[262] Wenige Monate nach dem Frankfurter Congreß starb der König Friedrich VII. von Dänemark. Das Mißlingen des österreichischen Vorstoßes, die Weigerung der übrigen Bundesstaaten, nach der[262] preußischen Ablehnung mit Oesterreich allein in engere Beziehung zu treten, brachten den Gedanken einer dualistischen Politik der beiden deutschen Großmächte, infolge der Eröffnung der schleswig-holsteinischen Frage und Succession, in Wien der Erwägung nahe, und mit mehr Aussicht auf Verwirklichung, als im December 1862 vorgelegen hatte. Graf Rechberg machte in der Verstimmung über die Weigerung der Bundesgenossen, sich ohne Mitwirkung Preußens zu verpflichten, einfach Kehrt mit dem Bemerken, daß die Verständigung mit Preußen für Oesterreich noch leichter sei als für die Mittelstaaten. Darin hatte er für den Augenblick Recht, für die Dauer aber doch nur dann, wenn Oesterreich bereit war, Preußen als gleichberechtigt in Deutschland thatsächlich zu behandeln und Preußens Beistand in den europäischen Interessen, die Oesterreich in Italien und im Orient hatte, durch die Gestattung freier Bewegung des preußischen Einflusses wenigstens in Norddeutschland zu vergelten. Der Anfang der dualistischen Politik gewährte derselben eine glänzende Bethätigung in den gemeinsamen Kämpfen an der Schley, dem gemeinsamen Einrücken in Jütland und dem gemeinsamen Friedensschlusse mit Dänemark. Das preußisch-österreichische Bündniß bewährte sich selbst unter der Abschwächung, welche in der Verstimmung der übrigen Bundesstaaten lag, doch als hinreichendes Schwergewicht, um die widerstrebende Verstimmung der anderen Großmächte, unter deren Deckung Dänemark dem gesammten Deutschthum den Handschuh hatte hinwerfen können, im Zaume zu halten.
Unser weiteres Zusammengehen mit Oesterreich war gefährdet zuerst bei dem heftigen Andrang militärischer Einflüsse auf den König, die ihn zum Ueberschreiten der jütischen Grenze auch ohne Oesterreich bewegen wollten. Mein alter Freund, der Feldmarschall Wrangel, schickte unchiffrirt die gröbsten Injurien gegen mich telegraphisch an den König, in welchen in Bezug auf mich von Diplomaten, die an den Galgen gehörten, die Rede war.
(Wir blieben infolge dieser Episode Jahre hindurch in persönlicher Verstimmung und gingen am Hofe schweigend neben einander her, bis bei einer der vielen Gelegenheiten, wo wir Tischnachbarn waren, mich der Feldmarschall verschämt lächelnd anredete: »Mein Sohn, kannst Du gar nicht vergessen?« Ich antwortete: »Wie sollte ich es anfangen, zu vergessen, was ich erlebt habe?« Darauf er nach längerem Schweigen: »Kannst Du auch nicht vergeben?« Ich erwiderte: »Von ganzem Herzen.« Wir schüttelten uns die Hände und waren wieder Freunde wie in früheren Zeiten.)[263]
Damals indessen gelang es mir, den König zu bestimmen, daß wir nicht um ein Haarbreit an Oesterreich vorbei gingen und namentlich nicht in Wien den Eindruck machten, als ob Osterreich gegen seinen Willen von uns fortgerissen würde. Meine guten Beziehungen zu Rechberg und Karolyi ermöglichten es mir, das Einverständniß über den Einmarsch in Jütland herzustellen.
Trotz dieser Erfolge fand der Versuch des Dualismus seinen Kulminations- und Wendepunkt in einer Besprechung, welche beide Monarchen unter Zuziehung ihrer Minister, Rechbergs und meiner, im August 1864 in Schönbrunn hatten. Im Laufe derselben sagte ich dem Kaiser von Oesterreich:
»Zu einer politischen Gemeinschaft geschichtlich berufen, machen wir dynastisch und politisch beiderseits bessere Geschäfte, wenn wir zusammenhalten und diejenige Führung Deutschlands übernehmen, welche uns nicht entgehen wird, sobald wir einig sind. Wenn Preußen und Oesterreich sich die Aufgabe stellen, nicht blos ihre gemeinsamen Interessen, sondern auch beiderseits jedes die Interessen des andern zu fördern, so kann das Bündniß der beiden deutschen Großstaaten von einer weittragenden deutschen und europäischen Wirksamkeit werden. Der Staat Oesterreich hat kein Interesse an der Gestaltung der dänischen Herzogthümer, dagegen ein erhebliches an seinen Beziehungen zu Preußen. Sollte aus dieser zweifellosen Thatsache nicht die Zweckmäßigkeit einer für Preußen wohlwollenden Politik hervorgehen, welche das bestehende Bündniß der beiden deutschen Großmächte consolidirt und in Preußen Dankbarkeit für Oesterreich erweckt? Wenn die gemeinsame Erwerbung statt in Holstein in Italien läge, wenn der Krieg, den wir geführt haben, statt Schleswig-Holstein die Lombardei zur Verfügung der beiden Mächte gestellt hätte, so würde es mir nicht eingefallen sein, bei meinem Könige dahin zu wirken, daß Wünschen unsres Verbündeten ein Widerstand entgegengesetzt oder die Forderung eines Aequivalents erhoben würde, wenn ein solches nicht zu gleicher Zeit disponibel wäre. Ihm aber für Schleswig-Holstein altpreußisches Land abzutreten, das würde kaum möglich sein, selbst wenn die Einwohner es wünschten; in Glatz protestirten aber sogar die dort angesessenen Oesterreicher dagegen. Ich hätte das Gefühl, daß die vortheilhaften Ergebnisse der Freundschaft der deutschen Großmächte mit der holsteinischen Frage nicht abgeschlossen wären und daß dieselben, wenn jetzt in der äußersten Entfernung von dem österreichischen Interessengebiet gelegen, doch ein andermal sehr viel näher liegen könnten und daß es für Oesterreich[264] nützlich sein werde, jetzt Preußen gegenüber freigebig und gefällig zu sein.«
Es schien mir, daß die von mir aufgestellte Perspective auf den Kaiser Franz Joseph nicht ohne Eindruck blieb. Er sprach zwar von der Schwierigkeit, der öffentlichen Meinung in Oesterreich gegenüber ganz ohne Aequivalent aus der gegenwärtigen Situation hinauszugehen, wenn Preußen einen so großen Gewinn wie Schleswig-Holstein mache, schloß aber mit der Frage, ob wir wirklich fest entschlossen wären, diesen Besitz zu fordern und einzuverleiben. Ich hatte den Eindruck, daß er doch nicht für unmöglich hielte, uns seine Ansprüche auf das von Dänemark abgetretene Land zu cediren, wenn ihm die Aussicht auf ein ferneres festes Zusammenhalten mit Preußen und auf Unterstützung analoger Wünsche Oesterreichs durch Preußen gesichert würde. Er stellte zur weitern Discussion zunächst die Frage, ob Preußen denn wirklich fest entschlossen sei, die Herzogthümer zu preußischen Provinzen zu machen, oder ob wir mit gewissen Rechten in denselben (Februarbedingungen) zufrieden sein würden. Der König schwieg, und ich brach dieses Schweigen, indem ich dem Kaiser antwortete: »Es ist mir sehr erwünscht, daß Eure Majestät mir die Frage in Gegenwart meines allergnädigsten Herrn vorlegen; ich hoffe bei dieser Gelegenheit seine Ansicht zu erfahren.« Ich hatte nämlich bis dahin keine unumwundene Erklärung des Königs weder schriftlich noch mündlich über Sr. M. definitive Willensmeinung bezüglich der Herzogthümer erhalten.
Die mise en demeure durch den Kaiser hatte die Folge, daß der König zögernd und in einer gewissen Verlegenheit sagte: er habe ja gar kein Recht auf die Herzogthümer und könne deßhalb keinen Anspruch darauf machen. Durch diese Aeußerung, aus welcher ich die Einwirkung der königlichen Verwandten und der hofliberalen Einflüsse heraushörte, war ich natürlich dem Kaiser gegenüber außer Gefecht gesetzt. Ich trat demnächst noch für das Festhalten der Einigkeit beider deutschen Großmächte ein, und es wurde eine dieser Richtung entsprechende kurze Redaktion, in welcher die Zukunft Schleswig-Holsteins unentschieden blieb, von Rechberg und mir entworfen und von den beiden hohen Herren genehmigt.
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