[211] Tugend, der göttliche Adel der menschlichen Seele, die einzige wahre Führerin durch die Irrgänge der Erdennacht, das ernstliche, unausgesetzte Bestreben in unserer Brust, das Gute und Rechte um sein selbst willen zu thun und zu wollen. Die angestammte Schwäche der irdisch Geborenen, sowie das Schwankende und Veränderliche in den Begriffen von Gut und Böse selbst, werden die menschliche T. immer mehr oder weniger entfernt von der Vollkommenheit erhalten: doch lehrt uns die christliche Religion, welche allein wahrhaft den Weg zeigt, auf dem man zur Heiligkeit der Gesinnung und des Wandels gelange: daß wir unser ganzes Wollen und Empfinden mit dem Willen Gottes als der höchsten Güte, in völlige Uebereinstimmung setzen sollen. Sind die männlichen T'en um so trefflicher, je mehr sie als ein Erzeugniß der Erkenntniß und der Willenskraft erscheinen: so haben die weiblichen T'en um so höhern Werth, je mehr sie als unvorsätzliches Berlangen,[211] natürlich, aus Herz und Seele entspringen, und so Geist und Körper unbewußt, unwillkührlich schmücken. Das Element aller weiblichen T'en aber ist die Sinnigkeit, welche das Schroffe und Heftige, das Starre und Männliche, was ihnen eigen sein könnte, mit leisem Dufte umhüllt. Abwärts von der Menge, vom Gewühl, in der Lauterkeit ihres Innern waltet der Frauen Sinnigkeit: die Liebe zur Stille, welche nöthig ist, die leise Stimme der Seele zu vernehmen, das Zurückführen der Erscheinungen auf ihr eigenes Urbild im Bewußtsein, das Entzücken und Genießen in der kleinsten Blume wie im erhabensten Gegenstande. Auf diesem stillgrünenden Teppich blühen alle weibliche T'en harmonisch auf. Und so gleicht denn die tugendhafte Frau der unscheinbaren Mimose, die ihre Blätter bei der leisesten, störenden Berührung schließt, aber auch zugleich der kräftigen Ranke dunkelgrüner Hoffnungsfarbe, die ihre lichtblauen Himmelsblüthen liebend und hoffend, auf ein schönes Blühen deutend, selbst zwischen Schnee und Frost öffnet.
B.