Anmassung

[86] Anmassung oder Arroganz ist diejenige, im Betragen sichtbare Gesinnung eines Menschen, der mit übertriebener Schätzung seiner selbst auf eine beleidigende Art sein vermeintliches Ansehn geltend zu machen sucht. Entsprungen aus einer zu hohen Meinung von dem eignen, oft geringen, oft völlig mangelnden Werthe läßt ein solcher Sinn in seinem keck zuversichtlichen Benehmen durchleuchten, daß ihm fremdes Verdienst keine Achtung abgewinne. Insbesondere pflegt jungen Leuten ein solches Betragen eigen zu sein, indem sie in ihrem Eigendünkel die größere Einsicht, bewährtere Erfahrung und gereiftere Klugheit gänzlich übersehen, über Sachen, die sie nur halb verstanden oder auch gar nicht begriffen haben, vorlaut urtheilen und nicht nur gegen Ältere, Vornehmere und in allgemeiner Achtung Stehende, welche vielleicht von ihnen übersehen werden, sondern selbst gegen Diejenigen, welche in Hinsicht des Wissens und der Bildung weit über ihnen stehen, eine ungezogene Sprache führen und sich ungebührlich benehmen. Was das Sprichwort sagt: »das Ei will klüger sein als die Henne«, bezeichnet treffend den Anmaßenden, der sich sehr bald überall verhaßt macht und die Verachtung der Verständigen zuzieht. Selten wird man fehlen, wenn man hinter der größten Arroganz auch die größte geistige und gemüthliche Nichtigkeit vermuthet, denn Anmaßung ist die Decke, um die selbst gefühlte Unbedeutsamkeit zu verhüllen; hebt jedoch meist auch die Anerkennung des geringen Guten auf, welches dem Anmaßenden inwohnt. Um es kurz auszudrücken: Anmaßend ist Der, welcher sich etwas herausnimmt, was ihm von Rechtswegen nicht zukommt.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 86.
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