Attribut

[103] Attribut (attributum, das Zuerteilte): wesentliche, unmittelbare, notwendige, ursprüngliche, constitutive Eigenschaft oder Wirkungsweise eines Seienden, Art und Weise des Seins selbst.

Bei ARISTOTELES bedeutet symbebêkos kath' hauto die wesentliche, notwendige Eigenschaft eines Dinges, die von ihm nicht abgetrennt gedacht werden kann (Anal. post. I 22, 83b 19; Met. V 30, 1025 a 30). So auch bei THOMAS das »attributum« (Sum. th. I, 39, 8c). Insbesondere sprechen die Scholastiker von den Attributen Gottes, »attributa Dei interna« (Allwissenheit u.s.w.). Nach PIERRE D'AILLY sind sie »nomina sive signa vocalia, supponentia immediate pro perfectione divina« (STÖCKL II, 1029). ALBERTUS MAGNUS: »Attributa divina dicunt modum creationis quo creaturae exeunt ab ipso« (Sum. th. II, 39, 1). Der Begründer der Schule der Mutaziliten, WASIL BEN ATÂ, leugnet die Vielheit der göttlichen Attribute (STEIN, An. d. W. d. Jahrh. S. 93). »Sifâtija« hießen die arabischen Anhänger der Attribute Gottes (l.c. S. 94).

DESCARTES nennt Attribute die Grundeigenschaften der Substanz (Princ. phil. I, 56). In Gott gibt es weder »qualitates« noch »modi«, sondern nur »attributa«, weil Gott unveränderlich ist. »Et etiam in rebus creatis, eae quae numquam in iis diverso modo se habent, ut existentia et duratio, in re existente et durante, non qualitates aut modi, sed attributa dici debent« (ib.). Attribut des Geistes ist das Denken, Vorstellen (»cogitatio«), Attribut des Körpers die Ausdehnung (»extensio«) (l.c. 53). Die Attribute: Zahl und alle Universalien sind nur in unserem Denken (l.c. 58).

Eine fundamentale Bedeutung hat der Begriff des Attributs bei SPINOZA.[103] Er versteht darunter das, was das Denken als die Wesenheit der »Substanz« (s. d.) constituierend auffaßt: »Per attributum intelligo id quod intellectus de substantia percipit tamquam eiusdem essentiae constituens« (Eth. I, prop. IV) – »quod attributum dicatur respectu intellectus, substantiae certam talem naturam tribuentis« (Epist. 27). Die »Substanz« (= Gott) besteht in unendlichen Attributen: »Deus sive substantia constans infinitis attributis, quorum unumquodque aeternam et infinitam essentiam exprimit, necessario existit« (Eth. I, prop. XI). Wir aber erfassen von Gott nur zwei Attribute, »cogitatio« (Denken, Bewußtsein) und »extensio« (Ausdehnung) (l.c. II, prop. I, II). Jedes dieser Attribute muß durch sich allein gedacht werden (»per se concipi debet« [l.c. I, prop. X, dem.]). Es ist aber die Substanz nur ein Wesen mit mehreren Seinsweisen: »Quamvis duo attributa realiter distincta concipiantur, hoc est, unum sine ope alterius, non possumus tamen inde concludere, ipsa duo entia sive duas diversas substantias constituere« (l.c. I, prop. X). Die göttlichen Attribute sind so ewig wie Gott selbst: »Deus sive omnia Dei attributa sunt aeterna« (l.c. prop. XIX). Alles, was aus dem Attribut folgt, existiert notwendig ewig und unendlich (l.c. prop. XXI). – Während K. FISCHER in den Attributen Spinozas zwei real gesonderte Daseinsarten der Substanz erblickt, bestimmt J. E. ERDMANN sie idealistisch als zwei »Auffassungsweisen des betrachtenden Verstandes«, gleichsam durch gefärbte Brillengläser (Gr. d. Gesch. d. Phil. II4, 62).

CHR. WOLF: »Quae per essentialia determinantur, dicuntur attributa« (Ont. § 146). »Attributa enti constanter insunt« (l.c. § 150). CRUSIUS: »Dasjenige, was aus dem Grundwesen einer Sache mit einer Beständigkeit hinfließt und sofern derselben allezeit zukommt, heißt ein attributum« (Vernunftwahrh. § 40). Attribute im logischen Sinne sind nach KANT (Log. S. S43) und FRIES »Folgen der constitutiven Merkmale« eines Begriffs (Syst. d. Log. S. 123). E. v. HARTMANN betrachtet als die beiden Attribute des »Unbewußten« (s. d.) Idee und Wille (Kategor. S. 221).

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 103-104.
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