Thurn und Taxis

[166] Thurn und Taxis (de la Tour – della Torre), dieß alte berühmte fürstl. Haus, welches ehedem in der Deutschen Reichsverfassung eine bedeutende Stelle einnahm, stammte ursprünglich aus Mailand her. Seinen Namen will man daher leiten, daß der Erste dieses Geschlechts, dem der heil. Ambrosius, Bischof von Mailand, bei Dämpfung eines Aufruhrs das so genannte Neue Thor daselbst anvertraut, wegen der tapfern Vertheidigung desselben den Namen de la Tour und zugleich zur Belohnung die Souverainität über Valsassing erhalten habe. Einer seiner Abkömmlinge hieß Tacius, dessen Nachkommen eine Zeit lang die Oberherrschaft über Mailand, Bergamo, Novarra etc. behaupteten; und von diesem seinem Ahnherrn nahm in der Folge Lamorald (1313) den Beinamen Tassis oder Taxis an. Sein Urenkel, Roger I. Graf von Thurn, Tassis und Valsassina, begab sich nach Deutschland, wurde hier 1450 von Friedrich II. zum Ritter geschlagen, und gründete nun vorzüglich den Ruhm seines Hauses dadurch, daß er das Postwesen erfand, auch in Tyrol zuerst anlegte. Sein Sohn, Franz, auf dessen Anrathen 1516 man eine Post von Brüssel nach Wien anlegte, ward Kaiser Maximilians I. General-Postmeister. So wurde durch die Nachkommen das Postwesen immer mehr erweitert [166] und vervollkommnet; und Leonhard von Taxis, der sowohl durch die 1543 errichtete reitende Post aus den Niederlanden durch Schwaben und Tyrol nach Italien, als auch durch mehrere treffliche Anstalten in diesem Fache sich sehr auszeichnete, wurde vom Kaiser Rudolf II. in den Freiherrnstand und zum General-Oberpostmeister im Deutschen Reiche erhoben, so daß die Posten nun nicht mehr die Taxischen, sondern die Reichsposten hießen. Lamorald von Taxis, Leonhards Sohn, erhielt (1615) die Reichs-Grafen würde, und wurde vom Kaiser Matthias, so wohl für sich, als seine männlichen Nachkommen, mit dem Reichs-Generalpostamte belehnt, welches sogar 1621 von Ferdinand II. auch auf die weiblichen Nachkommen ausgedehnt wurde. Eugenius Alexander genoß die Ehre, vom König Carl II. von Spanien 1681 in den Fürstenstand, und vom Kaiser Leopold 1686 in den Reichsfürstenstand erhoben zu werden, bis endlich, nachdem das General-Postmeister-Amt zu einem fürstl. Thronlehen erhoben worden, der Fürst Alexander Ferdinand 1747 förmlich vom kaiserlichen Thron damit belehnet, und 1754 in das reichsfürstliche Collegium auf dem Reichstage, trotz der Widersprüche der meisten altfürstlichen Häuser, eingeführt wurde. So hatte sich also dieses Haus, das übrigens auch noch die Erbmarschalls würde in Hennegau besaß, nicht durch blutige Heldenthaten, nicht durch fürchterlich geführte Kriege, nicht durch allgewaltige Eroberungen, sondern durch wahre große Verdienste um das allgemeine Beste, durch eine der wichtigsten Beförderungen des Verkehrs fast aller cultivirten Länder und Staaten – durch Einführung des Postwesens so weit erhoben, ein solches Ansehn, einen solchen Glanz sich erworben. Zwar ließen nicht alle Fürsten und Staaten das Postwesen als kaiserliches Regal zu, und mehrere Fürsten – z. B. Braunschweig, Brandenburg, Sachsen, Hessen etc. – sahen es als einen Theil ihrer Landeshoheitsrechte an, und führten in ihren Landen besondere Posten ein; allein, dennoch erhielt sich das Haus Taxis großen Theils in den übrigen Staaten, Schwaben, Franken, Bayern etc. bis es denn, bei der neuen allgemeinen Umwälzung der Dinge, ebenfalls den Einfluß [167] derselben erfahren mußte: durch die Rheinconföderation hat es seine Reichsunmittelbarkeit verloren, und ist mit seinen 16 Quadratmeilen und 40,000 Einwohnern nun ein Vasall von Würtemberg und Bayern geworden, dagegen ihm, als Erb-General-Landes-Postmeister, die Verwaltung sämmtlicher Posten verliehen worden; wiewohl Bayern ihm ganz neuerlich diese Postbelehnung abgenommen, und zur Entschädigung Domainen-Guter von 50,000 Gulden jährlichen Ertrag angewiesen hat.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 166-168.
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