[423] Ball. Ein gesellschaftlicher Tanzverein. Man leitet diesen Ausdruck von dem italienischen ballare tanzen, ballo Tanzgesellschaft, und dem französischen bal ab, was allerdings wahrscheinlicher ist als die Erklärung Nachtigall's, (in seinen Volkssagen von Otmar, [423] Bremen 1800), worin er sich bemüht, den Namen Ball aus einer alten niederdeutschen Sitte herzuleiten, die darin bestand, daß die jungen Mädchen zum Osterfest denjenigen Frauen, auf deren Hochzeit sie getanzt, einen mit Wolle oder Federn gefüllten Ball überreichten. Nachdem dieser auf einer geschmückten Stange durch's Dorf getragen war, wurde er einer jungen Frau in's Haus gebracht, oder vor demselben aufgepflanzt, welcher Actus sie verpflichtete, der auf eigene Kosten schmausenden Gesellschaft nebst ihren Liebhabern freie Musik zum Tanzen zu geben. So viele junge Eheleute, so viele Male wurde der Ball weiter getragen und immer dabei getanzt. Die Benennung Ball für Tanzfest ist ohne Zweifel französischen, und zwar neuern Ursprungs, indem der Tanz bei den Alten nur gymnastischer oder theatralischer Art war, keineswegs bloß zur Belustigung und von der Beschaffenheit, wie er jetzt in allen Ländern einheimisch geworden ist. Die Franzosen haben es in der eigentlichen höhern Tanzkunst (s. Ballet) unstreitig am weitesten gebracht; und das Zeitalter Ludwig's des XIV., welches dem ganzen übrigen civilisirten Europa ein Vorbild des guten Geschmacks wurde, gab den schon bestehenden Tanzfesten mit dem neuen Namen Ball auch eine neue Einrichtung, die sich bald durch die vielen ausgewanderten französischen Tanzmeister in alle Welt verbreitete. Es ist der jetzige Ball für die Jugend beiderlei Geschlechts das angenehmste, angemessenste gesellschaftliche Vergnügen, welches, wenn nicht im Uebermaß genossen, Freude in der Erwartung, Freude in der Wirklichkeit und Freude in der Erinnerung gewährt. Man ist in unsern Tagen mit diesem Ausdrucke sehr liberal geworden, und nennt jede größere oder kleinere Gesellschaft, in welcher nach dem Klavier getanzt wird, einen Ball; jedoch verdient diesen Namen eigentlich nur eine zu dem bestimmten Zwecke des Tanzens eingeladene, ballmäßig costümirte Versammlung, (s. Ballanzug) in einem großen, wohlerleuchteten Lokal, mit Orchestermusik, Ball- oder Tanzordnung und andern feststehenden[424] Bedingungen und Vorschriften. Auf diese Weise, nur mit kleinen Abänderungen, hinsichtlich der Tageszeit, der reichlichern oder sparsamern Bewirthung, vollern oder einfachern Musik, größern und geringern Eleganz der Tänzer und Tänzerinnen, finden wir den gewöhnlichen Ball in allen civilisirten Ländern; die Hauptverschiedenheit besteht größtentheils in den Tänzen, deren jedes Land seine eigenthümlichen hat, die vorzüglich an der Tagesordnung sind, während fremde Nationaltänze, wie z. B. auf deutschen Bällen die Polonaisen, Quadrillen, Contretänze, Cotillons u. s. w., nur zur Abwechslung getanzt werden. Der Ball als Tanzverein zerfällt in mehrere Abtheilungen, von denen wir hier einige in der Kürze anführen wollen. Bal masqué (Maskenball, auch Redoute) macht einen wesentlichen Theil der, aus den Zeiten der römischen Saturnalien abstammenden Carnevalsbelustigungen aus. Hierzu gab der französische Hof im vierzehnten Jahrhundert den Ton an, und dieses Vergnügen dem größern Publikum zugänglich zu machen, erfand ein Mönch die Einrichtung, Schauspielhäuser durch Hinaufschrauben des Parterre in Redoutensäle umzuwandeln. Der bal masqué besteht aus einer Gesellschaft maskirter Personen, theils im Domino, theils in Charaktermasken, (s. Maskenball), und das Tanzen ist hier nicht so sehr Hauptsache, wie auf gewöhnlichen Bällen. Bal paré hieß im sechzehnten und siebenzehnten Jahrhundert jeder Hofball, der sich, vielleicht wegen Anwesenheit hoher Gäste oder wegen sonstiger Feierlichkeiten, durch besondere Ceremonien und der steten Gegenwart eines eigens dazu ernannten Tanzmeisters auszeichnete. Jetzt nennt man jeden aus den vornehmsten Ständen bestehenden Ball, der sich durch besondere Eleganz in der parure hervorthut, bal paré. Oeffentliche Bälle nennt man alle solche, die in einem bestimmten Lokal auf Kosten eines Unternehmers oder Wirthes gegeben werden, und wozu Jeder, der darauf Anspruch machen kann, in anständiger Gesellschaft zu erscheinen, den Eintritt für Bezahlung und unter den Bedingungen[425] der Ballstatuten erhält. Diese sind natürlich die gemischtesten. Privatball heißt derjenige Ball, den eine Privatperson oder eine kleine geschlossene Gesellschaft auf eigene Kosten giebt und Gäste als Theilnehmende dazu einladet. Endlich Kinderball, wobei, wie aus dem Namen hervorgeht, nur Kinder thätigen Antheil nehmen. Jetzt sind übrigens die Bälle in allen Ständen, Classen und Altern so herkömmlich, daß man selbst in den kleinsten Städten eine Menge verschiedenartiger öffentlicher Balle findet. Auf den Dörfern heißt es bis jetzt noch zu Tanze gehen; wer weiß jedoch, wie bald auch dort die Bälle so eingeführt sein werden?
L. M.