Färberröthe

[9] Färberröthe, auch Grapp oder Krapp, wird eine an den Küstengegenden Süddeutschlands, in Südeuropa und Kleinasien einheimische und in vielen Gegenden angebaute Pflanze genannt, deren mehre Jahre ausdauernde Wurzel ein vorzügliches Farbenmaterial liefert. Diese lange, kriechende Wurzel ist ästig und treibt hellblutrothe, gänsekieldicke Sprossen und mehre vierkantige und schwache, 2–3 Fuß lange Stengel, die am Grunde zwar aufrecht stehen, mit dem ästigen Theile aber niederliegen. Die lanzettförmigen Blätter stehen zu vier oder sechs quirlförmig um den Stengel und sind, wie die Kanten jenes, am Rande und auf der Mittelrippe mit kurzen Stachelchen besetzt. Die kleinen grünlichgelben Blumen bilden eine weitschweifige Rispe. Die Frucht besteht aus zwei kugeligen, miteinander vereinigten einsamigen Beeren und ist anfangs roth, gereist aber schwarz. Schon in den ältesten Zeiten wurde die Krappwurzel zum Färben benutzt. Durch eine angemessene Cultur gewinnt sie sehr an Farbestoff und ist in ihrem dritten Jahre am vortheilhaftesten aus der Erde zu nehmen. Sie wird dann gereinigt, von der braunen Oberhaut, die die Färber unter dem Namen gemeiner Krapp zur Blauküpe gebrauchen, befreit, an der Luft und im Backofen getrocknet und gemahlen. Sie gibt das schönste und haltbarste Roth, das durch verschiedene Behandlung und Zusätze vielfach verändert werden kann. Die feinste Sorte, welche Azala oder Lizari heißt, kommt aus Smyrna und soll von einer schwächern Pflanze, die man in der Levante baut, abstammen. Mit dieser Sorte wird das türkische Baumwollengarn gefärbt, und aus ihr werden auch seine Malerfarben, namentlich Krapplack, bereitet. Aber nicht allein die Wurzel, sondern auch die ganze Pflanze hat einen [9] so stark färbenden Saft, daß nicht nur alle Säfte der Thiere, die damit gefüttert werden, sondern auch die Knochen eine rothe Farbe erhalten. Deshalb und weil andere Farbegewächse diese Erscheinung nicht bieten, glaubten einige Ärzte ein kräftiges und direct auf die Mischung und Stärkung der Knochen wirkendes Mittel in ihr gefunden zu haben, und empfahlen ihre Anwendung gegen die englische Krankheit und andere Knochenkrankheiten; Andere leugneten nicht nur ihren Nutzen, sondern hielten sie sogar für schädlich, indem sie Störung der Verdauung und Abmagerung hervorbringe und die Knochen schwammig, mürbe und zerbrechlich mache. Jetzt wird sie nur wenig als Arzneimittel angewendet. So vielfach die Krappwurzel auch von Chemikern untersucht worden ist, so ist man doch nicht hinlänglich mit ihren Bestandtheilen bekannt. Nach den neuesten Untersuchungen von Kuhlmann und Zenneck enthält sie zwei Farbestoffe, deren einer Alizarin, der andere Xanthin genannt wird. Das Xanthin soll die Baumwolle sehr feurig orangeroth färben, das Alizarin mehr eine violette und bläulichrothe Farbe hervorbringen. Das hochrothe türkische Garn enthält beide Farbestoffe, das violette aber nur das Alizarin.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 9-10.
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