Guimard, Marie Madeleine

[75] Guimard, Marie Madeleine, die berühmteste Tänzerin Frankreichs, der vielleicht nur die Taglioni (s. d.) an die Seite gesetzt werden darf, war am 10. October 1743 in Paris geboren. Wenige Jahre, welche sie als Mitglied der Académie royale de musique zubrachte, reichten hin, ihr außerordentliches Talent auf das Glänzendste zu entwickeln und ihren Ruhm zu begründen. Trotz dem, daß Demoiselle Guimard häßlich, schwarz, und von den Blattern ganz entstellt war, trugen ihre Grazie, der Ausdruck und die unerschöpfliche Verschiedenheit ihrer Bewegungen über die Bestrebungen aller Nebenbuhlerinnen den Sieg davon. Sie wurde die erklärte Geliebte des Prinzen von Soubise, der ihr einen prächtigen Palast baute, welcher viele Jahre hindurch der Schauplatz der ausgesuchtesten und verworfensten Vergnügungen war, und wo von ihr und ihren Tänzerinnen unerhörte Summen verschwendet wurden. Der Uebermuth und die Frechheit der Guimard gingen so weit, daß sie eine Pension von 1500 Franks, die ihr der König dafür aussetzte, daß sie ein Mal bei der Dubarry getanzt hatte, als Gehalt[75] ihrem Lichtputzer anwies. Eine zweite Aspasia (s. d.) trieb sie die Feste des Vergnügens und der Wollust zu einem Grade der Verfeinerung, der allen Glauben übersteigt, und der nur dadurch möglich wurde, daß ihr Haus in der Chaussée d'Autin der Sammelplatz der höchsten Gesellschaften des Hofes, ja selbst der Prinzen des königlichen Hauses war. Endlich mußte sie sich 1786 zum Verkauf ihres Palais, das allgemein der Tempel der Terpsichore genannt wurde, entschließen; sie spielte es in einer Lotterie von 2500 Loosen zu 120 Franks aus, und gewann dadurch 300,000 Franks. Außerdem genoß sie vom Hof eine jährliche Rente von 6000 Fr. und eine andere, fast eben so hohe gewahrte ihr die Académie royale de musique. 1789 heirathete sie einen gewissen Déspréaux und starb, 73 Jahre alt, am 4. Mai 1816. Ihre Kunstfertigkeit als Tänzerin war bis dahin unerreicht geblieben; jeder ihrer Schritte war edel, lebhaft, ausdrucksvoll und graziös, ihr Spiel und ihre Pantomime rasch, anziehend und gefällig.

T.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 5. [o.O.] 1835, S. 75-76.
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