IV. Nathan Ghazati und Sabbataï Raphael.

[458] Diese Wanderpropheten haben den Taumel auch nach S. Zewis Apostasie gefördert.

Nathan hielt sich während der Vorgänge in Smyrna, Konstantinopel und im Dardanellenschloß immer noch in Gaza auf und erließ von da aus seine tollen prophetischen Sendschreiben. Auf seine Veranlassung wurde im Gebet an Feiertagen eingefügt: ירקמ וב םיוקיו ’ה חור וילע החנו בותכש, nämlich für S. Zewi; später ist diese Formel וב in ונב verwandelt worden. (Auerbach, Geschichte der Gemeinde Halberstadt, S. 181). Bei der Nachricht von der Apostasie begab er sich nach Damaskus; von hier aus richtete er ein Sendschreiben d.d. 22. Marcheschwan 5427 = 20. November 1666 (’א’ב ד’ו’ד’ ן’ב’ ח’י’ש’מ תנש) [vgl. Neubauer in der Monatsschrift, Jahrg. 1887, S. 206], scheinbar an S. Zewi, eigentlich an die Gemeinden, daß man sich durch die Apostasie nicht irre machen lassen sollte: וישעמ םיאלפנ ויתודמ רחא רהרהל ןיא, und daß er den Auftrag erhalten habe, nach Scandrone zu gehen (hebräisch bei Emden p. 99, bei Ricaut übersetzt). Aus derselben Zeit ist auch das kleinere Schreiben an die Gemeinde von Aleppo (Coenen p. 101 und bei Ricaut). Er ritt auf einem Rosse, hatte einen Säbel an der Seite und 36 Personen in seinem Gefolge, worunter sein Schwiegervater und einige Türken (Coenen p. 122). Das Rabbinat von Konstantinopel warnte die Gemeinden vor seinen Schwindeleien in einem Schreiben (d.d. 12. Kislew) und berichtet von ihm ’טסוקל וא רימזיאל םי ךרד אבל הנורדנקסא ךרדב ויעסמל ךליו (Emden 11a). Er begab sich nach Salonichi (wo sein Schwiegervater starb) und dann nach Brussa (Sasportas p. 35a). Den 1. Schebat = 26. Januar 1667 kam er nach Brussa (Coenen p. 122). Dort zerstreuten sich seine Begleiter, und er kam mit sechs Personen in Smyrna an, 1. Adar (das. p. 124). Aber dort verfolgt, begab er sich in die Nähe nach Bonar Bagi, [458] 7. Adar = 3. März (das. p. 134, Ricaut 203). Er kam aber zum zweiten Male nach Smyrna, 4. Ijar (in dieser Zeit hatte Coenen eine Unterredung mit ihm), konnte sich aber nur zwei Tage dort halten (das. p. 137-140, Sasportas p. 35a). Im selben Monat kam er dann nach Ipsola (in der Nähe von Adrianopel). Hier begaben sich zu ihm Delegierte von Adrianopel und Konstantinopel, um ihm das Wort abzunehmen, nicht innerhalb zwölf Tagereisen von Adrianopel zu weilen, 8. Siwan (Respp. Samuel Aboab Ende und bei Emden). Nathan partit ensuite pour Chio, accompagné de deux disciples, d'un valet, et de trois Turcs (Ricaut p. 203). Auch in Korfu war er (Sasportas p. 39b); von da richtete er Sendschreiben nach Zante (Bet ha-midrasch Zeitschrift, p. 92): ויפרוק ק"קמ איבנה ןתנמ בתכ קתעה סאי ק"קל םשמו אטנזלא ק"קל. Von Korfu begab er sich nach Venedig, und zwar in den Mittelfeiertagen des Passahfestes 1668 (Respp. Samuel Aboab לאומש רבד, fol. 96 b). Dort wurde ihm sein Handwerk gelegt und er nach Livorno befördert, er entkam aber nach Rom, ging doch nach Livorno (das. Sasportas p. 39b, 40b) und zuletzt gegen sein eidliches Versprechen doch wieder in die Gegend von Adrianopel (das.). Aus Cuenquis allerdings sagenhafter Angabe scheint hervorzugehen, daß er in Sofia sein Leben beendet habe (bei Emden p. 26 b). Sein Todesjahr erfahren wir aus einer jüngst entdeckten Handschrift. In einer Sammlung von Sprüchen und Memorabilien des ketzerischen Schwindlers Frank in polnischer Sprache (mitgeteilt von Skimborowicz, Leben, Ende und Lehren Franks, Warschau 1866) heißt es p. 47, No. IX in wörtlicher Übersetzung: »Frank wanderte auf Nathans Grab und sah sein Denkmal, auf welchem auf hebräisch das Jahr 440 stand« d.h. ם"ת= 1680, und der Denkvers dazu: ןויצ תב ךנוע ם"ת.

2. Über Sabbataï Raphael sind die einzigen Quellen Sasportas (in Antisabbatiana und Respp. להא בקעי) und Ricaut. Der erstere p. 40 b: ומש ... דחא איבנ םינשב ךר ותויהב ’טסוקל אבש האירומ ריעמ ... לאפר יאתבש ךלה ... ’שדקה ץראב אוהש יבצ יתבשמ עמש םש ותויהבו ... צ"ש םע) םהמע היה אוהו ... ותרבח ישנאמ היהו םשל ולצא תועטהל ץראל הצוחל דחא רבח םע אציו םיעשר רשקב (ןתנו איציניו ריעל אבו ... ימורל ךלהו וירחא ועט הברהו ... םעה תא טרופקנארפמ אבו ... טרופקנארפל דע זנכשא ךרד אבו ול רזח ... םדרטשמאל (auch das. 45 b aus den Respp.). Daselbst heißt es, daß er am Rüsttage des Versöhnungstages dort angekommen sei und in den Mittelfeiertagen ך"תה = Anfang Oktober 1667 aus Amsterdam verjagt wurde, nach Hamburg kam, viele Schwindeleien machte: ויתואופרב הברה חצרו היוגו שיא תשא ףאנ בנג לזג, wurde auch aus Hamburg verjagt und entfloh nach Polen (das. ומוקמ עדונ אלו ... ןילופ ךרד ול ךלהו חרב). Er tauchte aber wieder in Smyrna auf, und zwar anfangs 1672, wie Ricaut berichtet (p. 208), der ihn zwar nicht nennt, aber durch die Bezeichnung imposteur de la Morée kenntlich macht: Cela n'empêche pas, qu'au mois de Janvier 1672 on ne vist paraistre à Smyrne un autre imposteur, que l'on disoit estre de la Morée, quoique son origine ne fût pas connu. Er konnte wegen der herrschenden Antipathie gegen Sabbataï Zewi und wegen Opposition des Rabbinats nicht viel Anhänger werben. Die Juden klagten ihn, um Aufsehen zu vermeiden, nicht als einen Pseudomessias, sondern als Ehebrecher an, et à force d'argent obtinrent une sentence du cadi qui le condamnoit aux galères. On le tint par forme un peu de temps en prison, et ce temps lui servit à se [459] justifier en montrant les faussetés visibles dans l'accusation, il alloit sortir de prison. Mais l'argent et le pouvoir de la synagogue eurent plus de force que les amis et les disciples de l'imposteur qui demeure en prison.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1897], Band 10, S. 458-460.
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