[489] Bekleidung, ein Wort von mannichfacher Bedeutung, bezeichnet in der gewöhnlichsten diejenigen Kleidungsstücke, die zum Anzug erforderlich sind. Woraus sie besteht, aus welchen einzelnen Theilen und Stücken, gehört in die Artikel Kleidung, Tracht. Es sei uns erlaubt, die weibliche Bekleidung aus einem höhern Gesichtspunkte zu betrachten, zu untersuchen, welchen äußern Einflüssen sie unterworfen ist, welche Eigenschaften und Charakterzüge sich durch sie aussprechen, in wiefern sie auf das körperliche Wohl und Wehe einwirkt. Die Mode, diese größte Tyrannin der Welt, äußert sich vielleicht nirgends despotischer als in der Art und Weise sich zu kleiden, und wir sehen ihr oft bis zur Uebertreibung gehuldigt. Wo dieß ohne Zuziehung des guten Geschmackes, ohne Berücksichtigung des Alters, des Aeußern und mancher andern Zufälligkeiten geschieht, fühlt man sich zu dem ungünstigen Urtheil veranlaßt, ein solches wanderndes Modejournal für eitel, geschmacklos[489] und thöricht zu erklären. Ein wahrhaft guter Geschmack weiß zu sondern, dasjenige aus den vorgeschriebenen Gesetzen zu erwählen, was zur Gestalt, zur Farbe von Haar und Augen, vor allen Dingen zu den Jahren paßt; und die beschränktesten Umstände können, wo richtiger Sinn und Gefühl herrschen, der weiblichen Bekleidung einen Stempel aufdrücken, welcher gleich frei von Modethorheit und gesuchter Einfachheit ist. Wie sehr sich das Gefühl für Anstand und Sittlichkeit in der weiblichen Bekleidung ausspricht, muß einem Jeglichen einleuchten, und nie kann und darf die Mode als Entschuldigung für unschickliche Entblößung, übertriebene Kürze und ähnliche anstandswidrige Vorschriften gelten. Aber auch der Sinn für Sparsamkeit oder Verschwendung offenbart sich in der weiblichen Bekleidung, und die Sucht, jeder Mode zu folgen, alles Neue, jeden Wechsel an sich zu produciren, verräth neben Wankelmuth und Liebe zur Veränderung auch einen Hang zur Verschwendung, der nur zu leicht ausartet und zum Verderben führt. Und endlich ist es nicht zu läugnen, daß die weibliche Bekleidung den größten Einfluß auf die Gesundheit ausübt, indem sie beengend, Blut hemmend und erkältend auf den Körper einwirken, und die nachtheiligsten Folgen hervorbringen kann.
L. M.