Caraiben

[275] Caraiben, ein wilder, amerikanischer Völkerstamm, der auf den kleinen Antillen jetzt zerstreut lebt und bei der Entdeckung Amerika's so mächtig war, daß er den Europäern vielfachen Widerstand leistete. Sie sind ein hochgebauter, kräftiger Menschenschlag, von olivenbrauner Hautfarbe, sprechenden Physiognomien, schwarzen, blitzenden Augen, rachsüchtig und mordlustig. Sie betrachten die Stämme der Kabres und Aruacas des Festlandes als ihre uralten Nationalfeinde, und führen immerwährende Vernichtungskriege gegen[275] dieselben. Im Gefechte bedienen sie sich vergifteter Pfeile und schwerer Streitkolben. – Ihre Anzahl auf den Inseln vermindert sich aber von Jahr zu Jahr, dagegen leben 36,000 unter Missionären in Coloniedörfern auf dem Festland in Neu-Barcellona und Guyana; 5000 führen noch ein unabhängiges Jäger- und Räuberleben an den Quellen des Essequebo und Rio Branco. Jene sind durch die Bemühungen der Geistlichen der Cultur näher gebracht worden, treiben Ackerbau und Fischfang, stehen unter Governadoren und Alcalden ihrer Nation, welche von den Mönchen gewählt werden und ihrem Einfluß ergeben sind. Diese Vorgesetzten zeichnen sich, nach Alexander von Humboldt, in den Volksversammlungen als Redner aus, und so wenig noch im Ganzen ihre Cultur vorgeschritten ist, bezeichnet sie doch Alles als ein geistreiches Volk, das vermöge seiner Anlagen der höchsten Ausbildung fähig ist. – Früher hegte man die Meinung, sie wären Menschenfresser; dem wird jedoch von den Franziskanern in den Missionen auf's Bestimmteste widersprochen. Eine seltsame Sitte herrscht bei ihnen: Wenn nämlich die Frau ein Kind geboren hat, bleibt der Caraibe in der Hängematte liegen und fastet. In ihrem wilden Zustande beschäftigen sie sich nur mit Krieg und Jagd, während den Weibern die Sorge für den Feldbau und jede eigentliche Arbeit obliegt. Ihre Priester sind zugleich Zauberer und Aerzte; sie glauben an ein böses und an ein gutes höchstes Wesen, und an eine Fortdauer, bereiten aus Pisang oder Bananas ein berauschendes Getränk und haben Knotenschnüre zum Rechnen und Zählen. – Im Uebrigen ist ihr Benehmen stolz, kalt, abgemessen; sie sind unerschrocken, gegen Schmerzen unempfindlich, und ausdauernd tapfer.

–n.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 275-276.
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