[223] Hamann, Johann Georg, geb. 1730 in Königsberg, machte Studien auf dem Gebiete der Theologie, Jurisprudenz, Philologie, unternahm größere Reisen, kehrte 1759 nach Königsberg zurück, wurde 1777 Packhofverwalter daselbst, verkehrte mit Kant, Hippel u. a., war literarisch tätig; gest. 1788. Wegen der Dunkelheit seines oft barocken Stils führte er den Beinamen des »Magus im Norden«.
H. vertritt neben Jacobi eine »Glaubensphilosophie« auf christlicher Grundlage und ist ein Gegner aller Aufklärung, alles »Rationalismus«. Alle die Gegensätze, die der Verstand in der Welt und in deren Verhältnis zum Göttlichen findet, fallen in Wahrheit zusammen (wie in der »coincidentia oppositorum« bei G. Bruno). Gott und Mensch, Geist und Natur, Vernunft[223] und Offenbarung, Idealismus und Realismus, Materie und Form usw. sind in Wahrheit nicht zu trennen. Der trennende Verstand mit seinen abstrakten Begriffen kann das Ursprüngliche, Absolute nicht erfassen; auf Erfahrung, auf die »Offenbarungen« der Sinne usw., auf die Tradition, auf das unmittelbare Erlebnis, auf den Glauben ist zurückzugehen. Unser eigenes Dasein und die Existenz der Außendinge muß geglaubt werden. Das Kriterium der Wahrheit liegt in der festen Überzeugung des Subjekts; das gilt auch von religiösen Dingen (Dogmen). Die Trennung von Sinnlichkeit und Verstand bei Kant ist eine künstliche. In der Sprache sind beide geeinigt. Sprache ist das »Organon und Kriterien« der Vernunft, Überlieferung das zweite Element. »Das ganze Vermögen zu denken beruht auf Sprache.« Die Wörter sind reine und sinnliche Anschauungen und Begriffe zugleich. »Vernunft ist Sprache.« »Die ganze Philosophie ist Grammatik.« Sie nimmt Wörter für Begriffe, diese für die Dinge selbst. Allen Sprachen liegt als allgemeine Sprache die Natur zugrunde. Natur und Geschichte sind die Kommentare des göttlichen Wortes, alles ist ein Spiegel der Offenbarung; alles ist göttlich und menschlich. Das wahre Leben ist das Leben in Gott, an dein wir Anteil haben.
SCHRIFTEN: Biblische Betrachtungen eines Christen, 1758. – Sokratische Denkwürdigkeiten, 1759. – Kreuzzüge eines Philologen, 1762. – Golgatha und Scheblimini. Metakritik über den Purismum der reinen Vernunft (gegen Kant), 1800. u. a. – Briefwechsel mit Jacobi in Jac.s Werken, Bd. IV. – Werke, hrsg. von Roth, 1821 ff.; von Gildemeister, 1857 ff.; von Claassen, 1878-79. – Vgl. HAMANN, Sibyllinische Blätter des Magus, ausgewählt und eingeleitet von E. Unger, 1905. – H. WEBER, H. und Kant, 1904. – B. UNGER, H.s Sprachtheorie, 1905.