[661] Vorstellung (phantasia, perceptio, idea, repraesentatio. idea, perception: englisch. idée, perception: französisch) bedeutet: 1) die Erinnerungsvorstellung, die reproducierte Vorstellung. 2) (im weiteren Sinne) jeden anschaulichen (s. d.), aus Empfindungen (s. d.) als Elementen sich aufbauenden Bewußtseinsvorgang, der etwas zum Object (s. d.) hat, sei er eine Wahrnehmung (s. d.) oder eine Erinnerung (s. Gedächtnis, Reproduction). Die Vorstellungen sind Synthesen von Empfindungen, relativ selbständige Empfindungscomplexe, die immer zugleich gefühlsbetont und mit irgend einem Grade des Strebens behaftet sind. Vorstellungen sind also nichts absolut Selbständiges, nichts isoliert Vorkommendes, nichts Einfaches, sondern immer schon Momente, Teilinhalte eines vollständigen Bewußtseinsvorganges, d.h. einer primären oder rückgebildeten,[661] mechanisierten Willenshandlung (s. Voluntarismus). Die Vorstellungen sind keine Dinge, keine Kräfte, sondern Momente von Processen, Vorgängen. Sie können sich nicht »unbewußt« (s. d.) »erkalten«, sondern werden immer wieder neu (durch Synthese) produciert (s. Reproduction). Das Auftreten von bestimmten Inhalten, als Act des Subjects aufgefaßt, ist das Vorstellen, das Was oder Besondere des Vorstellens ist die Vorstellung als Vorstellungsinhalt. Was durch diesen repräsentiert, vertreten, dargestellt wird, worauf er sich bezieht, ist das Vorstellungsobject (realer oder idealer Gegenstand der Vorstellung). Die Trennung von Vorstellung und Object ( – beide bilden ursprünglich eine Einheit – ), welches jene bedeutet, auf welches sie hinweist erfolgt im Urteil. Die zunächst in der Form der Vorstellung gegebene Außenwelt wird infolge der denkenden Verarbeitung der Vorstellungsinhalte zu einem begrifflich bestimmten System von Relationen fester Einheiten als Zeichensystem für »trenscendente Factoren« (s. d.), die nicht selbst Vorstellungsobject werden, sondern das erkennende Subject zur Production seiner Vorstellungen gesetzmäßig motivieren, determinieren.
Die Geschichte des Begriffes »Vorstellung« zeigt eine bald weitere, bald engere Fassung desselben. Als Vorstellung gilt bald ein jedes Percipieren (s. d.) eines Inhalts, bald Wahrnehmung und Erinnerungsbild, bald nur das letztere. Verschieden ist auch die Bedeutung, welche der Vorstellung erteilt wird (s. Intellectualismus, Voluntarismus). Endlich wird das Verhältnis von Vorstellung und Object (s. d.) verschieden gedeutet.
Die ältere Philosophie versteht unter Vorstellung, eine innere »Einbildung«, eine innerliche (richtige oder falsche, gedächtnis- oder phantasiemäßige) Vergegenwärtigung von Objecten. ARISTOTELES bestimmt die Vorstellung (phantasia), »Einbildung«, als eine infolge von Wahrnehmung (s. d.) eintretende seelische Veränderung, Nachwirkung, als kinêsis hypo tês aisthêseôs tês kat' energeian gignomenê. epei d' hê opsis malista aisthêsis esti, kai to onoma hypo tou phaous eilêphen, hoti aneu phôtos ouk estin idein (De an. III 3, 429 a 1 squ.). epeidê esti kinêthentos ton de kineisthai heteron hypo toutou, hê de phantasia kinêsis tis dokei einai kai ouk aneu aisthêseôs gignesthai all' aisthanomenois kai hôn aisthêsis estin (l. c. 428 b 11). Die phantasia ist wie eine abgeschwächte Empfindung (Rhet. I 11, 1370 a 28). Ohne Wahrnehmung gib es kein Sich-vorstellen: phantasia gar heteron kai aisthêseôs kai dianoias. hautê te ou gignetai aneu aisthêseôs, kai aneu tautês ouk estin hypolêpsis (l. c. 427 b 14). to oun phainesthai esti to doxazein hoper aisthanetai (l. c. 428 b 1). Die phantasia kann auch falsch, trügerisch (pseudês) sein (l. c. 428 a 17). Sie ist vom Begriffe (logos) zu unterscheiden: tôn de thêriôn eniois phantasia men hyparchei, logos d' ou (l. c. 428 a 25). Die phantasia ist logistikê oder aisthêtikê (l. c. III 10, 433 b 29. vgl. III 11, 434 a 5). Das Vorstellungsbild heißt phantasma (s. d.). Die Stoiker erklären die Vorstellung als die Erfassung eines in der Seele erfolgen den »Abdruckes« (typôsis) eines Zustandes, der auf ein Object hinweist: phantasia men oun esti pathos en tê psychê gignomenon, endeiknymenon en hautô kai to pepoiêkos (Plac. IV, 12, Dox. 401). Die Vorstellung stellt sich und ihre Ursache dar: eirêtai de phantasia ek tou phainesthai autên te kai to pepoiêkos, hoper esti phantaston (Galen. hist. philos. 93, 105, Dox. 636). phantasma de estin eph' ho helkometha kata ton phantastikon diakenon helkysmon (ib.). phantaston de to pepoiêkos tên phantasian aisthêton (Nemes., De nat. hom. 7). –. legousi gar phantasian einai typôsin en hêgemonikô (Sext. Empir. Pyrrh. hypotyp. II, 7). [662] diapherei de phantasia kai phantasma. phantasma men gar esti dokêsis dianoias kata tous hypnous, phantasia de esti typôsis en psychê, toutestin alloiôsis ... ou gar dekteon tên typôsin hoionei typon sphragistêros, epei anedekton esti pollous typous kata to auto peri to auto ginesthai. noeitai de hê phantasia hê apo hyparchontos kata to hyparchon enapomemagmenê kai enapotetypômenê kai enapesphagismenê, hoia ouk an genoito apo mê hyparchontos. tôn de phantasiôn kat' autous hai men eisin aisthêtikai (sinnliche Vorstellungen), hai d' ou. aisthêtikai men hai di aisthêtêriou ê aisthêtêriôn lambanomenai, ouk aisthêtikai d' hai dia tês dianoias kathaper hai epi tôn asômatôn kai epi tôn allôn tô logô lambanomenôn. tôn de aisthêtikôn apo hyparchontôn met' eixeôs kai synkatatheseôs ginontai. eisi de tôn phantasiôn kai emphaseis hai hôsanei apo hyparchontôn ginomenai. eti tôn phantasiôn hai men eisi logikai, hai de alogoi. logikai men hai tôn logikôn zôôn, alogoi de hai tôn alogôn. hai men oun logikai noêseis eisin, hai d' alogoi ou tetychêkasin onomatos. kai hai men eisi technikai, hai de atechnoi (Diog. L. VII 1, 50 squ.). tên de phantasian einai typôsin en psychê, tou onomatos oikeiôs metenênegmenon apo tôn typôn tôn en tô kêrô hypo tou daktyliou ginomenon (l. c. VII, 1, 45). Die Vorstellungen sind kataleptisch (s. d.) oder akataleptisch (ib.). Jede Vorstellung ist eine heteroiôsis psychês, ein Erleiden der Seele (kata peisin. Sext. Empir. adv. Math. VII, 229, 239). EPIKTET bemerkt in bezug auf das Verhältnis der Vorstellung zum Seienden: tetrachôs hai phantasiai ginontai hêmin. ê gar hôs esti tina, houtô phainetai, ê ouk onta oude phainetai hoti estin, ê esti kai ou phainetai, ê ouk esti kai phainetai (Diss. I, 27, 1). Nach ALEXANDER VON APHRODISIAS ist die phantasia eine Nachwirkung der Empfindung (De an. 135 b). Ähnlich lehren PROKLUS, PLUTARCH VON ATHEN (Prokl. in Tim.. vgl. Siebeck, I 2, 350).
Die Scholastiker unterscheiden »formale« Vorstellung (Vorstellungsact) und »objective« (s. d.) Vorstellung (Vorstellungsinhalt) (vgl. SUAREZ, Met. disp. II, sct. 1, 1). »Objectives Sein« ist das Sein, sofern es vorgestellt wird. Die Vorstellungen entstehen durch Vermittlung von »species« (s. d.), als »rerum imagines in mente apparentes« (JOH. VON SALISBURY, vgl. Prantl, G. d. L. II, 262). Vgl. Phantasie, Wahrnehmung, Object.
Bei LUTHER. kommt Vorstellen (»Fürstellen«) im Sinne von producere, praesentare vor. Nach DESCARTES ist die »imaginatio« (s. d.) »quaedam applicatio facultatis cognoscitivae ad corpus ipsi intime praesens ac proinde existens« (Med. V). Vom Begriffe (s. d.) unterscheidet die sinnliche Vorstellung auch SPINOZA (s. Idee). Nach HOBBES ist das »phantasma« ein »sentiendi actus« (De corp. C. 25, 3). LOCKE nennt Vorstellung (idea) alles, was die Seele auffaßt (Ess. II, ch. 8, § 8). LEIBNIZ bestimmt die Vorstellung als Vergegenwärtigung einer Vielheit in einer Einheit: »L'état passager qui enveloppe et représente une multitude dans l'unité ou dans la substance simple n'est autre chose que ce qu'on appelle la perception« (Monadol. 14). Die Monaden (s. d.) »repräsentieren«, jede von ihrem Gesichtspunkt, das Universum. Die Vorstellung steht in natürlicher Beziehung zu dem, was vorgestellt werden soll (Theod. II B, § 356 f.). Die Idee ist nicht »la forme de la pensée«, sondern »l'objet«. so kann sie »antérieure et postérieure aux pensées« sein (Nouv. ess. II, ch. 1, 1. vgl. unten Bolzano).
CHR. WOLF gebraucht zuerst den Ausdruck »Vorstellung« für die intellectuellen Bewußtseinsvorgänge (Vern. Ged. I, § 220, 232, 749, 774. s. Idee).[663] REUSCH erklärt: »Repraesentatio generation dicitur conformatio seu assimilatio rei unius ad alteram« (Syst. Log. § 1). RÜDIGER versteht unter der »idea« nur die Erinnerungsvorstellung (De sens. ver. et fals. I, 4, §1). MENDELSSOHN bemerkt: »Die Vorstellungen des Wachenden... sind Abbildungen der Dinge, die außer uns wirklich vorhanden sind, nach den Regeln der Ordnung, in welcher sie sich außer Uns wirklich hervorbringen. sie gehöre alle zu einer gemeinschaftlichen Welt. Sie sind zwar nicht in allen Subjecten gleich, sondern nach der Lage derselben und nach ihrem Standorte verschiedentlich abgeändert, aber diese Verschiedenheit selbst zeiget die Einheit und Identität des Gegenstandes, das sie darstellen« (Morgenst. I, 6). SELLE definiert: »Das Bewußtsein einer erfahrenen Empfindung heißt Vorstellung« (Grdz. d. r. Philos. S. 27. vgl. H. S. REIMARUS, Vernunftlehre, § 35). Nach SCHAUMANN ist Vorstellen ein durch das Ich im Ich Setzen (Elem. d. Log. § 31). Nach TETENS sind die Vorstellungen »von unseren Modificationen in uns zurückgelassene und durch ein Vermögen, das in uns ist, wieder hervorzuziehende oder auszuwickelnde Spuren« (Philos. Vers. I, 16). Es gibt ursprüngliche und abgeleitete Vorstellungen (l. c. S. 24). – Als Grundkraft der Seele betrachten die Vorstellungskraft CHR. WOLF, TIEDEMANN (Unters. üb. d. Mensch. 1777/78), EBERHARD (Theor. d. Denk. u. Empfind. 1776), PLATNER (Log. u. Met. S. 10) u. a.
CONDILLAC unterscheidet (wie LOCKE, S. Idee) »idées simples, idées complexes« (Extr. rais. p. 50). Nach BONNET ist Vorstellung (idée) »toute manière d'être de l'âme, dont elle a la conscience ou le sentiment« (Ess. analyt. IV, 19). Es gibt »idées des sens« und »de la réflexion« (Ess. de psychol. ch. 19, 21. wie LOCKE). Nach HOLBACH werden die Gehirnerregungen zu Vorstellungen, »lorsque l'organe intérieur porte les changements à l'objet qui les a produits« (Syst. de la nat. I, ch. 8, p. 108. vgl. FERGUSON, Grds. d. Moralphilos. S. 43).
KANT versteht unter Vorstellung die Perception (s. d.) in allen ihren Arten (Anschauung, Begriff, Idee) (Krit. d. rein. Vern. S. 278 f.. vgl. Raum, Zeit, A priori). Nach REINHOLD gehört zu jeder Vorstellung Stoff und Form (Vers. ein. neuen Theor. II, 230 ff.). Vorstellen heißt »einen Stoff zur Vorstellung empfangen (nicht geben) und ihm die Form der Vorstellung erteilen« (l. c. S. 264). Vorstellung a priori ist »die Vorstellung von den a priori bestimmten Formen der sinnlichen Vorstellung, der äußern und der innern Anschauung« (l. c. S. 385). Nach BECK ist das »ursprüngliche Vorstellen« eins mit dem reinen Verstande (Erl. Ausz. III, 371). E. SCHMID erklärt: »Vorstellung nennen wir nicht eine jede Veränderung des Gemütes überhaupt, sondern nur diejenige, wovon ein Bewußtsein möglich ist, d. k. die ich auf ein (vorstellendes) Subject und auf einen (vorgestellten) Gegenstand beziehen kann« (Empir. Psychol. S. 179). Die Vorstellung entsteht »durch eine Einwirkung des Objects und durch eine Handlung des Gemüts zugleich, d.h. die Vorstellung wird erzeugt« (l. c. S. 185). »Alle erkennbaren Vermögen des menschlichen Gemütes haben die gemeinschaftliche Bestimmung des Vorstellungsvermögens, d.h. alles, was durch das Gemüt möglich ist, ist entweder selbst Vorstellung oder nur durch Vorstellung möglich« (l. c. S. 172) KRUG erklärt: »Wir finden in uns zuerst eine Tätigkeit, die bloß innerlich (immanent) ist, indem wir uns irgend etwas vorstellen und es durch unsere Vorstellungen erkennen können. Durch diese Tätigkeit wird daher nur etwas Subjectives erzeugt, wenn es sich auch auf ein Objectives beziehen mag, das dadurch im Ich vergegenwärtigt oder abgebildet wird« (Handb. d. Philos. I, ob). Nach FRIES ist Vorstellung[664] alle psychische Tätigkeit, in welcher die Beziehung auf Existenz und Gegenstand vorkommt (Neue Krit. I, 65). Vorstellung ist »jede Tätigkeit meines Gemüts, die zur Erkenntnis gehört« (Syst. d. Log. S. 32). Nicht die Vorstellungen erhalten sich, sondern deren Reproductionsfähigkeit bleibt (Neue Krit. I, 144). Nach LICHTENFELS ist die Vorstellung »Vergegenwärtigung eines Gegenstandes als solchen« (Gr. d. Psychol. S. 15). Die Vorstellungen stehen miteinander in Wechselwirkung (l. c. S. 82 ff.). G. E. SCHULZE betont: »Da Vorstellungen allererst durch ihre Beziehung auf etwas anderes, als sie selbst sind, Vorstellungen ausmachen, so können sie von dem, was dadurch vorgestellt wird, sehr verschieden sein und gleichwohl eine Erkenntnis desselben vermitteln« (Üb. d. menschl. Erk. S. 24). »Durch Wahrnehmen wird immer nur einzelnes und Gegenwärtiges erkannt. Das Vorstellen hingegen erstreckt sich auch, weil es aus einem Erkennen vermittelst gewisser Zeichen besteht, auf das mehreren Dingen Zukommende, ferner auf das Abwesende, nicht mehr Vorhandene und Zukünftige« (l. c. S. 25 f.). Die Vorstellungen zerfallen in Vorstellungen von Einzeldingen, Begriffe, Ideen (1. G. S. 27 ff.). »Gesamtvorstellungen« sind »diejenigen, welche die Erkenntnis der Veränderungen enthalten, die mit einem Einzeldinge nach und nach vorgefallen sind« (l. c. S. 28. vgl. Psych. Anthrop. S. 147 f.: »Was... die Einbildungskraft hervorgebracht hat, wird... Vorstellung genannt«). – Nach TIEDEMANN sind Vorstellungen »solche Veränderungen des Gemüts, die ohne einen jetzt gemachten leidentlichen Eindruck vorhanden sind, die wir aber als irgend einem gemachten oder etwa noch zu machenden Eindrucke ähnlich annehmen und denen Allgemeinheit nicht ausdrücklich beigelegt wird« (Theaet. S. 116, 145).
BOUTERWEK bestimmt die Vorstellung als »die Entgegensetzung oder unmittelbare Wirkung der Kräfte selbst« (Apodikt. II, 75). Nach J. G. FICHTE gehören Wollen und Vorstellen untrennbar zusammen (WW. II 1, 21). Nach SCHELLING ist die Vorstellung das gemeinsame Product von Ich und Nicht-Ich. Nach J. J. Wagner wird durch das Streben des Subjects, welches auf die Bestimmtheiten und Verschiedenheiten des Objects gerichtet ist, die Empfindung zur Vorstellung, welcher die reagierende Ich-Tätigkeit den Inhalt gibt (Organ. S. 140 ff.). Durch den quantitativen und qualitativen Gegensatz bestimmen die Vorstellungen ihre Verhältnisse zueinander (l. c. S. 150 f.). Die (bewußtlose) Vorstellung ist die »Indifferenz der Anschauung und Empfindung« (Syst. d. Idealphilos. S. 15). Nach ESCHENMAYER ist in der Vorstellung das Mannigfaltige der quantitativen und qualitativen Verhältnisse der Außenwelt zur Einheit verknüpft (Psychol. S. 27). »Vorstellung ist eine Verknüpfung der Wahrnehmungen zur Einheit, Begriff eine Verknüpfung der Vorstellungen zur Einheit« (l. c. S. 84). – Nach HEINROTH ist das Vorstellen ein »Ein-Bilden« des Äußeren zum Innern (Psychol. S. 104). Nach HILLEBRAND ist das Vorstellen das »einfache subjective Setzen der Empfindung als eines Objects im Unterschiede von der Subjectivität« (Philos. d. Geist. I, 172). Die Vorstellung ist »die Seele im Bewußtsein ihrer eigenen Empfindungen« (l. c. S. 172 f.). Bewußtsein und Vorstellung sind identisch (ib.). In jeder Vorstellung ist ein Grad des Strebens der Subjectivität, das Object räumlich und zeitlich zu bestimmen (l. c. S. 173). Die Vorstellungen sind »Kraftpositionen der Subjectivität dem Objecte gegenüber« (l. c. S. 173 f.). Auf der Spannung jeder Vorstellung gegenüber den anderen beruht der psychische Mechanismus (l. c. S. 178. s. unten Herbart). – Nach H. RITTER ist die Vorstellung »ein allgemeines Bild, welches[665] von Erscheinungen abgenommen worden ist« (Syst. d. Log. u. Met. I, 208). Nach C. H. WEISSE ist die Vorstellung »das in der Zeit weder anfangende, noch endende, weder als Ursache noch als Wirkung von anderem, in anderem und für andere seiende, sondern das für-sich-seiende Bild des Zeitlichen, d.h. der durch den Proceß der Zeitlichkeit bestimmten Körperlichkeit« (Grdz. d. Met. 6. 539). »Jede Bestimmtheit hat ein doppeltes Dasein, ein reales, zeitliches, in specifischer Körperlichkeit und Bewegung bestehendes, und ein ideales, außerzeitliches, die Wahrheit jenes ersteren – ein Dasein als Vorstellung« (l. c. S. 538). Durch die Dialektik ihres Begriffes wird die Vorstellung zur Kraft (l. c. S. 541). BOLZANO unterscheidet objective Vorstellung, »Vorstellung an sich« und subjective Vorstellung, Auffassung oder Erscheinung jener (Wissenschaftslehre III, § 270, S. 6). Zu jeder subjectiven gibt es eine ihr zugehörige objective Vorstellung (l. c. § 271, S. 8) als deren »Stoff« (l. c. S. 9). Es gibt auch gegenstandslose Vorstellungen (l. c. § 280, S. 31). »Vorstellung an sich« ist »alles dasjenige, was als Bestandteil in einem Satze vorkommen kann, für sich allein aber noch keinen Satz ausmacht« (l. c. § 48, S. 216). Es gibt einfache und zusammengesetzte, sinnliche und übersinnliche Vorstellungen (l. c. § 277 ff.).
Als Erinnerungsbild bestimmt die Vorstellung E. REINHOLD (Lehrb. d. philos. propäd. Psychol.2, S. 132 ff.). Logisch hat die Vorstellung als Bestandteil des Urteils Geltung (l. c. S. 318). Als »erinnerte Anschauung« erklärt die Vorstellung HEGEL (WW. VII 2, 323. vgl. XI, 63). Ähnlich DAUB (Philos. Anthropol. 191), MICHELET (Anthropol. S. 284 ff.), E. ROSENKRANZ (Syst. d. Wissensch. S. 42), HANUSCH (Handb. d. Erfahrungsseelenlehre S. 70 ff.), G. BIEDERMNN (Philos. als Begriffswissensch. I, 17 ff., 23) u. a. Ähnlich ferner LOTZE (Grdz. d. Psycholog. § 14. vgl. Mikrok. I2, 216 ff.. Met. S. 520), nach dem die Vorstellungen von den Empfindungen völlig verschieden sind (vgl. auch MEYNERT, Psychiatrie, S. 264), FECHNER (Elem. d. Psychophys. II, 464), HELMHOLTZ (Physiol. Opt. S. 435), CZOLBE, der die Vorstellung als »die Wiederholung (Reproduction) einer Empfindung, eine Gefühls oder einer sinnlichen Wahrnehmung« bestimmt (Gr. u. Urspr. d. menschl. Erk. S. 225 ff.), GEORGE (Lehrb. d. Psychol. S. 226), L. GEIGER (Urspr. u. Entwickl. d. menschl. Sprache I, 30), C. GÖRING, nach dem die Vorstellung »die Reproduction einer Empfindung der Sinnesorgane« ist (Syst. d. krit. Philos. I, 47), R. SEYDEL (Log. S. 40), A. RAU (Empfind. u. Denk. S. 337), ZIEHEN (Leitfad. d. physiol. Psychol.2, S. 108), SCHUBERT-SOLDERN (Gr. ein. Erk. S. 346), WITTE (Vorstellen = ein Abwesendes im Bewußtsein repräsentieren, Vors. d. Seele S. 52), H. WOLFF (»Vorstellungen sind der seelische Nachklang des gesamten Sinnlichkeitslebens«, Handb. d. Log. S. 163), ähnlich JODL (Lehrb. d. Psychol. S. 140. Vorstellung = »secundäre« Bewußtseinserregung). REHMKE (Vorstellen = »Haben von Gegenständlichem«, »Wiederhaben eben desselben, was dem Bewußtsein früher eigen war, unter anderen wirkenden Bedingungen«, Allgem. Psychol. S. 246 ff.), so auch TH. KERRL (Aufmerks. S. 26). EBBINGHAUS, der für psychologische Zwecke die Vorstellungen als Erinnerungen auffaßt, d.h. als »Gebilde..., die, obwohl nicht durch die leiblichen Sinnesorgane und ihre äußeren Reize direct vermittelt, doch dem sinnlich Empfundenen inhaltlich unverkennbar ähnlich sind« (Grdz. d. Psychol. I, 523 ff.. vgl. I, 539. »Vorstellungen in Bereitschaft« sind »Vorstellungen, die noch nicht selbst bewußt, aber dem Bewußtwerden nahe sind«, l. c. S. 56), KÜLPE (Gr. d. Psychol. S. 288), W. JERUSALEM (Vorstellung =[666] »reproducierte Wahrnehmung«, Lehrb. d. Psychol.3, S. 69 f.), H. CORNELIUS (Psychol.. Einl. in d. Philos. S. 175 ff.), R. STEINER (Vorstellung = »eine auf eine bestimmte Wahrnehmung bezogene Intuition, ein Begriff, der einmal nur einer Wahrnehmung verknüpft war und dem der Bezug auf diese Wahrnehmung geblieben ist« Philos. d. Freih. S. 103), ferner SULLY (Handb. d. Psychol. S. 158 ff.), BALDWIN (»representation« = die Function, »by which the material acquired in presentation is retained, reproduced and intelligently used in the procesess of mind«, Handb. of Psychol. I2, ch. 6, p. 80 f.), H. SPENCER, BAIN, JAMES, J. WARD, STOUT u. a. (s. Representation).
SCHOPENHAUER identificiert Object (s. d.) und Vorstellung. Die Welt der Objecte als solcher ist die »Welt als Vorstellung«, als solche Erscheinung des Willens (s. d.). – HERBART versteht unter Vorstellung den psychischen Grundproceß, der allen psychischen Vorgängen zugrunde liegt (s. Intellectualismus, Gefühl), den seelischen Elementarzustand, den sie als »Selbsterhaltung« (s. d.) gegenüber den drohenden »Störungen« (s. d.) produciert (Met. II, § 234). »In den Vorstellungen empfängt die Seele keinen Stoff von außen her, vielmehr sind sie nur vervielfältigte Ausdrücke für die innere eigene Qualität der Seele« (Psychol. als Wissensch. II, § 138). Die Vorstellungen bleiben (unbewußt) in der Seele (Psychol. I, § 94. Lehrb. zur Psychol.3, S. 10. ähnlich u. a. CRUSIUS, Weg zur Gewißh. § 99. FRIES, Syst. d. Log. S. 55. SCHLEIERMACHER, Psychol. S. 437) An sich sind sie keine Kräfte, aber sie »werden Kräfte, indem sie einander widerstehen. Dieses geschieht, wenn ihrer mehrere entgegengesetzte zusammentreffen« (Lehrb. zur Psychol.3, S. 15). Durch den Widerstand verwandelt sich das Vorstellen in ein »Streben, vorzustellen« (l. c. S. 16. Psychol. als Wissensch. I, § 36 ff.). Statik (s. d.) und Mechanik (s. d.) des Geistes berechnen die Gleichgewichts- und Bewegungsverhältnisse der Vorstellungen (s. Hemmung, Reproduction). Ähnlich lehren STIEDENROTH, G. SCHILLING, DROBISCH, R. ZIMMERMANN, LINDNER, DRBAL u. a. Auch VOLKMANN (Lehrb. d. Psychol. I4, 165 ff.). Die Vorstellung entsteht aus dem »Zusammen« der Seele mit anderen Wesen (l. c. S. 167). Sie ist der einfache Zustand der Seele, »in welchem. diese ihren Gegensatz zu den Realen, mit denen sie sich in unmittelbarem oder vermitteltem Zusammen beendet, zum Ausdruck bringt. Diesen Zustand als Geschehenes, als Tat, als innere Entwicklung und Ausbildung der Seele gefußt, nennen wir Vorstellung, als Geschehen, als Tätigkeit Vorstellen«. »Die Vorstellung ist das Vorgestellte, d.h. das, was das Vorstellen darstellt und festsetzt, was es zur Geltung bringt und in seiner Geltung behauptet« (l. c. S. 168). – BENEKE definiert: »Vorstellung heißt jede Seelentätigkeit, inwiefern sie Subject eines Urteils ist« (Neue Grundleg. zur Met. S. 6). »Eine Vorstellung kann unmittelbar als Vorstellung eines bestimmten Seins nur dadurch erkannt werden, daß dies in ihr selbst irgendwie durch eine unmittelbare Beziehung auf dasselbe ausgedrückt ist« (l. c. S. 10). Das Vorstellen besteht in der »Ausfüllung der Urvermögen durch die ihnen von außen kommenden Elemente« (Pragmat. Psychol. I, 48. Lehrb. d. Psychol.3, § 115). Aus jedem Urvermögen kann sowohl ein Vorstellen als ein Begehren hervorgehen (Lehrb. d. Psychol. § 116. vgl. § 128 ff.. vgl. § 145 ff.). Nach G. SPICKER ist die Vorstellung »die bewußte Empfindung« (K., H. u. B. S. 134).
Nach J. H. FICHTE sind Vorstellungen »nicht Kräfte, sondern Producte«. Es gibt keine selbständigen Vorstellungen, sondern nur ein vorstellendes Seelenwesen (Psychol. I, 153). Vorstellen ist die freie Tätigkeit des Geistes, wenn[667] sie das sinnlich Gegebene bewahrt, dann aber aus sein er Verdunklung hervorruft und vor das Bewußtsein wieder hinstellt (Psychol, I, 391). Nach ULRICI ist die Vorstellung »der unmittelbare Erfolg des einzelnen bestimmten Actes dieser Tätigkeit, durch den die Seele ein bestimmtes einzelnes Etwas, einen gegebenen Sinneseindruck, eine Empfindung oder Gefühlsperception... von sich unterscheidet« (Leib u. Seele, S. 319). L. KNAPP erblickt in der combinierenden Nachaußensetzung der Empfindungen durch das Gehirn ihre Erhebung zur Vorstellung. »Das Empfinden drückt... ein in sich Finden, das Vorstellen aber ein sich Gegenüberstellen aus« (Syst. d. Rechtsphilos. S. 45). Nach W. ROSENKRANTZ ist die Vorstellung verschieden vom Subjecte und Objecte. sie ist »dasjenige, worin beide unter sich zur Einheit verbunden sind« (Wissensch. d. Wiss. I, 139 f.), entsteht durch Wechselwirkung von Subject und Subject (l. c. I, 182 ff.). HAGEMANN unterscheidet sinnliches und nicht sinnliches (reproduciertes u.s.w.) Vorstellen (Psychol.3, S. 41, 64). MAINLÄNDER bemerkt: »Die vom Gehirne nach außen verlegten Sinneseindrücke heißen Vorstellungen« (Philos. d. Erlös. S. 4). Und JESSEN: »Alles, was zu unserem Bewußtsein kommt, wird gleichsam vor unser Ich hingestellt und demgemäß als Vorstellung bezeichnet« (Phys. d. menschl. Denk. S. 111). J. BERGMANN versteht unter Vorstellung »das Haben eines Gegenstandes im Bewußtsein« (Grundprobl. d. Log.2, S. 31 f.). – BRENTANO rechnet das Vorstellen zu den einfachen, ursprünglichen psychischen Functionen. Vorgestellt wird, »wo immer etwas erscheint« (Psychol. I, 261, s. Object, Intentional). F. HILLEBRAND erklärt: »Der Vorstellungsact wird durch seinen Inhalt specificiert und bildet mit ihm zusammen eine einzige psychische Realität« (Die neuen Theor. d. kategor. Schl. S. 37). Nach A. HÖFLER sind Vorstellungen Vergegenwärtigungen von Objecten, von Gegenwärtigem oder Vergangenem (Psychol.. Grundlehr. d. Log. S. 4). TWARDOWSKY erklärt: »Ein Gegenstand ist vorgestellt kann heißen, daß ein Gegenstand neben vielen anderen Relationen... auch an einer bestimmten Beziehung... zu einem erkennenden Wesen teilhat... In einem anderen Sinn aber bedeutet der vorgestellte Gegenstand einen Gegensatz zum wahrhaften Gegenstand, den Inhalt der Vorstellung« (Zur Lehre vom Inh. u. Gegenst. d. Vorstell. S. 15. vgl. Object). UPHUES definiert: »Unter Vorstellungen können... nur Empfindungen, wieder auflebende oder ursprüngliche, verstanden werden, die uns Gegenstände vertreten, d.h. mit denen ein ruhendes Wissen um etwas von ihnen Verschiedenes, von ihnen Unabhängiges verbunden ist, das wir jederzeit wieder lebendig machen können« (Vierteljahrsschr. f. wissensch. Philos. 21. B., S. 464 f.). Nach L. RABUS ist Vorstellen »dasjenige Denken, welches den Gegenstand durch Unterscheidung desselben in sich und durch Beziehung der Unterschiede aufeinander als etwas setzt: Vorstellen ist Eines als Anderes Denken« (Log. S. 79). Nach B. ERDMANN sind Vorstellungen »die Bewußtseinsvorgänge, durch die wir Gegenstände setzen« (Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 10. Bd., S. 313). Jeder intellectuelle Bewußtseinsvorgang ist Vorstellung (l. c. S. 311). »Vorstellen umfaßt alle diejenigen Bewußtseinsinhalte, in denen uns das im Bewußtsein Vorhandene als Gegenstand bewußt ist. Dieser Gegenstand ist das Vorgestellte« (Log. I, 36. vgl. S. 171). Die »Perceptionsmasse« ist nicht Vorstellung, nicht im Bewußtsein (Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 10. Bd., S. 336 ff.). Nach HUSSERL ist die Vorstellung 1)»ein Act (bezw. eine eigenartige Actqualität) so gut wie Urteil, Wunsch, Frage u.s.w.«, 2) »die Actmaterie, welche die eine Seite des intentionalen Wesens in jedem vollständigen Acte ausmacht« (Log. Unters. II,[668] 427). Auch jeder Act ist Vorstellung, »in welchem uns etwas in einem gewissen engern Sinne gegenständlich wird« (l. c. S. 430). »Jeder Act ist entweder selbst eine Vorstellung, oder er ist in einer oder mehreren Vorstellungen fundiert« (l. c. B. 431 f.. vgl. B. 463 ff.). LIPPS nennt jeden Bewußtseinszustand Vorstellung (Grundtats. d. Seelenleb. S. 25). »Ich stelle ein Object vor, indem ich ein Bild von ihm erzeuge und vor mich hinstelle. In der Erzeugung des Bildes oder... des ideellen Objectes besteht die Vorstellungstätigkeit« (l. c. S. 29).
Nach H. STEINTHAL ist Vorstellung »jeder begriffliche Factor, insofern er Gegenstand der psychologischen Untersuchung ist« (Einl. in d. Psychol. S. 111). GLOGAU bestimmt die Vorstellung als »die aus den räumlich-zeitlichen Beziehungen herausgelösten, mehr oder weniger verdichteten Inhalte« (Abr. d. philos. Grundwiss. I, 201. vgl. Psychol.). Jede Vorstellung ist ein Verband, der aus Teilvorstellungen besteht (Grundwiss. I, 203. über »Verflechtungen« vgl. S. 207 ff.). Nach LAZARUS sind die Vorstellungen »Repräsentationen, Vertretungen eines in unserer Seele vorhandenen Gedankeninhalts«. Die Vorstellung ist (wie nach Steinthal) »Anschauung der Anschauungen«, »innerlich wiederholte und dadurch fixierte Auffassung des Objects«, »die durch das Wort bewirkte Apperception irgend eines ursprünglichen Denkinhalts« (Leb. d. Seele II2, 249 ff.). Nach TEIHMÜLLER sind Vorstellungen »die an die Worte mit ihrem zugehörigen Empfindungskreis angeknüpften Erkenntnisse« (Neue Grundleg. S. 133).
Als Synthese faßt die Vorstellung auf E. v. HARTMANN. Sie ist »ein unbewußter Aufbau aus relativ unbewußten Willenscollisionen« (Kategorienlehre S. 48). Die absolut unbewußte Vorstellung (ein Attribut des Unbewußten, s. d.) ist »ideale Anticipation eines zu realisierenden Willenserfolges«, ist »unsinnlich-übersinnlich« (Mod. Psychol. S. 79), concret, singulär, rein activ und productiv, logische Intellectualfunction, intellectuelle Anschauung, Idee (l. c. 79 f.). Aus einer Synthese leitet die Vorstellung SIGWART ab (Log. I2, 330), so auch SERGI (Psychol. p. 156), MARTY, Nach welchem die Vorstellung eines Qualitätencomplexes das »Resultat einer vor aller Reflexion vollzogenen Synthese« ist (Üb. subjectlose Sätze, Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 19. Bd., S. 79). Nach WUNDT sind die Vorstellungen Verschmelzungen (s. d.) von Empfindungen (Log. I2, 16). Vorstellung ist »das in unserem Bewußtsein erzeugte Bild eines Gegenstandes oder eines Vorgangs der Außenwelt« (Grdz. d. physiol. Psychol. II4, 1. vgl. I4, 281). Die Vorstellungen sind psychische Gebilde (s. d.), »die entweder ganz oder vorzugsweise aus Empfindungen zusammengesetzt sind« (Gr. d. Psychol.5, S. 111). Es gibt drei Hauptformen von Vorstellungen: 1) intensive, 2) räumliche, 3) zeitliche Vorstellungen (l. c. S. 112). »Eine Verbindung von Empfindungen, in der jedes Element an irgend ein zweites genau in derselben Weise wie an jedes beliebige andere gebunden ist, nennen wir eine intensive Vorstellung. In diesem Sinne ist z.B. der zusammenklang der Töne d f a eine solche.« Die intensiven Vorstellungen sind »Verbindungen von Empfindungselementen in beliebig permutierbarer Ordnung« (1. G. S. 112 ff.). »Von den intensiven unterscheiden sich die räumlichen und zeitlichen Vorstellungen unmittelbar dadurch, daß ihre Teile nicht in beliebig vertauschbarer Weise, sondern in einer fest bestimmten Ordnung miteinander verbunden sind, so daß, wenn diese Ordnung verändert gedacht wird, die Vorstellung selbst sich verändert. Vorstellungen mit solch fester Ordnung der Teile nennen wir allgemein extensive Vorstellungen« (l. c. S. 124 ff.). Die Vorstellungen sind keine beharrenden Wesenheiten, sondern »fließende Vorgänge, von denen ein nachfolgender[669] niemals irgend einem vorangegangenen in jeder Beziehung gleichen wird, und die darum nie als ganze Vorstellungen, sondern immer nur in den Elementen, die sie zusammensetzen, miteinander verbundenen sind« (Log. I2, 24. s. Reproduction). Die Vorstellung ist ursprünglich selbst Object (s.d.), später wird sie zu einem Symbol, das auf ein reales Object hinweist (Syst. d. Philoa.2, S. 153). Die Vorstellungen sind Producte der Conflicte von Willenseinheiten (s. Voluntarismus). Ähnlich wie Wundt lehrt u. a. G. VILLA (Einl. in d. Psychol. S. 341, 372). Er bemerkt: »Wenn wir... die Vorstellung betrachten, als könnte sie für sich, unabhängig von uns, bestehen, darum nimmt sie die Form des Objects an. wenn hingegen die Vorstellung einzig als psychische Tatsache angesehen wird, so, als wenn sie auch ohne die äußern Objecte existieren könnte, dann nennen wir sie eigentlich Vorstellung« (l. c. S. 402). – Nach R. WAHLE besteht alles Psychische aus Vorstellungen (Kurze Erkl. S. 176), aus Vorstellungsreihen (Das Ganze d. Philos. S. 352). Es gibt nicht Vorstellungen und davon verschiedene Objecte, sondern »es stehen einfach Gegenstände da oder es stehen einfach Vorstellungen, physische Phänomene da« (l. c. S. 354). Es gibt kein Vorstellen neben den Vorstellungen (l. c. S. 355). Abstracte Vorstellungen (Begriffe) sind solche, »durch welche jedwede beliebige, an sich als Ganzes verschiedene Einzelerscheinug aus einer Gruppe unter einander ähnlicher Erscheinungen erfaßt wird« (l. c. S. 362). »Was man eine generelle Vorstellung nennt, ist mehr die generelle Behandlung einer concreten Vorstellung« (l. c. S. 363). »Sie wird es dadurch, daß das Ich, indem es sie besitzt, auch seine Bereitschaft weiß, zu andern ähnlichen Vorstellungen überzugehen« (l. c. S. 365 f.). Nach J. SOCOLIU ist die Grundbedingung, der Vorstellung »die unmittelbare Beziehung zum Object« (Grundprobl. d. Philos. S. 196).
Nach FOUILLÉE ist die Vorstellung (idee) »l'effet conscient, l'expression d'un certain état total de l'esprit, en relation avec telle ou telle action extérieure: c'est un rapport déterminé et constant du moi au non -moi« (Psychol. d. id.-forc. I, 197). Die Vorstellungen sind zugleich Triebkräfte, »appétitions«, als solche sind sie Kraftideen, »idées-forces« (l. c. p. VII ff. ). – Vgl. die Schriften von RENOUVIER (Psychol.), RIBOT (L'évol. des idées generales u. a.), MERCIER, BERGSON, JANET, HODGSON, BRADLEY, GREEN, FERRIER, MANSEL u. a.. B. ERDMANN, Vierteljahrsschr. f. wissensch. Philos. X, 1886, S. 307. – Vgl. Perception, Wahrnehmung, Repräsentation, Gedächtniss, Reproduction, Idee, Object, Allgemeinvorstellung, Begriff, Gedanke, Voluntarismus, Unbewußt, Association, Verbindung, Verschmelzung, Hemmung, Statik, Idealismus, Vorstellungs-Vorstellungen.
Buchempfehlung
Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica
746 Seiten, 24.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro