Ball [2]

[304] Ball (v. ital. ballo, »Tanz«), Versammlung einer Gesellschaft beiderlei Geschlechts zu festlichem Tanz, durch mehr Glanz, strengere Etikette und längere Dauer vom The dansant unterschieden. Die Bälle gehören zu den gesellschaftlichen Vergnügungen der neuern Zeit: bei den alten Völkern, wo die Stellung des weiblichen Geschlechts eine von der modernen abweichende war, gab es keine Bälle. Auch das frühere Mittelalter kennt sie nicht, obwohl an kirchlichen Festen viel getanzt wurde, auch von beiden Geschlechtern[304] gemeinschaftlich. In Italien wurde im 14. Jahrh. der kunstgemäße Tanz auf dem Theater heimisch (Ballett), später entwickelte er sich als geselliges Vergnügen zum eigentlichen B. So wurde Ludwig XII. von Frankreich zu Chren bei seiner Anwesenheit in Mailand ein B. gegeben, an dem selbst Kardinäle als Tänzer teilnahmen. In Frankreich wurde der erste B., von dem wir Kunde haben, 1385 zu Amiens bei der Vermählung Karls VI. mit Isabella von Bayern veranstaltet. Später tat Katharina von Medici viel zur Ausbildung der Bälle, die auch den Damen durch eine freiere Bekleidung Gelegenheit gab, ihre Reize den Tänzern zu offenbaren. Bald wurden auch die Maskeraden (balsen masque) gewöhnlich und die Nationaltänze aller Provinzen auf den Pariser Hofbällen nachgeahmt. Von Frankreich verbreiteten sich die Bälle über das übrige Europa, wo fortan die Hofbälle zu den wesentlichen Erfordernissen bei allen feierlichen Gelegenheiten am Hof gehörten; sie hießen anfangs Zeremonienbälle, weil sie nach einem vorgeschriebenen Zeremoniell angeordnet wurden. Diese Bälle waren stets auch sogen. Bals parés (»geputzte Bälle«), weil sie eine vorzüglich ausgesuchte Parure der Teilnehmer erheischten. In neuerer Zeit hat sich die Balletikette überall sehr vereinfacht. Die Hofbälle werden jetzt durch die höchsten Personen mit der Polonaise (Rundgang) eröffnet, die Tänze beschäftigen viele Tänzer und Tänzerinnen auf einmal, der lästige Zwang ist größtenteils verschwunden. Früher wurden zu jedem Bal paré kurze Beinkleider und seidene Strümpfe mit Frack verlangt. Um die Mitte des 19. Jahrh. wurde es bei Militärs Mode, in der Dienstuniform zu erscheinen, später beim Zivil in langen Beinkleidern, obwohl noch in Schuhen und Strümpfen. Kaiser Wilhelm II. führte die Sitte, Strümpfe und Schuhe (escarpins) zu tragen, für das Zivil auf den Berliner Hofbällen wieder ein. Öffentliche Bälle, deren Teilnehmer um Eintrittskarten schriftlich nachsuchen und sie auf ihre Namen ausgefertigt erhalten, heißen Subskriptionsbälle. Von Frankreich sind auch die Bals champêtres, sommerliche Tanzvergnügungen im Freien, ausgegangen. Vgl. M. L. Becker, Der Tanz (Leipz. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 304-305.
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