[430] Ungarn. Der Ursprung der Ungarn, welche auch Hungarn, oder Magyaren heißen, wird verschieden angegeben: nach Einigen gehörten sie zu den alten Oguren, nach Andern waren sie Abkömmlinge der Hunnen, und noch Andre rechnen sie zum Finnischen Stamme. Ein Nomadenvolk, waren sie gegen Ende des 9. Jahrh. über die Donau gegangen und zwar herbeigerufen, um das mährische Königreich, welches sich von der deutschen Herrschaft losmachen wollte, zu vernichten: es setzte seine verheerenden Züge fort, nahm (897) einen Theil von Mähren und Pannonien[431] (das jetzige Ungarn und ein Stück von Oestreich), fiel in Kärnthen, Baiern, Thuringen, Sachsen (von 901 bis 908 ff.) ein, so daß auch das mährische Königreich vernichtet, und zwischen den Hüngarn und Böhmen getheilt wurde. So fingen nun diese gefürchteten Hungarn in der Mitte des 10. Jahrh. an, in die Reihe der europäischen Staaten zu treten; aber Deutschlands Regenten gaben ihnen Könige und Gesetze. Unter dem Herzog Geisa, der sich 973 durch Bruno taufen ließ, und unter dessen Sohne Stephan I. (dem Heiligen) wurden sie zur christlichen Religion bekehrt, wodurch sie denn einige Cultur erhielten, so daß sie nun auch ihre Streifereien ganz einstellten, und sich vielmehr auf Ackerbau, Gewerbe und Handlung legten: so wurde denn nun ihre nomadische Verfassung von 8 Stämmen aufgehoben und vielmehr Gespannschaften (Comitatus) errichtet. Stephans Nachkommen regierten sehr in Unruhe, wurden bald vertrieben, bald von dem deutschen Kaiser – nachdem es 1045 ein deutsches Reichslehen geworden – wieder eingesetzt. Auch maaßte sich gar bald Papst Gregor VII. eine Oberherrschaft auf Ungarn an und behauptete, Stephan habe sein Reich dem heil. Petrus zum Eigenthum übergeben. Wladislay I., oder der Heilige († 1095) und sein Nachfolger Koloman, welcher sich hauptsächlich jenen Versuchen des Papstes wegen einer Oberherrschaft nachdrücklich widersetzte († 1114), wußten erst durch ihre Klugheit und ihren Muth dem Reiche die innere Ruhe wieder zu gehen und ihr Andenken durch Gesetzgebung und nützliche Erweiterung des Reichs in Segen zu erhalten. Sie brachten Siebenbürgen und auch Croatien und Dalmatien hinzu, wiewol dadurch mehrere Kriege mit den Venetianern und dem Griechischen Kaiser entstanden. Die Einwanderungen mehrerer Ausländer (der Kumanen, Flandrer, Deutschen), welche auch viel Vorzüge und Gerechtigkeiten erhielten, machten das Land immer bevölkerter, das denn auch besser angebauet wurde; besonders zogen die Sachsen insgesammt nach Siebenbürgen. Bela III., der sich der griechischen Bulgarei bemächtigte, auch Gallizien und Lodomirien unter [432] seine Oberherrschaft brachte; Emmerich, der seine Oberherrschaft über Servien gegen die päpstlichen Ansprüche behauptete, brachten dadurch dem Reiche immer mehr Zuwachs und eine ausgedehntere Herrschaft über die angrenzenden Länder zuwege; allein dem König Andreas II. drängte man 1222 ein Decret – die Grundlage der ungarischen Freiheit – ab, wodurch die königliche Macht beschränkt und dem hohen Adel große Rechte und Freiheiten zugestanden wurden: bald darauf ward es ein Freiheitsbrief für die ganze Nation. Unter seinem Sohne Bela IV. hemmten die Einfälle der Mogolen die weiteren Fortschritte, so wie denn auch mehrere Unruhen, Händel mit den Päpsten (welche immer versuchten, Ungarn zu einem päpstlichen Lehen zu machen), Kriege mit Böhmen, dessen Könige mehreremal zu Königen von Ungarn erklärt und gekrönt wurden, das Reich gar sehr zerrütteten, bis endlich Carl Robert aus dem Hause Anjou (1308 zum König gewählt, gest. 1342), und noch mehr sein Sohn, Ludwig der Große, das Reich befestigten, erweiterten und zu einer noch vie erlangten Größe brachten. Besonders erlangte der letztere durch die Waffen die Hoheit über Servien, Bulgarien, Moldau, Bosnien, ja auch (1370) über Pohlen, so daß sich seine Herrschaft zuletzt über alle Länder von den westlichen Küsten des schwarzen Meeres bis zum adriatischen Meerbusen und von da bis zum Ausfluß der Weichsel in die Ostsee erstreckte; so wie er auch die innere Verfassung und Cultur des Landes in einem hohen Grade verbesserte. Doch nach seinem Tode (1382), wo die eine seiner Töchter, Hedwig, den pohlnischen Thron erhielt (s. Pohlen i. dies. Nachtr. Th. II. S. 250.), brachen unter Sigismund, der die zweite Tochter, Maria, nachher zur Gemalin bekam, neue innerliche Unruhen aus; besonders fingen nun auch die Türkenkriege, so wie die Hussitischen Unruhen an, viel zu schaffen zu machen und Sigismund vermochte nicht, das Reich gegen auswärtige Feinde zu schützen: an Pohlen ging Rothrußland, Podolien und die Wallachei, an Venedig Dalmatien verloren; und 13 Städte der Zipser Gespannschaft wurden nebst mehreren Schlössern und Dörfern an Pohlen verpfändet. In der Folge wurde der Thron [433] bald durch Könige von Pohlen besetzt, bald durch immer fortwährende Unruhen erschüttert; doch wußte Matthias Corvinus (1458 zum Thron erhoben) sowol gegen auswärtige Feinde, gegen Pohlen, Böhmen, Oestreich, von dem er sogar Wien 1485 eroberte, als auch gegen innere Empörungen sich zu erhalten, und er war gewiß einer der größten Könige seiner Nation; war Gesetzgeber, tapfrer Kriegsheld, beförderte die Künste und Wissenschaften (er stiftete z. B. die Universität Ofen), wenn gleich auch Undankbarkeit und Härte seine Verdienste etwas verdunkelten. Er starb 1490 zu Wien und zu seinem Nachfolger wurde der König von Böhmen Wladislav VII. erwählt, unter dessen kraftloser Regierung viele jener erhaltenen Vortheile und eroberten Besitzungen (als Wien und alles was Corvin in Steyermark, Kärnthen, Krain erobert hatte) wieder verloren gingen. Nach seinem Tode (1516) brach unter seinem Sohne Ludwig II. zwischen Zapolya und Stephan Bathory ein innerer Krieg aus; auch die Türken brachen in Ungarn ein, und in der fürchterlichen Schlacht bei Mohacz, unweit der Donau, 1526. blieb Ludwig selbst. Ferdinand I., mit welchem die Reihe der Regenten aus dem Hause Habsburg anhebt, mußte seinem Nebenbuler, Johann von Zapolya, welcher, ebenfalls 1526 zum König gewählt und gekrönt, ihm viel zu schaffen machte und selbst den Schutz des türkischen Kaisers gegen Ferdinand aufrief, durch den Frieden von 1538 Siebenbürgen und die Hälfte von Ungarn abtreten; und von seinem Nachfolger, Maximilian II. an wurde nun das Reich von Deutschland aus regiert. Der Kampf gegen die Türken und innere Factionen beschäftigten Ungarn unaufhörlich und der Einfluß der mächtigen Fürsten von Siebenbürgen war nur gar zu sichtbar. So brachen außer mehreren vorhergehenden Händeln und Unruhen mit den siebenbürgischen Fürsten, Bethlen Gabor, Georg Ragotzky etc., besonders unter Leopold I. (seit 1654 König), wegen Religions- und andern Streitigkeiten, blutige innerliche Kriege aus; es entstanden Coalitionen und Verschwörungen, an welchen sogar die ersten Männer des Reichs Theil nahmen: selbst der Palatin Vesselenyi leitete die [434] gefährlichste Verschwörung ein, die aber durch dessen Tod (1670) noch bei Zeiten entdeckt wurde. Viele Große, Franz von Nadasd, Peter von Zrini, Christoph von Frangepani mußten auf dem Schafott sterben, dem nur mit Mühe selbst Franz von Ragotzi entging. Ungarn wurde nun von Leopold als ein erobertes Land mit unmenschlicher Strenge behandelt, so daß endlich unter Tököly (s. d. Art. Th. VI. S. 192.) eine sehr große Revolution ausbrach, welcher selbst die Türken mit hineinzog, die auch 1683 Wien belagerten. Man fing nach und nach an, die furchtbaren Despoten-Befehle zurückzunehmen und die vorigen Freiheiten wieder herzustellen. Auch unterwarf sich 1687 der Fürst von Siebenbürgen dem König von Ungarn als Vasall und durch den Carlowitzer Frieden 1699 blieb jenes Fürstenthum auch in dieser Verbindung mit Ungarn. Unterdessen hatte Leopold auf einem Reichstage in Presburg 1682 Ungarn für ein Erbreich erklären lassen – ein Versuch, der schon vorher, aber fruchtlos gemacht worden war – allein neue Anmaaßungen und Versuche bewirkten abermals eine Verschwörung, an deren Spitze der junge Franz Ragotzi stand. S. hierüber ausführlicher dies. Art. Th. IV. S. 39 ff. Nur erst der Friede zu Szathmar im J. 1711, unter dem Nachfolger abgeschlossen, machte derselben ein Ende, indem völlige Amnestie, freie Religionsübung und der Nation ihre alte constitutionsmämäßige Freiheit zugesichert und bestätiget wurden. Auf den 1717 unternommenen Türkenkrieg erfolgte 1718 der Passarowitzer Friede, durch welchen Carl VI. das ganze Temeswarer Bannat, Belgrad nebst dem dazu gehörigen Servien, Stücke der Wallachei und Bosnien erhielt – Vortheile, die aber in dem zweiten Türkenkriege und durch den darauf erfolgten Belgrader Frieden, 1739 wieder verloren gingen. Indessen wurde 1722 auf dem Presburger Reichstage Carls VI. Successions-Ordnung (s. Th. V. S. 46.) von den ungarschen Ständen angenommen, auch die neue Organisirung der Reichsadministration eingeführt, vermöge welcher das königliche Consilium locumtenentiale unter Vorsitz des Palatius die hohe Reichs-Regierung führen und allein unterm König stehen sollte. [435] Auch die bessere Comitat-Verfassung und mehrere große Reformen im hohen und niedern Gerichtswesen wurden vorgenommen. Im Jahr 1740 bei Kaiser Carls VI. Tode, bestieg nun dessen älteste Prinzessin, Maria Theresia (der obigen Successions-Ordnung gemäs) den ungarischen Thron, und der Muth und die Treue der Ungarn erprobten sich bei dem allgemeinen Sturme, der jetzt entstand, im ausdauerndsten Kampfe für ihre Königin, und rettete sie vom Untergange. (M. s. d. Art. Th. III. S. 76.) So wurden nun Liebe und Zutrauen herbeigeführt und immer mehr befestiget: die Großen der Nation wurden zu den ersten Staats- und Militairstellen befördert: ja, es wurden die allmäligen Veränderungen der Constitution langsam und unvermerkt und ohne den geringsten Anstoß herbeigeführt. Nach des Grafen Bathyans Tode (1765) wurde kein Palatin mehr gemacht, in den letzten 16 Jahren von Theresiens Regierung kein Reichstag mehr gehalten, u. s. f. Im J. 1771 wurden die an Pohlen seit vierthalbhundert Jahren verpfändet gewesenen Zipser-Städte bei Gelegenheit der pohlnischen Unruhen ohne Erstattung des Pfand-Schillings hinweggenommen und wieder mit Ungarn vereinigt; auch ein Theil der Moldau (1777) so wie Temeswar sammt dem Bannat (1778) kam an Ungarn. Joseph II., der nicht einmal die Rechte der ungarischen Nation beschwören und sich auch nicht krönen lassen wollte, verfuhr, so gut auch seine Bemühungen für die Aufnahme des Reichs waren, doch zu eilfertig, und seine Entwürfe z. B. die Vermessung des ganzen Reichs, ein neues Steuersystem, die völlige Verdrängung der Nationalsprache etc. brachten vielfache Irrungen hervor und machten eben sowol, als der nachher willkührlich unternommene und fehlerhaft geführte Türkenkrieg (1788) Mismuth und Verstimmung der Nation allgemein. Erst auf dem Sterbebette (1790) gab er der Nation alle die Rechte zurück, die er ihr hatte entziehen wollen und sein Bruder und Nachfolger Leopold II. hatte in den ersten Jahren nur gar zu sehr wieder gut zu machen: er beschwor das, was seine Mutter Maria Theresia beschworen hatte und in seinem Sohne Carl Alex. Leopold stellte er die seit 1765 unbesetzt gebliebene[436] Würde eines Palatius wieder her. Durch den mit den Türken zu Szistova 1791 abgeschlossenen Frieden mußte Belgrad und die übrigen Eroberungen wieder zurückgegeben werden. In dem nach Leopolds II. plötzlichem Tode (1792) seinem Nachfolger, dem jetzigen Kaiser Franz II. erregten gefährlichen französischen Kriege, nicht minder in dem unglücklichen Kriege, welcher im Jahr 1805 aufs neue mit Frankreich begann, und eine bedenkliche Wendung nahm, erfuhr der Regent die rührendsten Beweise von der Liebe und Gutmüthigkeit seiner braven Ungarn. In dem letztern beschloß der Landtag ohne Debatten eine allgemeine Landesinsurrection, Infanterie und Cavallerie, dem Feinde in möglichster Kürze entgegen zu stellen; und sie hatten auch wirklich in kurzem auf 40,000 Mann zusammengehracht, um ihren König zu vertheidigen.
Man unterscheidet gewöhnlich Ungarn im weitläuftigen Sinne, wo man noch das Großfürstenthum Siebenbürgen, die Königreiche Slavonien, Croatien, Dalmatien, Bosnien, Servien, die Bulgarei etc. mit dazu zählt, von dem Königreiche Ungarn im eigentlichen Verstande. Das Königreich Ungarn, das schönste und wichtigste Land der östreichischen Monarchie, gegen Norden von Galizien (durch die Carpathen), gegen Osten von der Wallachei und Siebenbürgen, gegen Süden von Slavonien und Servien, gegen Westen von Mähren, Oestreich und Steyermark begränzt, wird in Ober- und Nieder-Ungarn, diese in 4 Kreise (dies- und jenseit der Donau, dies- und jenseit der Theiß) und diese wieder in Gespanschaften (Comitatus) getheilt. Den Flächeninhalt von Ungarn giebt man auf 3,831 Quadrat-Meilen und die Einwohner auf 7,149,165 – mit Inbegrif aber von Slavonien, Croatien und Siebenbürgen auf 4,780 Quadrat-Meilen mit ungefähr 9,340,000 Einwohnern an. Diese nun lassen sich in Rücksicht auf physische Beschaffenheit in drei verschiedene Klassen theilen: 1) in die Bergbewohner, gegen 2½ Million; 2) in die Bewohner des platten Landes, etwa 4 Mill.; 3) die Städter, ungefähr von 800,000. Die erste Klasse sind gesund, munter, fest und stark – Wirkung der reinen Gebirgsluft – und daher auch unermüdet, thätig [437] und arbeitsam. Gemeiniglich sind auch die von ihnen bewohnten Gebirge sehr fruchtbar, wenn gleich nicht an Korne. Der größte Theil dieser Leute sind Slaven, auch viel Deutsche; sehr wenig eigentliche Ungarn. Ueberhaupt aber behaupten die Deutschen in Ungarn einen vorzüglichen Platz vor den übrigen Bewohnern. Ihr Gewerbfleiß, ihr Ackerbau und ihre Industrie, ihr Handel zeichnet sich ganz vorzüglich aus: auch wohnen sie nach allen Seiten des Landes hin, obgleich sie an Sprache Sitten und Gebräuchen unter einander sehr verschieden sind. Die bedeutendsten Städte in Ungarn: Preßburg, Pesth, Ofen, Oedenburg etc. sind deutsch. In Hinsicht der wissenschaftlichen Cultur haben auch die Deutschen sehr viel Verdienst: ihre Land- und Bürgerschulen sind sehr gut eingerichtet und die blühendsten Gymnasien finden sich in deutschen Städten. Nicht minder zeichnen sich die Deutschen durch ihre Biederkeit, Treue, Ehrlichkeit etc. besonders aus. – Die Hauptsprachen sind die ungarische, slavonische, walachische und deutsche, auch die lateinische; doch ist seit 1805 die ungarische, statt der bis dahin üblichen lateinischen, die Sprache der öffentlichen Geschäfte geworden.
Von Gebirgen sind vorzüglich die Carpathen (s. d. Art. i. d. Nachtr.) oberhalb Preßburg, und Galizien von Ungarn trennend, besonders die Lomnizzer Spitze, 5600 Fuß hoch; von den Flüssen: die Donau, Morawa, Theiß, Drave, Sau etc., dann der 24 Quadrat-Meilen große Plattensee, der Neusiedlersee (10 Meilen im Umfange) etc. Die Produkte sind bei dem meistentheils sehr fruchtbaren Boden außerordentlich reichhaltig, wenn gleich bei Verbesserung der Cultur noch weit mehr davon zu erwarten wäre. Gold, Silber, Edelsteine aller Art (besonders Opale), Kupfer, Eisen; Quellsalz (jährlich an 120,000 Ctr.), Steinsalz (dessen Erzeugungen von Bedeutung sind, indem allein in Rhonaßeg jährlich 4 bis 500,000 Ctr. erzeugt werden); so wie überhaupt die Bergwerke noch im Jahr 1806 so ergiebig waren, daß man 30 Ctr., theils Gold, theils Silber (reines) rechnen konnte, welche monatlich aus den Bergstädten Schemnitz, Kremnitz, Neusohl nach Wien abgeführt wurden. Ferner blüht hier die Viehzucht, die Bienen- und Hünerzucht, [438] Getreidebau (Ungarn ist mit eine der wichtigsten Kornkammern der Monarchie), der Weinbau (jährlich auf 30 Mill. Eimer in mehr als 100 Sorten, worunter der von Tokai, Oedenburg, Rust, Ofen etc. bekannt und berühmt genug sind); der Tabak-, Flachs-, Krapp-, Feld-und Gartenbau. – Die Fabriken und Manufakturen sind in Ungarn nicht von außerordentlichem Belang. Leinwand liefert nur Zips in Menge; Tabaksfabriken, dann die Fabriken von grobem Tuch, Baumwolle, Leder und Rauchwerk, Glas, Liqueur- und Rosolifabriken sind die bedeutenderen. – Was den Handel betrift, welcher durch die Donau, und mehrere andere schiffbare Flüsse gar sehr befördert wird, so ist der Mittelpunkt für das inländische Commerz sowol, als für den nach auswärts gehenden Handel die am linken Ufer der Donau gelegene Stadt Pesth, von wo aus die Hauptstraßen über Comorn, Raab, Preßburg, nach Oestreich, Mähren, Schlesien etc. nach Galizien, Siebenbürgen, Servien, der Türkei etc. führen; indessen commandirt die Wiener Fabrik-, Gewerb- und Handelsregion den ganzen Ein- und Ausfuhrhandel von Ungarn.
Die Staatsverfassung anlangend, so theilen die privilegirten Staatsbürger in Ungarn die gesetzgebende und vollziehende Gewalt mit dem Regenten, dessen Gewalt eben durch die Stände mehrere Einschränkungen leidet. Im Fall das jetzige regierende (östreichische) Haus, sowol in männlicher als weiblicher Linie ausstirbt, haben die Stände Ungarns die Rechte einer freien Regentenwahl. Jeder neue König wird nach beschwornen Reichsprivilegien gekrönt; bei eintretender Minderjährigkeit ist der Palatinus, welcher an der Spitze des Reichs steht, und gewöhnlich ein östreichischer Prinz ist (s. d. Art. Th. III. S. 349.), natürlicher Vormund. Der apostolische König kann nur auf dem von ihm berufenen Reichstage Gesetze, Auflagen etc. machen; auf welchem die Erzbischöfe, Bischöfe Baronen, Grafen, Freiherren u. s. f. die sogenannte erste oder Magnatentafel, unter Vorsitz des Palatins; dann die Deputirten der Comitaten der königlichen Freistädte, der Capiteln, Aebte etc. die zweite oder Ständetafel, unter Vorsitz des Personals [439] d. h. des Präsidenten der königl. Gerichtstafel zu Pesth, ausmachen. Seine Prärogativen übt der König durch die ungarische Hofkanzlei zu Wien aus: die übrigen Landescollegien haben ihren Sitz in Ungarn. Die Stände, welche überhaupt große Privilegien haben, auf deren Aufrechthaltung sie allerdings höchst eifersüchtig sind, bestehen aus Prälaten (dem Primas regni, Erzbischof von Gran u. s. f.), Magnaten (Palatinus regni etc.) den Edelleuten und königlichen Freistädten (letztere beide durch Abgeordnete). Die Regierungsgeschäfte verwaltet die königl. Statthalterei unter dem Palatinus und hie ungarische Hofkammer führt die Aufsicht über die königl Domainen, Regale etc. Die höchsten Justizstellen sind die königl. Tafel, welche die Streitigkeiten der Magnaten etc. in erster Instanz behandelt, sie haben ihren Sitz in Ofen; dann sind eigne Distriktstafeln für die 4 Hauptdistrikte.
Herrschende Religion ist die katholische; doch genießen, dem Buchstaben des Gesetzes nach, die Protestanten beinahe gleiche Rechte mit den Katholiken. An der Spitze der katholischen Geistlichkeit stehen die Erzbischöfe von Gran, Erlau und Kolocza. Zu den öffentlichen Bildungsanstalten gehören die Universität zu Pesth und die Akademieen zu Preßburg, Oedenburg, Kaschan, Großwardein etc., so wie die Bergakademieen zu Schemnitz, nicht minder das theologische Seminarium für die Lutheraner zu Preßburg und für die Reformirten zu Debretzyn.
Nicht ganz am unrechten Orte möchte wol auch hier noch der berühmten
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