[190] Treue, die innerliche Stärke und Lebendigkeit der Triebe und Gesinnungen, die bewirkt, daß der äußere Eindruck geringe oder gar keine Gewalt wider die einmal erregten hat, jene Innerlichkeit, welche den Begriff der Liebe nicht mehr von dem geliebten Gegenstande trennen kann. Denn nur im Bilde ihrer Geschwister und Eltern stellt sich einigen Geschwistern und Kindern der Begriff der Kindes- und Geschwisterliebe dar; nur im Bilde des Geliebten sieht die innig Liebende den Begriff Liebe, nur im Bilde des Gatten, in dem Gefühle für denselben, im Bilde ihrer Ehe mit demselben die innige Gattin den Begriff der Ehe. Nur ein Bild, ein Gefühl verbindet im Herzen alle Verhältnisse des Lebens zusammen; die Außenwelt hat nicht Macht, jenem Urbegriffe von Liebe noch andere Gefühle zuzugesellen; nur auf die eine Weise, im Versinken in den einen Gegenstand vermag es der treue Mensch noch glücklich zu sein Wie aus Sonnen, saugt aus liebem Antlitz der Liebende sein Leben, und ruft wohl, wenn ihm keine Gegenliebe wird, mit einem nun vergessenen Dichter aus: »kannst du mich selbst nicht länger lieben, bedarf ich keiner Liebe mehr!« Dieß ist jene Dasselbigkeit, wie sie Schiller so schön nennt, die T., welche dem von den Fluthen des unruhig bewegten Lebens getriebenen Herzen unverdunkelt sein stilles Licht bewahrt, wie das ihre im verschloßnen Busen durch die stürmenden Wogen die Perle trägt.
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