Stillen

[428] Stillen. Mit großer Weisheit pflanzte der Weltenschöpfer den mächtigen Drang der Liebe in das Mutterherz, stattete die Handlung des S's selbst mit einem hohen Gefühle geistiger und körperlicher Wonne aus, die ehrwürdig lieblich aus den Augen einer liebend stillenden Mutter glänzt, erhob es so zum Triumph der Mutterliebe und strafte die Unterlassung mit mancherlei Schmerz (s. Amme).[428] Mit gleicher Weisheit richtete er den Quell einer passenden Nahrung an demselben Körper und aus denselben Säften ein, welche den Keim und die Ausbildung des Kindes erzeugt und genährt haben, damit dem armen Kinde nicht vielleicht ganz zweckwidrige Nahrungsmittel gereicht werden möchten. Zugleich besitzt die in der ersten Zeit noch schwache Muttermilch abführende Kräfte, damit der Körper des Kindes gereinigt und gekühlt werde. – Während des S's muß sich die Mutter in möglichster Gemüthsruhe erhalten, da alle widrige Leidenschaften auch nachtheilig auf die Milchabsonderung wirken. Diese letztere ist schon in der letzten Periode der Schwangerschaft vorbereitet, und noch während der ersten 24 Stunden nach der Geburt enthalten die Brüste eine dünne, molkenähnliche Milch (colostrum), und zwar um so früher, je eher das Kind angelegt wird und dieses auch wirklich saugt. Doch erst den zweiten oder dritten Tag kommt die Milchabsonderung gehörig in Gang und die Milch wird dann erst wahrhaft consistent und nahrhaft. Gewöhnlich ist dieser Beitritt der Milch in die Brüste mit einiger Anspannung, oft auch mit fieberhaften BewegungenMilchfieber – begleitet, das jedoch nicht wesentlich ist, und wo es sehr merklich erscheint, oft blos eine Folge anderer zusammenwirkender Einflüsse ist. In dem eigentlichen Kindbetterinfieber erleidet die Milchabsonderung ebenfalls Störungen, und leicht entstehen dann Versetzungen milchartiger Feuchtigkeiten im Unterleibe, mit häufig tödtlichem Ausgang. – Die Dauer des Säugungsgeschäftes richtet sich hauptsächlich nach dem Befinden des Kindes; doch sollte es nicht leicht vor 16 Wochen entwöhnt (s. Entwöhnen) werden. Am besten wird schon nach einigen Wochen das Kind auch durch andere, ihm nebenbei gegebene leichte Nahrung darauf vorbereitet, die Muttermilch nicht weiter zu bedürfen. – Die beste, stellvertretende Nahrung der Muttermilch sind gewiß die Molken, oder auch laues Zuckerwasser und ein ganz leichter Kamillen- oder Fenchelthee mit einem Zusatze von Zucker.[429]

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 428-430.
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