[525] Intensität: Spannungsgrad, Stärke, Kraftgröße. Die psychische Intensität ist die Stärke von Empfindungen, Gefühlen und Strebungen, die Kraft, mit welcher sie sich einstellen und behaupten, verglichen mit der Kraft anderer psychischer Inhalte und in steter Beziehung zum Ich. Die Intensität des Reizes steht zu der des Reizes (s. d.) in bestimmter Beziehung (s. Webersches Gesetz).
Nach CHR. WOLF ist »intensitas sive intensio« »quasi graduum multitudo« (Ontolog. § 759). »Intensive Größe« nennt KANT »diejenige Größe, die nur als Einheit apprehendiert wird, und in welcher die Vielheit nur durch Annäherung zur Negation = 0 vorgestellt werden kann«. Jede Realität in der Erscheinung hat intensive Größe, d. i. einen Grad (Krit. d. r. Vern. S. 164 f.). E. V. HARTMANN erblickt in der Intensität eine metaphysische Kategorie (s. d.), sie ist »das Princip des Unlogischen selbst, das sich objectiv, als Wollen oder Kraftäußerung, subjectiv als Empfindung darstellt« (Kategorienlehre S. 68). Nach TEICHMÜLLER sind die Intensitätsunterschiede überall an die Zahl der qualitativen Elemente gebunden (N. Grundleg. S. 43).
Daß allzugroße Intensität der Empfindung den Organismus schädigt, betont schon ARISTOTELES: hê de tôn haptôn hyperbolê, hoion thermôn kai psychrôn kai sklêrôn, anairei to zôon. pantos men gar hyperbolê aisthêtou anairei to aisthêtêrion (De an. III 13, 435b 13 squ.). – VOLKMANN definiert: »Die Stärke der Empfindung ist die Quantität des Empfindens, d.h. die Energie, mit welcher der Inhalt der Empfindung zur Geltung gebracht wird: der Grad seines Bewußtwerdens« (Lehrb. d. Psychol. I4, 228). EBBINGHAUS: »Intensitäten nennt man diejenigen Eigenschaften der Empfindungen, die von quantitativen Veränderungen der objectiven Reize abhängen, Qualitäten die übrigen Eigenschaften« (Gr. d. Psychol. I, 422). Nach WUNDT ist die Qualität (s. d.) eines psychischen Elements (a. d.) immer in irgend einer Stärke gegeben. Jedes psychische Element besitzt »einen bestimmten Intensitätsgrad, den man sich in einen beliebigen andern Intensitätsgrad des nämlichen qualitativen Elements durch stetige Abstufung übergeführt denken kann. Hierbei ist aber eine solche Abstufung immer nur nach zwei Richtungen möglich, deren eine wir als Zunahme, und deren andere wir als Abnahme an Intensität bezeichnen.« »Die Intensitätsgrade jedes psychischen Elementes bilden ein geradliniges Continuum. Die Endpunkte dieses Continuums nennen wir bei den Empfindungen Minimal- und Maximalempfindung, bei den Gefühlen Minimal- und Maximalgefühl« (Gr. d. Psychol.5, S. 37 f.; vgl. S. 305 ff.; Grdz. d. physiol. Psychol. I3, 340 ff.). Nach KÜLPE ist Intensität »diejenige Eigenschaft der Empfindung, vermöge deren wir sie in bezug auf den Grad ihrer Lebhaftigkeit mit anderen zu vergleichen imstande sind« (Gr. d. Psychol. S. 31). Nach R. AVENARIUS ist die Intensität eines Aussageinhalts (E, (s. d.)) abhängig von der Größe der »Schwankung« (s. d.) im »System C« (Krit. d. r. Erfahr. II, 19). Eine neue Theorie der Intensität stellt F. BRENTANO auf. Unter Intensität versteht er das »Maß von Dichtigkeit« in der scheinbar continuierlichen Erfüllung eines Sinnesraums. Eine maximal-intensive Empfindung ist eine Empfindung, welche ihren »Sinnesraum« in der Ausdehnung, in welcher sie als ausgedehnt erscheint, lückenlos erfüllt. Bei sinnlichen Inhalten ist die Intensität des Empfindens[525] und Vorstellens nichts als die Intensität des Empfundenen und Vorgestellten, bei nicht sinnlichen Inhalten hat das Vorstellen, Urteilen, die Gemütstätigkeit (Fühlen und Wollen) keine Intensität (Zur Lehre von d. Empfind., Bericht üb. d. III. international. Congr. f. Psychol. 1897, S. A., S. 9 ff.). Teilweise Einwände gegen diese Theorie bei CHR. EHRENFELS (Die Intensit. d. Gefühle, Zeitschr. f. Psychol. XVI, 1898, S. 49 ff.). Nach R. WAHLE hat die Empfindung keine Intensität als Eigenschaft (Das Ganze d. Philos. S. 186 ff.). Meßbar ist nur »jene physiologische Erregung, welche wir haben, wenn etwas Neues überhaupt eintritt« (l.c. S. 193). Was man Intensität nennt, ist in Wahrheit ein Mehr oder Minder in einem Aggregate von einfachen Qualitäten (ib.).
Über die Intensität des Willens äußert sich EHRENFELS: »Die Stärke des Willens ist ein dispositioneller oder potentieller, kein psychologisch actueller Begriff. Ein stärkerer Wille ist derjenige, welcher schwerer zum Wanken gebracht und besiegt werden kann« (Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 23. Bd., S. 275). Ähnlich H. SCWARZ (Psychol. d. Will. S. 43 f.). Vgl. BRADLEY, Mind N. S. IV.