Ekstase

[245] Ekstase (ekstasis): Außer-sich-sein, Verzückung, Entrückung der Seele von den Eindrücken der Sinne, Steigerung des Bewußtseins über alles Normale[245] hinaus zur erregten, phantasievollen, gefühlsmäßigen Erfassung geistiger Inhalte in einer lebendigen Vision. Die Zustände der Ekstase sind von hoher psychologischer, socialer, religiöser, ethischer, ästhetischer Bedeutung (vgl. ACHELIS, Die Ekstase S. 24 ff., 113 ff., 184 ff., 196 ff., 208 ff.).

In der mystischen Philosophie spielt die Ekstase als derjenige Zustand, in den die Seele durch Übung (Askese) und Reinigung (Katharsis) von allen Begierden, durch beständige Concentration der Aufmerksamkeit auf die Inhalte der productiven Phantasie gerät, als (vormeintliche) unmittelbare Erfassung des Göttlichen, eine große Rolle. Die Keime zur Lehre von der Ekstase in diesen Sinne finden sich schon bei PLATO und ARISTOTELES (vgl. Problem.30, 1; die künstlerische Ekstase, Begeisterung, ist besonnen, gehört zur künstlerischen Phantasie; vgl. Poët. 17, 2). Aber erst bei PHILO, und noch viel mehr bei PLOTIN ist sie ausgebildet. Nach letzterem ist die Ekstase ein Zustand, der durch katharsis und askêsis zuweilen erreicht werden kann, ein Zustand des Ruhens in Gott, der unmittelbar erfaßt wird (haplôsis, haphê, Enn. VI, 9 11). Im Innern, bei sich weilend, versunken im reinen Schauen, weiß die Seele nichts von sich, da sie nicht denkt, sondern sie ist eins mit dem Göttlichen (Enn. VI, 9, 7; VI, 9, 11; VI, 7, 25). Die späteren Mystiker sprechen wiederholt von der Ekstase (»ecstasis, raptus mentis«) So RICHARD von ST. VICTOR: »Cum per mentis excessum supra sive intra nosmet ipsos in divinorum contemplationem rapimur, exteriorem omnium statim, immo non solum eorum, quae extra nos, verum etiam eorum quae in nobis sunt, omnium obliviscitur« (De cont. IV, 23). Nach BERNHARD vos CLAIRVAUX ist sie, »prima et maxima contemplatio« (De cons. V, 14, 42). BONAVENTURA definiert die Ekstase: »Ecstasis est, deserto exteriore homine, sui ipsius supra se voluptuosa quaedam elevatio, ad superintellectualem amoris fontem, mediantibus sursum activis virtutibus pro viribus se extendens« (De sept. gradib. cont. p. 97 a). JOH. (GERSON: »Ecstasis est raptus mentis cum cessatione omnium operationum, in inferioribus potentiis« (De myst. theol. spec. cons. 36). Den Zustand der Ekstase kennen und schildern NICOLAUS CUSANUS, ECKHART, Suso, TAULER, J. BÖHME, L. VIVES (De all. III, p. 173), G. BRUNO, auch SCHLEIERMACHER: »'So oft ich aber ins innere Selbst den Blick zurückwende, bin ich zugleich im Reich der Ewigkeit; ich schaue des Geistes Leben an« »Es schwebt schon jetzt der Geist über der zeitlichen Welt, und solches Schauen ist Ewigkeit und unsterblicher Gesänge himmlischer Genuß« (Monol. 1). Vgl. MANTEGAZZA, Die Ekstasen...

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 245-246.
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