Kleinkinderschulen

[613] Kleinkinderschulen heißen die in neuerer Zeit in den meisten gebildeten Staaten wenigstens an einzelnen Orten eingerichteten Bewahranstalten für Kinder im zartesten Alter, in welche diese von armen Ältern gebracht werden, weil sie selbst außer ihren Wohnungen beschäftigt und daher nicht im Stande sind, für die Bewachung und Erziehung der Kinder hinreichend zu sorgen. Gewöhnlich haben wohlwollende gebildete Frauen sich vereinigt, um die Kinder zu beaufsichtigen, zu unterhalten und soweit es ihre jugendlichen Kräfte erlauben, zu belehren. Der Zweck dieser Anstalten ist, der körperlichen und geistigen Verwahrlosung armer Kinder, welche sich den Tag über allein überlassen sind, vorzubeugen. Nicht allein wirken diese Anstalten segensreich für die Kinder selbst und deren Ältern, sondern auch der ganze Staat muß aus ihrem Wirken die erfreulichsten Früchte ziehen, indem dieselben jedenfalls die Anzahl der Verbrecher vermindern werden, insofern als die meisten Verbrechen aus Verwahrlosung in der Kindheit entspringen. Auch die Verarmung im Volke wird vermindert werden, da aus Kindern, welche frühzeitig Thätigkeit lieben und nützliche Kenntnisse schätzen gelernt haben, wahrscheinlich auch arbeitsame Mitglieder der menschlichen Gesellschaft erwachsen. Die erste, Bewahranstalt für kleine Kinder wurde von der verstorbenen Fürstin Pauline von Lippe-Detmold 1802 zu Detmold gestiftet, und diese Anstalt besteht noch. In England wurden diese Anstalten zuerst in großem Maßstabe ausgeführt, so daß dieselben dort allgemein verbreitet sind. In den Vereinigten Staaten Nordamerikas, in Frankreich, Östreich, Preußen und in andern deutschen Staaten sind nach dem Beispiele Englands immer mehr solche Anstalten entstanden. Lesenswerth ist in Bezug auf die Kleinkinderschulen die Schrift von Schuch: »Die Kleinkinderschule als ein wichtiger Anfang von Unterricht und Lebensbildung« (Heidelb. 1834).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 613.
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