[63] Savoyen; dieses ehemahlige Herzogthum in Italien, gegenwärtig unter dem Namen Mont-blanc Frankreich einverleibt, gränzt gegen Abend an Frankreich, gegen Mittag an Frankreich und Piemont, gegen Morgen an Piemont, Mailand und die Schweiz, und gegen Mitternacht an den Genfer-See, welcher es von der Schweiz trennt. Es besteht dasselbe aus mehreren Landschaften, unter denen das eigentliche Savoyen einen fruchtbarern und weniger unebenen Boden hat als die übrigen. Chambery ist die Hauptstadt. Der vornehmste Fluß ist die Rhone, in [63] welche dann die übrigen, die Arve, die Isere etc. fallen. Hohe, felsige und unfruchtbare Gebirge machen einen großen Theil des Landes aus, unter denen les Glacieres und der Mont Cenis (über welchen der Weg nach Piemont führt) die höchsten und vornehmsten sind. In den zwischen diesen Bergen befindlichen Thälern giebt es Getreide, Wiesewachs, Obst und Wein. Die Viehzucht ist gut, und auf den Gebirgen halten sich die so genannten Murmelthiere auf. Goldsand findet man in der Arve, Bergkrystalle und köstlichen Marmor auf den Gebirgen. Uebrigens sind die Savoyarden durch ihre Ehrlichkeit und Treue bekannt: ihre Armuth nöthigt wohl ein Drittheil, ihr Brot außer Landes zu suchen; und es ist bekannt, wie viele sich in Frankreich, besonders in Paris, durch niedrige Arbeiten, Schuhputzen, Kaminfegen, Wassertragen etc. ihren Unterhalt erwerben. Hauptsächlich muß der Berg Cenis seine Bewohner dadurch mit ernähren helfen, daß sie als Träger oder Mauleseltreiber die Reisenden in Tragsesseln mit einer bewundernswürdigen Geschwindigkeit und Geschicklichkeit fortbringen.
Was die Geschichte Savoyens mit Piemont und Sardinien betrifft, so ist es in den allerältesten Zeiten derselben sehr dunkel. Daß die Gallier oder Celten jene Länder besessen haben, ist wohl nicht zu bezweifeln. Die Herrschaft der Langobarden trat dann in Oberitalien ein. Durch Karls merkwürdigen und kühnen Alpenübergang ging die Krone Italiens zu den Franken über, und Piemont ward und blieb eine Zeit lang eine Provinz des Fränkischen Reichs; auch wird zur Zeit der letzten Fränkischen Könige keines Herzogs sondern der Markgrafen von Piemont erwähnt. Ihre Besitzungen vermehrten sich sowohl diesseits als jenseits der Alpen immer mehr und mehr.
Ueber Savoyens Abstammung hat man sehr viel Meinungen gehabt, unter denen die, daß sie von dem Stammvater der ältern Herzoge von Sachsen, Wittekind, herrühre, immer für die richtigere angenommen worden ist. Graf Berthold (1016) erscheint zuerst als der älteste dieses Hauses in der Geschichte. Seine Nachkommen brachten immer mehrere Erbgüter an ihr Haus; ihre Besitzungen dies- und jenseits der Alpen vermehrten sich immer mehr und mehr. [64] So wurde auch durch Familienverbindungen Piemont mit Savoyen vereinigt; und ob zwar gleich zwei Linien neben einander bestanden, so wurde doch nachher durch testamentliche Verordnungen und durch Grundgesetze die Untheilbarkeit der Lande festgesetzt, wiewohl die Lande dies- und jenseits der Alpen nie zu Einer Verfassung vereinigt worden sind. Savoyen hat seinen eignen höchsten Gerichtshof und Piemont ebenfalls den seinigen behalten. Im J. 1416 wurde Amadeus VIII. vom Kaiser Sigismund zum Herzog erhoben; ja derselbe ward sogar auf eine kurze Zeit, unter dem Namen Felix V. Papst, nachdem er seinem Sohne Ludwig die Regierung überlassen hatte. Jedoch änderte sich seit dem Anfange des sechzehnten Jahrhunderts alles so sehr, daß der beste Theil der Länder durch Veranlassung der Kriege zwischen Spanien und Frankreich verloren ging, die erst durch den Frieden von Chateau-Cambresis (1559) von Emanuel Philibert wieder erlangt wurden. Die glänzendste Regierung unter allen war unstreitig die von Victor Amadeus II. (von 1675 bis 1730), einem sehr staatsklugen Regenten, dessen Gränzen selbst Ludwig XIV. respectirte, und der auch im Spanischen Successionskriege das ganze Montferrat, nebst vier schönen Mailändischen Landschaften, und endlich durch den Utrechter Frieden auch Sicilien erhielt, das er aber nachher 1720 gegen Sardinien vertauschen mußte. (S. Sardinien.) Auch sein Nachfolger Karl Emanuel III. vermehrte sein Land um ein Beträchtliches und war überhaupt darauf bedacht, durch kluge Staatsökonomie das Wohl der Unterthanen wieder aufs beste herzustellen. – In den neuesten Zeiten scheinen dieselben weisen Maßregeln nicht Statt gefunden zu haben; und bei der Kriegserklärung des Französischen National-Convents zeigte sich eine solche Schwäche des Militair-Etats und besonders der Finanzen, daß im ersten Anfall (1792) ganz Savoyen verloren ging und als ein neues Departement unter dem Namen Mont-Blanc Frankreich einverleibt wurde, welches denn auch der 1796 geschlossene Friede bestätigte.