Ahlefeld, Charlotte von

[114] Ahlefeld, Charlotte von, geb. von Seebach, eine unserer beliebten Schriftstellerinnen, die theils unter dem Namen Elise Selbig, Natalie oder unter der Chiffer C. namentlich der weiblichen Lesewelt vortheilhaft bekannt ist. Mehrere ihrer besten Erzeugnisse sind anonym erschienen. Sie wurde 1781 zu Stedten bei Weimar geboren, und vermählte sich 1798 mit dem holstein'schen Gutsbesitzer J. R. v. Ahlefeld. Schon in ihrem zehnten Jahre versuchte sie sich in schriftstellerischen Aufsätzen, welchen Goethe einen aufmunternden Beifall schenkte. Ihr Roman »Liebe und Trennung« wurde in ihrem 16. Jahre geschrieben; später gab sie, von Woltmann[114] aufgefordert, unter dem Namen Natalie ihre Gedichte heraus, welche beim Publikum und den Kritikern eine gleich beifällige und ehrenvolle Aufnahme fanden. Sie lebte an der Seite ihres Gemahls auf dessen Gütern im Holstein'schen, unsern der Ostsee, machte einige Reisen durch Deutschland, die Schweiz und Oestreich, worüber sie lesenswerthe Tagebücher dem Drucke übergab und hat seit mehreren Jahren Weimar zu ihrem Aufenthaltsorte gewählt. Ihre späteren, noch jetzt sehr beliebten Romane: »Erna,« »Felicitas,« »Die Stiefsöhne,« »Römhildstift« etc. entstanden größtentheils in der romantischen Einsamkeit der Seeufer oder in dem reizenden Weimar, das damals noch der Sitz alles Großen und Schönen war. Den Erlös ihrer schriftstellerischen Arbeiten verwendet sie mit vieler Uneigennützigkeit zur Erziehung und Heranbildung einiger Pflegempfohlenen, denen sie aus dem edelsten Drange eine zweite Mutter geworden, so wie die Armen Weimars durch ihre einflußreiche Fürsprache in ihr eine milde Wohlthäterin verehren, die mit seltener Bescheidenheit im Stillen wirkt. Ihre Schriften zeichnen sich durch einen korrekten, klaren Styl, Einfachheit der Erfindung, Wärme des Gefühls, Natürlichkeit und Entfernung von aller Bizarrerie, welche man leider vielen Dichterinnen der neuern Zeit vorwerfen muß, vortheilhaft aus. Edle, zarte Weiblichkeit und innige Religiosität bilden die Grundlage und die hervortretendsten Züge in ihren Darstellungen. Ihr Talent, weniger glänzend als anziehend, offenbart sich auch in einer Vielseitigkeit der Darstellung, wovon ihre Reiseskizzen Beweis liefern. Ihre Popularität und Anerkennung wäre größer, wenn sie unter einem bestimmten Namen weniger schüchtern aufgetreten wäre, und durch Beibehaltung derselben Schriftstellerfirma offen auf jene Anspruch gemacht hätte.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 1. Leipzig 1834, S. 114-115.
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