[117] Demokritos von Abdera (Thrakien), geb. um 460 v. Chr., nach größeren Reisen in seiner Heimat um 370 v. Chr. gest.
D., der auf allen Wissensgebieten seiner Zeit große Kenntnisse besaß, ist (vielleicht als Schüler Leukipps) der Begründer der mechanistisch-atomistischen Weltanschauung. Mit den Eleaten stimmt er darin überein, daß das Wirkliche ein unveränderliches, beharrendes, ewiges Sein ist. Indem er aber eine Vielheit des Seienden annimmt, wird ihm das Werden, die Veränderung zu mehr als einem bloßen Schein, nämlich zur Verbindung und Trennung der einfachen Seinselemente. Der Schein liegt nur in der sinnlichen Wahrnehmung, welche uns die Dinge als farbig, tönend usw. darstellt, während in Wahrheit diese Qualitäten nur in unserem Bewußtsein (nomô), nicht objektiv existieren (nomô glyky kai nomô pikron, nomô thermon, nomô psychron, nomô chroiê. eteê de atoma kai kenon). In Wirklichkeit (eteê) existiert nur das »Volle« (plêres) und das »Leere« (kenon) als das Seiende und Nichtseiende,[117] d.h. die Materie und der leere Raum. Das Wesen der Dinge ist nur durch das Denken zu erfassen, nur dieses verschafft uns die echte (gnêsiê) Erkenntnis im Gegensatze zur dunklen (skotiê), verworrenen Erkenntnis der Empfindung. Das »Nichtseiende« nun ist der leere Raum, der existieren muß, damit die Bewegung der Körper möglich ist; das »Seiende« besteht in einer unendlichen Anzahl rein geometrisch-kinetisch bestimmter Körperelemente, der »Unteilbaren«, Atome (atoma, auch »Gestalten«, schêmata, ideai genannt). Sie sind unentstanden, unvergänglich, unveränderlich, einfach, verschieden an Gestalt (schêma), Größe (megethos), Lage (thesis) von der Größe der Atome hängt deren Schwere ab. Innere Eigenschaften oder Kräfte kommen ihnen nicht zu. Die Dinge sind Komplexe (synkrimata) von Atomen. Ein ursprünglicher Zustand dieser ist die Bewegung. Alles Geschehen ist mechanischer Art, beruht auf Druck und Stoß der sich bewegenden Atome. Es gibt keine Zweckursachen, sondern alles erfolgt streng notwendig, kausal, indem alles einen Grund hat, aus dem es notwendig hervorgeht (ouden chrêma matên ginetai, alla panta ek logou te kai hyp' anankês), so daß es keinen Zufall gibt (Leukippos). ebensowenig eine Schöpfung aus Nichts (mêden te ek tou mê ontos ginesthai).
Indem die nach allen Richtungen sich bewegenden Atome zusammenstoßen, entstehen Wirbel (dinê), welche zur Bildung unzähliger Welten und Körper führen. Immer neue Welten entstehen und vergehen auf rein mechanische Weise. Die Organismen haben sich aus feuchter Erde gebildet. Die Seele ist materiell, sie besteht aus den feinsten, sphärischen, beweglichen, den Feueratomen gleichenden Atomen, welche den ganzen Körper durchdringen, ihn beleben und beseelen, wobei das Gehirn der Sitz des Denkens ist. An das Ein- und Ausatmen von Seelenatomen ist das Leben geknüpft. Die Empfindung (bezw. Sinneswahrnehmung, aisthêsis) beruht ebenfalls auf der Wirkung der Atome. Es gehen von den Atomgruppen »Bilderchen« (eidôla) aus, welche die Seele modifizieren und zur Produktion der Sinneswahrnehmung nötigen (tên aisthêsin kai tên noêsin ginesthai eidôlôn exôthen prosiontôn). Die Wahrheit aber liegt in der Tiefe (en bythô), sie kann nur durch das Denken erfaßt werden, welches den Sinnenschein durchdringt und das Verborgene (adêla) ergreift.
Die Ethik D.s ist eudämonistisch, betont aber stark die Gesinnung, die Seilen vor dem Unrecht und dein Willen dazu, den sittlichen Willen. Die Glückseligkeit besteht nicht in der sinnlichen Lust, sondern in der rechten Seelenstimmung, in der heiteren, frohen Seelenruhe (euthymiê, euestô, ataraxeiê, athambiê). Das Glück liegt in uns selbst, in unserem Seelenfrieden (psychê oikêtêrion daimonos). Ohne Mäßigung und Einsicht ist kein Glück möglich. Wenn auch das Vaterland des Weisen das Universum ist, so muß man doch für das Gemeinwesen wirken.
Als Anhänger des Demokrit gelten Nessas, Metrodoros von Chios, Anaxarchos, Diogenes von Smyrna, Nausiphanes. Erneuerer des Atomismus ist Epikur.
SCHRIFTEN: Von seinen zahlreichen Werken (Mikros diakosmos, Peri physeôs u. a.; vgl. das Verzeichnis bei Diog. Laërt. IX, 45 ff.) sind nur Fragmente erhalten.- – Vgl. MULLACH, fragmenta philos. Graecor. I. – DIELS, Fragmente der Vorsokratiker [118] I. – NATORP, Forsch, z. Geschichte des Erktenntnisproblems, S. 164 ff., Die Ethika des D., 1893. – DYROFF. Demokritstudien, 1899.