Cook, Mildred

[490] Cook, Mildred. Kein Land, wie England, war im 16. Jahrhundert so reich an gelehrten Damen. Das schöne Geschlecht schien damals zu glauben, das Studium des Lateinischen und Griechischen ertheile den natürlichen Reizen einer Frau einen höhern Werth, und der feinern Bildung war die Kenntniß des Plato und [490] Aristoteles in der Ursprache fast unerläßlich. Englands große Königin, Elisabeth, leuchtete ihren Zeitgenossinnen als Vorbild dieses hohen Grades geistiger Ausbildung voran, und von der schönen und unglücklichen Gray wissen wir, daß ihre Bekanntschaft mit den alten Classikern keine oberflächliche war. Miß Mildred Cook wurde 1526 zu Giddy-Hall in Essex geboren und erhielt von ihrem Vater, Sir Anton Cook, die sorgfältigste Erziehung. Ausgestattet mit Wißbegierde, Scharfsinn und einem außerordentlichen Gedächtnisse, glänzte sie schon in zarter Jugend als ein Muster der Gelehrsamkeit. Mit diesen geistigen Fähigkeiten verband sie die trefflichsten des Herzens: Anmuth, Liebenswürdigkeit, einen frommen Sinn und Mildthätigkeit. Natürlich war es, daß eine Jungfrau, mit solchen Gaben ausgestattet, bald die Blicke würdiger und vornehmer Freier auf sich ziehen mußte. Und so wurde auch Miß Mildred in ihrem 20. Jahre die Gattin des Großschatzmeisters von England, William Cecil, Lord Burleigh, eines der mächtigsten Männer seiner Zeit, der unsern Leserinnen aus Schiller's »Maria Stuart« bekannt ist. Sie gebar ihrem Gemahl mehrere Töchter und auch einen Sohn, die sich mit Sprößlingen der vornehmsten englischen Familien vermählten. Nach einer langen und glücklichen Ehe starb sie 1589 im 63. Jahre ihres Alters und wurde in der Westmünster-Abtei begraben, wo ein prächtiges Denkmal ihre Ruhestätte schmückt. Lady B. war nicht nur des Griechischen und Lateinischen in dem Grade mächtig, daß sie die Schriften des Basilius, Chrysostomus, Cyrillus etc. in der Ursprache las und Einzelnes in's Englische übersetzte, sondern sie besaß auch Kenntnisse in der Politik und andern ernsten Wissenschaften. Ihre Briefe sind gesammelt erschienen und geben einen hohen Begriff von dem Geiste und den Kenntnissen dieser merkwürdigen Frau.

–n.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 490-491.
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