Kaschmirziege

Kaschmirziege

[572] Kaschmirziege (die) ist eine in Kaschmir und in einer kleinern Gattung auch in Tibet einheimische Ziege, welche sich durch die Feinheit ihrer Wolle auszeichnet.

Sie wird drei Fuß lang und zwei Fuß hoch, hat platte, halbgewundene, rückwärtsstehende und mit der Spitze weiter aufwärts gebogene Hörner. Am Kopf und Hals ist sie schwarz, übrigens aber weiß; doch kommen in der Färbung auch mancherlei Abweichungen vor. Ihre Haare sind lang, glatt, fein, seidenartig glänzend und herabhängend. Unter diesen Haaren liegt aber noch eine äußerst seine, zarte, flaumenartige Wolle. Aus dieser letztern werden die berühmten Kaschmirshawls verfertigt. Im Frühjahre, kurz vorher ehe die wärmere Jahreszeit einfällt, werden die Ziegen geschoren, und von der seinen Wolle werden die langen seidenartigen Haare sorgfältig gesondert. Hierauf wird die Wolle in einer warmen Auflösung von Potasche und darauf in reinem Wasser gewaschen, wobei darauf gesehen werden muß, daß sie sich nicht filzt. Dann wird sie gebleicht und gekrempelt. Dreimal wird die zu den Shawls bestimmte Wolle gefärbt: erst vor dem Krempeln, dann nach dem Spinnen und endlich im Shawl. Beim Spinnen der Wolle bedient man sich einer eignen Spindel, die aus einer Thonkugel mit Eisendraht besteht, und der Spinner erhält seine Finger durch Specksteinpulver geschmeidig. Man braucht drei bis fünf Pfund Wolle zu einem Shawl, und an einem einzigen großen Shawl wird oft von drei Arbeitern über ein Jahr gearbeitet. Ein echter Kaschmirshawl von der besten Qualität ist trotz seiner Größe so äußerst sein, daß er durch einen Fingerring gezogen werden kann. Die Verarbeitung der Wolle zu Shawls geschieht nur in Kaschmir, indem von hier aus die tibet. Wolle aufgekauft wird. Ein Shawl kostet zuweilen über 1000 Thlr. Der um die französ. Industrie hochverdiente Baron Ternaux ließ 1820 in K. über 1200 Ziegen aufkaufen, von welchen über 400 glücklich nach Frankreich kamen und sich hier gut gehalten, auch fortgepflanzt haben. [572] Seitdem hat man unter dem Namen Ternaux-Shawls Fabrikate geliefert, welche in Bezug auf Lebhaftigkeit der Farben vor den Kaschmirshawls noch den Vorzug haben und weit billiger als diese sind.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 572-573.
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