. h. alles schon in sich enthalte, was das Prädicat ihm beilegt, oder synthetisch, d. h. ob durch ihn etwas neues zu einem andern hinzukomme, ob einer von zweien, und welcher die Form oder die Materie enthalte u. s. w. Die transscendentale Reflexion vergleicht die Vorstellungen in Rücksicht auf das Erkenntnißvermögen, [98] vor welches sie gehören. Sie untersucht die Art und die Bedingungen, unter welchen unsere Begriffe und Urtheile entstehen, die Mitwirkung der Neigung, der Sinnlichkeit, des Verstandes, der Vernunft, des Interesse, der Gewohnheit; sie giebt, nach Kant, Reflexousbegriffe, wodurch das Verhältniß der Dinge zu einander selbst, z. B. ob sie einerlei oder unterschieden sind u. s. w. ausgedrückt wird. Jene, die logische Reflexion, giebt nur Vergleichungsbegriffe, wodurch nur Begriffe beurtheilt werden, ob sie z. B. in ein bejahendes oder verneinendes Urtheil zusammen passen u. s. w.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 4. Amsterdam 1809, S. 98-99.
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