[496] Illusion (psychologische, phantastische) ist eine Vorstellung, die durch Assimilation (s. d.) unter solchen Bedingungen entsteht, daß sie nicht im Sinne des wirklich Wahrgenommenen, sondern im Sinne des dadurch Reproducierten, in das Wahrgenommene Hineinassociierten gedeutet und zugleich als wirklich, objectiv aufgefaßt wird. Auch die ganze Erscheinung der Selbsttäuschung heißt Illusion. Die ästhetische Illusion ist von großer Bedeutung für den ästhetischen Genuß (s. Ästhetik). Praktische Illusionen sind Selbsttäuschungen über den Wert von Gütern aller Art.
Physiologisch erklärt die »Illusionen« schon DESCARTES: »Inter perceptiones, quae corporis opera producuntur, maxima pars earum pendet a nervis; sed quaedam etium sunt, quae ab illis non pendent, et quae nominantur imaginationes..., a quibus tamen differunt in eo, quod voluntas nostra in illis formandis non occupetur; unde non possunt reponi in numero actionum animae: Nec aliunde procedunt quam ex eo quod spiritus diversimode agitati, et reperientes vestigia diversarum impressionum, quae praceesserunt in cerebro, cursum eo dirigunt fortuito per quosdam poros potius quam per alios. Tales sunt illusiones nostrorum somniorum et phantasiae, quae nobis vigilantibus accidunt, cum cogitatio nostra negligenter vagatur, nulli rei sese addicens« (Pass. an. I, 21). – VOLEMANN erklärt: »Die Illusion geht von einer wirklich gegebenen Empfindung aus und nimmt insofern ihren Ursprung aus einer an sich richtigen Wahrnehmung, versetzt sodann die Empfindung als Äußeres aus der Seele heraus und involviert insofern eine Täuschung der inneren Wahrnehmung, wird aber schließlich zur Sinnestäuschung dadurch, daß sie entweder Localisation und [496] Projection untereinander, oder innerhalb jeder von beiden eine falsche mit der richtigen Anwendung verwechselt« (Lehrb. d. Psychol. II4, 146). Nach FECHNER sind die Illusionen »Täuschungen..., wozu allerdings ursächliche Objecte vorhanden sind, welche aber falsch aufgefaßt werden, indes es bei den Hallucinationen an äußeren ursächlichen Objecten fehlt« (Elem. d. Psychophys. II, 505). ZIEHEN versteht unter Illusionen »solche Sinnesempfindungen, für welche zwar ein äußerer Reiz existiert, welche aber qualitativ diesem äußeren Reiz, gar nicht entsprechen« (Leitfad. d. physiol. Psychol.2, S. 182). Es handelt sich hier um eine »rückläufige Erregung und Beeinflussung der Empfindungszellen von den Erinnerungszellen aus« (l.c. S. 183). WUNDT führt die Illusion auf eine Form der Assimilation zurück. »Bei den gewöhnlichen Sinneswahnehmungen überwiegen die directen Factoren so sehr, daß die reproductiven meist ganz übersehen werden, obgleich sie in Wirklichkeit nie fehlen... Beträchtlich mehr drängen sich die reproductiven Bestandteile unserer Beobachtung auf, wenn die assimilierende Wirkung der directen Erregungen durch äußere oder innere Eingüsse, wie Undeutlichkeit des Eindrucks, Erregung von Gefühlen und Affecten, gehemmt ist. In allen den Fällen, wo auf diese Weise der Unterschied zwischen dem Eindruck und der wirklichen Vorstellung so groß wird, daß er sich sofort unserer näheren Prüfung verrät, bezeichnen wir das Assimilationsproduct als eine Illusion« (Gr. d. Psychol.5, S. 2S1). Von den bei normalem Bewußtseinszustand vorkommenden Sinnestäuschungen sind zu unterscheiden die »phantastischen Illusionen« (l.c. S. 326, s. Hallucination). Nach KÜLPE sind Illusionen »subjective Veränderungen an dem objectiv Wahrnehmbaren« (Gr. d. Psychol. S. 184 ff., 217). Nach STÖRRING besteht eine Illusion da, »wo in einem Assimilationsproceß, der subjective Factor eine abnorm starke Rolle spielt« (Psychopathol. S. 93). Wie SULLY (Die Illus.) unterscheidet er passive und active, wie KRAEPELIN (Üb. Trugwahrn., Viertelj. f. wiss. Philos. V) Perceptions- und Apperceptionsillusionen. Nach UPHUES ist eine Illusion »eine Wahrnehmung, deren Gegenstand nicht so beschaffen ist, wie wir ihn wahrnehmen« (Psychol. d. Erk. I, 184). Nach K. LANGE ist Illusion ein seelischer Zustand, in dem man etwas glaubt, was nicht Wirklichkeit ist (We(s. d.) Kunst I, 207). Vgl. JAMES, Princ. of Psychol. II, 85 ff.
Von der »illusion volontaire« spricht SOURIAU. Eine »Illusionstheorie« stellt für die Ästhetik (s. d.) K. LANGE auf, deren Kern die »bewußte Selbsttäuschung« ist (We(s. d.) Kunst I, 18 ff., 207 ff., 372 ff.). Nach K. GROOS besteht die »spielende Illusion« 1) in der Verwirklichung innerer Bilder, 2) darin »daß das Gedächtnismaterial mit realen äußeren Erscheinungen verschmilzt und an deren Realität teilzunehmen scheint« (Spiele d. Mensch. S. 164 ff.). Die Illusion beruht auf Assimilation (l.c. S. 171). Vgl. Illusionismus.