Haydn, Joseph

[200] Haydn, Joseph, eines Rademachers Sohn aus Rohrau in Steiermark, geb. den 31. März 1732, war einer der genialsten und fruchtbarsten Componisten. Armuth, so oft die Amme alles Großen, war auch die Mutter seiner unsterblichen Werke. Als H., 8 Jahr alt, als Chorknabe an der Stephanskirche zu Wien seine Diskantstimme verlor, gerieth er in die äußerste Dürftigkeit, ward aber durch Fräulein Martinez, der er Gesangunterricht gab, unterstützt. Im 18. Jahre schrieb er sein erstes Quartett und später, von 1761–1790, als Kapellmeister des Fürsten Esterhazy, den größten Theil seiner Instrumentalwerke. England verstand zuerst den hohen Werth des Künstlers, und dort erwarb er sich Ruhm und Vermögen. In seinen unzähligen frühern Werken sprudelt übermüthige Laune, jugendliches Entzücken, aber der Grundstein seines Ruhmes wurden seine Streichquartette und Symphonien, deren Begründer er ist. Der Charakter derselben ist liebenswürdiger Humor, Naivetät, veredelt durch Tiefe und Großartigkeit, und während seine Opern, Lieder, Sonaten etc. vergessen sind, treten jene jetzt noch mit den Werken Mozart's und Beethoven's in die Schranken. Die ernste hehre Muse, die christliche Urania, die ihn früher nur in flüchtigen Augenblicken begrüßte, begeisterte ihn zuletzt zu seinen Meisterwerken, »der Schöpfung« und »den Jahreszeiten.« In einem Alter von 65 Jahren concentrirte er alle Kraft der Jugend, und legte diese Götterkinder, geschmückt[200] mit allen Vorzügen der Unsterblichen, an die Brust einer entzückten Nachwelt. H. war ein heiterer, biederer und überaus liebenswürdiger Charakter, dem Neid und Mißgunst, diese Flecken im Krystalle der Künstlerherzen, unbekannt waren. Er erklärte den 24 Jahre jüngern Mozart für den größten Musikus der Welt. Alle diese Tugenden athmen seine Werke und verleihen ihnen einen harmonischen Zauber; sie sind reich an Erfindung und enthalten viele neue Ideen. Haydn selbst ist der schönste Beweis für die Gewalt seines Geistes, der ihn gleichsam als ein aus ihm herausgetretenes zweites Ich, während der Ausführung seiner Schöpfung, bei den Worten: »Es ward Licht« so übermannte, daß er die ohnehin schon lockern Wände des Körpers von einander trennte Er starb zu Wien den 31. Mai 1809. Zu Eisenstadt, seinem liebsten Aufenthalte, wurde ihm ein Denkmal gesetzt.

k.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 5. [o.O.] 1835, S. 200-201.
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