[90] Schicksal. Unsere Zeit hat auch den strengen Begriff dieses Wortes gemildert. Das Schicksal ist weder ein blindes Ungefähr, das Alles planlos geschehen läßt, noch eine eiserne Nothwendigkeit, nach der Alles erfolgen muß. Nenne es vielmehr die Menge und den Wechsel der Ereignisse, welche die Zeit herbeiführt. Allerdings machen äußere Umstände und Verhältnisse den Menschen in vielen Fällen von sich abhängig. Doch kann er sich durch seine sittliche Freiheit über die Macht des Schicksals erhoben und der Schöpfer seiner Glückseligkeit werden. Viel vermag der Mensch über die Einwirkung der Außendinge durch ernstliches Wollen und ausdauernde Beharrlichkeit. Kein Naturgesetz erniedriget ihn zur willenlosen Maschine und auf kein Machtgebot braucht er das Böse zu begehen. Denn es steht in seiner Gewalt, zu wählen und zu unterlassen. Die eherne Kette, die ihn umschnüren will, kann er mit starker Hand zerreißen. In den meisten Fällen bestimmt daher das Verhalten des Menschen sein trauriges oder erfreuliches Schicksal.
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