[487] Gouvernante, im eigentlichen, wiewohl oft mißverstandnen Sinne, eine Erzieherin, welche entweder, wie in den höchsten Häusern, den Unterricht der ihr anvertrauten Zöglinge leitet, oder auch, und zwar meistens, viele Lehrstunden selbst ertheilt und deßhalb himmelweit von der Bonne, die leider noch Viele damit verwechseln, unterschiede werden muß. Letzteren liegt in Frankreich (das Vaterland der Bonnen) lediglich die körperliche Pflege[487] und Beaufsichtigung der Kinder ob, und man sagt dort ganz ruhig: ma bonne, bürste dem Kinde die Schuhe, ma bonne, zieh' das Kind aus u. s. w. In Deutschland lehren sie ihre Sprache schwatzen, und sind eben nur französische Kindermuhmen, die sich aber gar viel einbilden, da manche Familien eine Schweizerin oder Französin unbedingt über die deutsche Erzieherin, die oftmals die Regeln der fremden Sprache weit besser kennt, als die gemein erzogne Ausländerin, setzen, eben weil sie nur eine Deutsche ist. Der Nutzen der Bonnen für sehr kleine Kinder, denen sie das französisch Sprechen leicht lehren, ist indessen in dieser Hinsicht keineswegs zu verkennen, nur sollte mit dem 9. Jahre spätestens allemal eine deutsche Gouvernante an ihre Stelle treten. Viele von diesen ertheilen den gewöhnlichen Normalunterricht, was besonders auf dem Lande, in Häusern, wo keine Söhne sind, den Hauslehrer entbehrlich macht. Musik- und Gesangunterricht fehlt bei den Gebildetsten eben so wenig, und wie selten findet man dieß Alles auch bei den französischen Gouvernanten vereint, der Bonnen noch gar nicht zu gedenken, so wie der ziemlich seichten Moral, die gewöhnlich Beiden gemein ist. Jedem jungen Mädchen übrigens, das sich zu dem ernsten, nichts weniger als leichten Berufe des Erziehungsfachs vorbereitet und dabei nicht das ganz Alltägliche vor Augen hat, was es unfehlbar in die Bonnenkategorie setzt, sei freundlich gerathen, neben der französischen Sprache ja auch die, gegenwärtig zu einer höhern Anstellung durchaus erforderliche englische zu studiren und sich vom Wohlklange der italienischen nicht weiter abziehen zu lassen, als das zu erlernen, was man zum Verstehen der musikalischen Bezeichnungen und der Operntexte bedarf. Damit verbinde sie eine genaue Aufmerksamkeit auf ihr Aeußeres, ohne in Putzsucht oder Koketterie auszuarten. Es gibt eine einfache Eleganz, die alles Auffallende, unpassende Bewegungen, schreiende Farben in der Kleidung u. s. f. verwirft und der schönste Schmuck ist, diese aber verlangt jede gebildete Familie bei ihrer Umgebung in Harmonie[488] mit den Talenten, und diese gerade ist es, welche die Französinnen fast immer, die Deutschen so selten besitzen. Solide Kenntnisse in der Geschichte, Geographie, Naturgeschichte, Frauenarbeiten u. s. w. werden bei einer Gouvernante vorausgesetzt, das schöne und so unendlich nützliche Talent des Zeichnens und Malens von Blumen und Landschaften (Köpfe-Studien nützen weniger und führen Frauen fast niemals zu etwas Tüchtigem) sollte sie immer begleiten; denn es ist vorzugsweise dieses, was so viel kleine, das Leben erheiternde Gefälligkeiten möglich macht, es bringt Freude wie Freunde, da hingegen Virtuosität auf irgend einem Instrument, eine übrigens köstliche Mitgabe, nur mit Umsicht von einer Lehrerin geübt werden darf, da sie ihr leicht Neider anstatt Bewunderer zuzieht, wenn sie im Salon vor ihren Schülerinnen damit glänzen wollte.
F.