[290] Caschmirshawl Der kostbare und theure Gegenstand der heißesten Wünsche einer eleganten Dame stammt aus dem schönen Lande, welches wir so eben geschildert. Jede Ziege liefert jährlich zwei Pfund Flaum, dieser wird sorgfältig von den Haaren geschieden, und mehrere Male mit Reisstärke gewaschen. Die[290] Caschmirer selbst schreiben die unnachahmliche Feinheit ihres Fabrikats den Eigenschaften des Wassers ihres Thales zu. Das Pfund der besten rohen Wolle kostet eine Rupie, bei der Zubereitung geht die Hälfte verloren; wenn sie gesponnen ist, kosten 3 Rupien Gewicht eine Rupie. Eine Werkstatt kann mit einem Shawl, wenn er ausgezeichnet schön sein soll, über ein Jahr beschäftigt sein, während andere Werkstätten 68 verfertigen. Von den besten und buntesten machen drei Leute im Tage nicht einen Viertelzoll fertig. Shawls, die viele Figuren enthalten, werden auf verschiedenen Webstühlen verfertigt. Die Werkstätten bestehen aus einem Rahmen, vor welchem die Arbeiter auf einer Bank sitzen. Sie bedienen sich eines langen, schmalen, aber schweren Weberschiffchens. Nach Verhältniß der Menge Figuren schreitet die Arbeit langsam fort. Ein Aufseher beschreibt den Arbeitern die Figuren, die Farben und Fäden, die sie gebrauchen müssen, und hat während dem das neue Muster auf dem Papiere gezeichnet vor sich. Bei der Arbeit ist die rauhe Seite zu oberst, doch versieht sich der Aufseher nie in der Regelmäßigkeit der buntesten Muster. Ein Kaufmann, der große Geschäfte im Shawlhandel macht, nimmt gleich eine Zahl von Werkstätten an, die er an einem Ort unter seinen Augen vereinigt, oder er versieht die Hauptarbeiter mit Garn, das vorher von den Weibern gesponnen und gefärbt worden ist, belehrt sie über die Güte der Waare, über die Farbe, das Muster etc., und sie verrichten die Arbeit zu Hause. Ist ein Stück fertig, so muß es der Kaufmann auf's Zollamt bringen, wo es gestempelt und eine gewisse Abgabe davon, je nach dem Werthe der Waare, bezahlt wird, die jedoch übermäßig groß ist. Die meisten Shawls werden ungewaschen ausgeführt. Jährlich werden an 80,000 verfertigt. Die nach der Türkei gehenden pflegen vom feinsten und zartesten Gewebe zu sein. Man macht auch von demselben, aber geringern Stoffe, gestreifte Zeuge zu Kleidern, geblümte und glatte Strümpfe, Handschuhe und jene Schumla genannten [291] Gürtel. Aus den Haaren oder geringern Theilen der Wolle werden Teppiche oder Bettdecken verfertigt. Der Werth der sämmtlichen Shawls, welche jährlich von Caschmir ausgeführt werden, beläuft sich im Durchschnitt auf 1,800,000 Rupien. Durch die verschiedenen Auflagen von Caschmir bis Bombay wird der Preis der Shawls außerordentlich erhöht, weßhalb Einer von der ersten feinsten Sorte in Europa eine ungeheure Summe kostet. Nicht die Feinheit und das Dessin des Gewebes allein, sondern auch die Seltenheit und der hohe Preis ist es, weßhalb die Europäerin vor Sehnsucht brennt, dies theure Erzeugniß des fernen Asiens zu besitzen.