Ungarn

Österreich-Ungarische Monarchie I. (Karten)
Österreich-Ungarische Monarchie I. (Karten)
Österreich-Ungarische Monarchie II. (Karten) 1. Pflanzen- und Tiergeograph. Übersicht. 2. Verteilung von Industrie und Landwirtschaft. 3. Isochronenkarte. 4. Historische Übersicht.
Österreich-Ungarische Monarchie II. (Karten) 1. Pflanzen- und Tiergeograph. Übersicht. 2. Verteilung von Industrie und Landwirtschaft. 3. Isochronenkarte. 4. ...
Österreich-Ungarische Monarchie (Karten) III. Westliche Hälfte.
Österreich-Ungarische Monarchie (Karten) III. Westliche Hälfte.
Österreich-Ungarische Monarchie (Karten) IV. Östliche Hälfte.
Österreich-Ungarische Monarchie (Karten) IV. Östliche Hälfte.
1894. Ungarn.
1894. Ungarn.

[889] Ungarn (magyar. Magyar-ország, Land der Magyaren, s.d.), Königreich, im weitern Sinne (Länder der ungar. Krone) der östl. Teil (Transleithanien) der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (s.d. und Karten: Österreichisch-Ungarische Monarchie I, II, III, IV), außer dem eigentlichen U. noch Fiume, Kroatien-Slawonien und die ehemal. Militärgrenze umfassend, zusammen 324.851 qkm, (1900) 19.254.559 E.; das eigentliche U. mit dem 1868 völlig darin einverleibten Großfürstent. Siebenbürgen [s. Beilage: Österreichisch-Ungarische Monarchie]; umfaßt den größten Teil des Kessellandes der mittlern Donau, im NO. und SO. von den Karpathen begrenzt, meist sehr fruchtbar, reich an Getreide, Wein, Wald, Mineralien, Mineralquellen. Haupterwerbszweige: Viehzucht, Acker-, Weinbau, Fischerei, Bergbau. Die Industrie ist wenig entwickelt, der Handel lebhaft. Die Verfassung beruht auf dem Grundgesetz vom 21. Dez. 1867 (s. Österreichisch-Ungarische Monarchie und Ausgleich). Wappen: längsgeteilter Schild, rechts viermal in Rot und Silber quergeteilt, links mit silbernem Patriarchenkreuz auf einem gekrönten Hügel [Abb. 1894]. Hauptstadt Budapest.

Die Geschichte U.s beginnt um 895 mit der Festsetzung der Magyaren unter Arpád in Pannonien; sie unternahmen von da Raubzüge nach den benachbarten Ländern, bes. nach Deutschland, bis sie sich nach den großen Niederlagen bei Riade (933) und auf dem Lechfelde (955) auf bestimmte Grenzen beschränkten. Unter Herzog Geisa (972-995) und seinem Sohne, Stephan dem Heiligen (995-1038), wurde das Christentum eingeführt; letzterer erhielt vom Papste die Königskrone (Stephanskrone). Unter Ladislaus I. (1077-95) und Koloman (1095-1114) wurde Kroatien, Slawonien und Dalmatien erobert; Geisa II. (1141-61) zog deutsche Kolonisten ins Land, die in noch größerer Menge zugleich mit italienischen unter Béla IV. (1235-70) nach dem Mongolensturm (1241) in das entvölkerte Land einwanderten. Mit Andreas III. (1290-1301) starben die männlichen Nachkommen Arpáds aus, und U. wurde Wahlreich. Auf Karl Robert von Anjou (1307-42) folgte Ludwig I. (1342-82), der 1370 auch König von Polen wurde und U. zu hoher Macht erhob. Durch seine Tochter Maria kam U. 1387 an den spätern deutschen Kaiser Sigismund; unter ihm begannen 1391 die Einfälle der Türken, die unter Herzog Albrechts V. von Österreich (1437-39; als deutscher König Albrecht II.) Sohn Ladislaus Posthumus (1440-57) der Gubernator des Reichs, Joh. Hunyadý, und sein zum König erwählter Sohn, Matthias Corvinus (1458-90), kräftig abwehrten. Aber infolge der schwachen Regierung des böhm. Königs Wladislaw II. (1490-1516) und seines Sohnes Ludwig II. (1516-26) kam nach der Schlacht bei Mohács (1526) ein Teil U.s unter türk. Herrschaft; um den Rest stritten sich die Gegenkönige Ferdinand von Österreich (Ferdinand I; 1526-64) und Joh. Zápolya, bis sich letzterer 1538 mit Siebenbürgen und einigen ungar. Komitaten begnügen mußte. Seitdem zerrütteten ununterbrochene Kämpfe mit den von den Türken unterstützten Fürsten von Siebenbürgen (Bethlen Gábor; Franz Rákóczy) und durch Protestantenverfolgungen veranlaßte Unruhen das Land; endlich erlangte das Haus Habsburg nach Besiegung der Türken 1688 auf dem Preßburger Reichstage die Erblichkeit der ungar. Krone und im Frieden von Karlowitz 1699 die Zurückgabe des von der Pforte bisher besetzten ungar. Gebietes und Siebenbürgens. 1739 erfolgte die noch jetzt bestehende Abgrenzung U.s im Süden durch den Frieden zu Belgrad. Maria Theresia regelte 1765 die Untertanenverhältnisse durch das sog. Urbarium; Josephs II. Reformmaßregeln riefen große Unzufriedenheit hervor und mußten 1790 größtenteils wieder aufgehoben werden. Das rücksichtslose, verfassungswidrige Vorgehen der österr. Regierung in U. rief seit 1825 eine nationale und liberale Opposition (Széchényi, Batthyányi, Kossuth) hervor, die eine neue Konstitution und ein selbständiges ungar. Ministerium erstrebte. Ihre Forderungen wurden nach dem Wiener Märzaufstand von 1848 seitens der Regierung bewilligt, erregten aber den Widerstand der dabei unberücksichtigten nichtmagyar. Völker; die Kroaten erklärten ihre Lostrennung von U. und schritten 11. Sept. unter Jellachich zum Kampfe. Unter Kossuths Vorsitz bildete sich ein Landesverteidigungsausschuß; die Ermordung des königl. Kommissars Grafen Lamberg auf der Pest-Ofener Brücke 28. Sept. war das Signal zum offenen Auflodern der Revolution. Die kaiserl. Armee unter Fürst Windisch-Grätz besetzte 5. Jan. 1849 Budapest und siegte 27. Febr. über Dembinski bei Kápolna; der neue ungar. Oberbefehlshaber Görgey schlug darauf die Österreicher mehrmals und eroberte 21. Mai Ofen. Als nun Kossuth den Reichstag zu dem Beschlusse fortriß, das Haus Habsburg-Lothringen des Throns für verlustig zu erklären und selbst als Präsident die Regierung übernahm, rief Österreich die Intervention Rußlands an. Das russ. Heer unter dem Oberbefehl von Paskewitsch drängte die Ungarn unter Bem aus Siebenbürgen, der kaiserl. General Haynau schlug sie 9. Aug. entscheidend bei Temesvár, worauf sich der zum Diktator ernannte Görgey den Russen bei Világos ergab. U. ward 1850 unter Abtrennung der Nebenländer Kroatien, Slawonien, Siebenbürgen ein Kronland der Österr. Monarchie. Die Notlage nach dem Ital. Kriege von 1859 zwang die Regierung in Wien zur Nachgiebigkeit; 20. Okt. 1860 wurde die alte ungar. Verfassung im wesentlichen wiederhergestellt. Die Ungarn, unter Führung Deáks, erstrebten aber völlige Wiederherstellung der Gesetze von 1848. Nachdem schon 20. Sept. 1865 die Februarverfassung (von 1860) des Reichs sistiert worden, führte der Krieg von 1866 die vollständige Erfüllung der ungar. Wünsche herbei. Unter dem Ministerium Beust erfolgte der Ausgleich mit U. (17. Febr. 1867); es erhielt die Nebenländer wieder, sein eigenes Ministerium (Andrássy erster ungar. Ministerpräsident), eine eigene Honvedarmee und Gleichstellung mit Österreich in allen gemeinsamen Angelegenheiten. 1868 kam es zum Ausgleich mit Kroatien. 1878 wurde eine neue wirtschaftliche Vereinbarung mit Zisleithanien zustande gebracht und der Ausgleich auf 10 J., 1888 abermals auf 10 J. erneuert. Seit der staatlichen Selbständigkeit U.s waren die Magyaren als herrschendes Volk bestrebt, das Land völlig zu magyarisieren. 1875-90 war Koloman Tisza Ministerpräsident, unter dem 1878 die Besetzung Bosniens stattfand. Ihm folgte 1890-92 Szapáry, 1892-94 Wekerle, der die Einführung der obligatorischen Zivilehe und ein Gesetz über die Religion der Kinder aus Mischehen durchsetzte. Am 14. Jan. 1895 bildete Bánffy ein neues Ministerium, das die kirchenpolit. Vorlage ganz durchsetzte. Als 1898 der neue Ausgleich mit Österreich verfassungsmäßig nicht zustande kam, verlängerte Bánffy den bisherigen Zustand durch Verordnung, was zu energischer Opposition der Minderheit im Reichstage führte. Da diese Opposition nicht zu beseitigen war, übernahm Koloman von Szell das Ministerium. Eine Einigung über den Ausgleich, die 1902 zwischen beiden Regierungen zustande kam, fand nicht die Zustimmung der Parlamente, vielmehr führte das Verlangen der Ungarn nach weiterer Magyarisierung der Armee zu neuen Zerwürfnissen und zur Obstruktion, so daß 14. Juni 1903 das Ministerium Szell zurücktrat, dem ein solches unter Graf Khuen-Héderváry und 31. Okt. ein neues unter Stephan Tisza folgte, der 10. März 1904 die Obstruktion brach. Doch führte sein gewaltsames Vorgehen bald zu neuem erfolgreichen Auftreten der Opposition und 1. Febr. 1905 zum Rücktritt des Kabinetts, dem erst 13. Juni ein neues unter Fejervary folgen konnte, das die Steuer- und Rekrutenverweigerung der Magyaren mit Auflösung des Reichstags (19. Febr. 1906) beantwortete. Da die Neuwahlen eine große Mehrheit für die Opposition ergaben, so berief der König aus deren Führern ein neues Ministerium unter Wekerle, dem er gestattete, den gemeinsamen [889] Zolltarif als autonomen ungarischen zu verkünden, wodurch die Lösung des Zoll- und Handelsbündnisses mit Österreich vorbereitet wird.

Literatur: Hunfalvy (Ethnographie, 1863-65, 1876, 1881); Schwicker, »Das Königreich U.« (1886); Pulsky (Altertumskunde, ungar., 1897); von Matlekovitz, »Das Königreich U.« (1900); Timon (Verfassungsgeschichte, 1904); zur Geschichte: Feßler (2. Aufl. 1867-83), Mailáth (2. Aufl. 1852-53), Szalay (deutsch 1866-75), Rogge (neueste Geschichte, 3 Bde., 1872-73).

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 889-890.
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889 | 890
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